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Erntegut-Urteil: Wie soll es in diesem Jahr funktionieren?

Noch mehr Bürokratie und erbitterter Streit zwischen Handel, Verbänden und Züchtern - alles Dinge, die Landwirte in der Ernte nicht brauchen können, meint top agrar-Redakteur Matthias Bröker.

Lesezeit: 3 Minuten

Jetzt, kurz vor der Ernte, sind viele Bauern stinksauer: In dieser Saison muss jeder, der sein Getreide oder seine Kartoffeln verkauft, beim Agrarhandel bestätigen, dass er die Ware unter Einhaltung der sortenschutzrechtlichen Vorgaben produziert hat.

Und mehr noch: Die meisten Händler haben in einem Brief an die Kunden auch erklärt, welche Angaben dazu erforderlich sind bzw. welches System man dafür nutzen solle. Viele Landwirte fühlen sich dadurch ­gegängelt – sie wollen nicht noch mehr Bürokratie.

Agrarhandel steckt in der Klemme

Doch wie kommt es zu dem plötzlichen Interesse des Handels an den Sortenschutz? Der Hintergrund dafür ist das Ernteguturteil. Es verpflichtet jeden Landhändler, sich beim Landwirt zu erkundigen, ob er bei der Erzeugung der Ernte das geltende Sortenschutzrecht eingehalten hat. Andernfalls verletzt er beim Handel mit nicht lizenziertem Saatgut selbst den Sortenschutz und macht sich strafbar. Der Agrarhandel steckt also in der Klemme – er braucht von den Bauern einen Nachweis zum Sortenschutz, den er aber von ihnen nur zähneknirschend oder gar nicht erhält.

Der Hauptgrund für die ablehnende Haltung der Bauern ist folgender: Viele Händler fordern als Nachweis die Erntegutbescheinigung der Saatgut-Treuhandsverwaltungs GmbH (STV). Bei diesem System müssen Bauern u. a. eine Übersicht aus dem Flächenverzeichnis über die genutzte Fläche je Kulturart offenlegen, Saatgutkaufbelege hochladen bzw. die Nachbauerklärung bereitstellen – deutlich zu viel für so manchen Landwirt. Zumal nicht klar ist, welche Daten aus Sicht des Gesetzgebers wirklich erhoben werden müssen.

Nur eine Lösung mit allen Beteiligten kann den erbitterten Streit beenden.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisiert das Vorgehen der STV entsprechend scharf. Die Forderungen an die Landwirtschaft seien unverhältnismäßig hoch. Zudem werden dadurch vor allem diejenigen mit Mehrarbeit bestraft, die sich ohnehin korrekt verhalten. Ähnlich sieht es die Interessengemeinschaft Nachbau (IG Nachbau).

Dennoch fordern viele Handelshäuser die STV-Erntegutbescheinigung ein. So sieht z. B. der Deutsche Raiffeisenverband darin die ­sicherste Variante, weil die STV dann keine Ansprüche mehr gegen den Händler erhebt. Frei nach dem Motto: Wo kein Kläger, da kein Richter. Einige Händler weichen jedoch auch davon ab.

Zu wünschen wäre, dass alle Beteiligten künftig gemeinsam an einer Lösung arbeiten und endlich Klarheit schaffen. Dabei sollte die STV ihre Datenforderungen nicht überziehen und vor allem muss sie aufhören, die Händler bei aus ihrer Sicht nicht vollständigen Nachweisen direkt zu verklagen.

Zudem sollten sich die Bauern in puncto Nachweise nicht völlig versperren – das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs ist nun mal geltendes Recht. Einigt man sich dagegen nicht, könnte ein Richter über die Umsetzung des Ernteguturteils entscheiden – ich könnte mir vorstellen, dass es dann nicht heißt: Ernte gut, alles gut.

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