Pflanzenzüchtung
EU-Gentechnikregelung sorgt für Verwerfungen im Agrarhandel
Die europäische Debatte über Genome-Editing hat globale Konsequenzen. Strikte Regeln für Züchtungstechnologien behindern den Warenaustausch. Die EU steht vor einer Richtungsentscheidung.
Ohne eine Änderung des europäischen Gentechnikrechts könnten im globalen Agrarhandel schwere Verwerfungen drohen. Denn nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Juli 2018 sind Rohstoffe aus Genome-Editing-Pflanzen als „genetisch verändert (gv)“ einzustufen. Das könnte im Zuge des Klimawandels noch zu einem Problem werden. Dann wenn regionale Versorgungsengpässe nur noch über den internationalen Handel ausgeglichen werden können. „Dieser Ausgleich wird nur mit einem liberalen und gut funktionierenden Handel gelingen“, sagte Prof. Matin Qaim von der Universität Göttingen bei einer digitalen Podiumsdiskussion vorige Woche im Rahmen des Global Forum for Food and Agriculture 2021 (GFFA).
Nur wenige Staaten stufen Genome-Editing als Gentechnik ein
Eine Gunstregion wie Nordeuropa habe aufgrund der nur geringen Ertragsschwankungen eine besondere Verantwortung bei der globalen Ernährungssicherung, der sie aufgrund der bisher sehr restriktiven Gesetzgebung bei den neuen Züchtungstechnologien nicht gerecht werde, sagte Qaim. Neben der Europäischen Union werde nur in wenigen Ländern Genome-Editing als Gentechnik eingestuft, berichtete der Göttinger Agrarökonom. Kleinere Nationen, die ihren Handel mit Europa nicht gefährden wollten, müssten aufgrund der aktuellen EU-Gesetzeslage ganz auf den Einsatz von Sorten verzichten, die mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas gezüchtet worden seien.
EU-Debatte hat globale Auswirkungen
Gerade ärmere Länder, bei denen die Handelsbeziehungen mit der EU eine wichtige Rolle spielten, würden deshalb absehbar für einen Verzicht auf Sorten aus Genome-Editing votieren. Damit hat die restriktive Haltung Europas laut Qaim nicht nur Auswirkungen auf den internationalen Agrarhandel, sondern auch auf die weltweite Nutzung dieser innovativen Technologie. Gerade in Afrika würden mögliche Nutzenwirkungen zur Anpassung an den Klimawandel und die Verbesserung der Ernährungslage die Menschen nicht erreichen. Die Debatte über die Rolle von Genome-Editing für die Landwirtschaft sei damit nicht allein eine europäische, sondern eine globale.
Europäisches Dilemma
Jörg Migende von der BayWa AG verwies indes auf den enormen Aufwand global agierender Handelshäuser als Folge der restriktiven Gesetzeslage in der EU. In letzter Konsequenz dürfte in europäische Futtertröge künftig nur noch Sojaschrot aus Ländern wandern, wo eindeutig die gleichen Kennzeichnungspflichten für die neuen Züchtungstechnologien gelten würden wie in der EU, so Migende, der bei der BayWa das Digital Farming verantwortet. Europa sei aus klimatischen Gründen und aufgrund der zu erwartenden Substitutionseffekte aber gar nicht in der Lage, die bisher aus Südamerika importierten Eiweißmengen selbst zu produzieren, so Migende. Das EU-Gentechnikrecht erschwere die Versorgung der Bevölkerung mit Eiern, Fleisch und Milch aus europäischer Produktion. „Da stecken wir in einem Dilemma, und wenn wir bei der bisherigen Gentechnikregelung bleiben, wird sich Europa von den internationalen Märkten abkoppeln müssen“, sagte Migende voraus.
In die Debatte kommt Bewegung
Für einen „pragmatischen Ansatz“ bei der Regulierung der neuen Züchtungstechniken plädierte in der GFFA-Runde der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, Norbert Lins. In Sachen Gentechnikgesetzgebung seien gewisse Grenzen notwendig, so der CDU-Politiker. Aber Europa müsse sich auch als Wissenschafts- und Innovationsregion begreifen. Die Genschere CRISPR/Cas ermögliche Verbesserungen in Sachen Umwelt-, Tier- und Klimaschutz, zeigte sich Lins überzeugt. Daher sei ein offener, gleichzeitig aber verantwortungsvoller Umgang mit den präzisen Züchtungstechnologien gefragt. Lins begrüßte, dass zuletzt auf EU-Ebene Bewegung in die Debatte um die Gentechnik-Kennzeichnung gekommen sei. Er äußerte die Hoffnung, dass die Erfolge bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 mit Genome-Editing-Verfahren für Rückenwind auch bei präzisen Technologien in der Pflanzenzüchtung sorgen.
Anpassung an den Klimawandel kann gelingen
Der Vizepräsident des EU-Ausschusses der Bauernverbände (COPA), Pedro Gallardo, erinnerte auf dem GFFA-Podium daran, dass der Verbrauch an Pflanzenschutz- und Düngemittel im Zuge des europäischen Green Deal zurückgefahren und Treibhausgase eingespart werden sollten. Gleichzeitig bedrohten aber neue Krankheiten und Schädlinge Nutztiere und Pflanzen, was durch den Klimawandel noch verstärkt werde. „Neue Züchtungstechnologien sind eine Antwort auf diese Herausforderungen“, betonte der Spanier. In Europa und Nordamerika stammten schon heute 70 % der Produktivitätssteigerung aus der Züchtung, die restlichen 30 % aus einer optimierten Ausnutzung von Betriebsmitteln. Mithilfe der Genschere gezüchtete Pflanzensorten seien in der Lage, Düngemittel effizienter zu nutzen und Krankheiten ohne Pflanzenschutzmittel zu widerstehen. Dadurch könne der Landwirtschaft die Anpassung an den Klimawandel gelingen, zeigte sich Gallardo überzeugt.
Frankreich für Lockerungen beim EU-Gentechnikrecht
Unterdessen hat sich Frankreichs Landwirtschaftsminister Julien Denormandie in Sachen Gentechnikkennzeichnung klar positioniert. „Neue Züchtungstechnologien sind keine Gentechnik und sollten deshalb auch nicht unter das strenge europäische Gentechnikrecht fallen“, stellte der Ressortchef gegenüber französischen Fachmedien klar.
FDP hofft auf Frankreich als Treiber
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Carina Konrad begrüßte diesen politischen Rückenwind für Genome Editing aus Paris. „Was für die Medizin gilt, gilt auch für die Landwirtschaft. Biontech hat gezeigt, wie schnell ein Impfstoff gefunden werden kann, der Hoffnung spendet. Genauso kann Genome Editing Erfolge für eine umweltgerechte Landwirtschaft bringen“, so die Berichterstatterin der FDP-Fraktion für Gentechnik und neue Züchtungstechnologien. Frankreich habe dies erkannt und zeige sich zukunftsgewandt, während Deutschland, einst das Land der Dichter und Denker, weiter schlafe und seinen Forschungsstandort versiegele.
Klöckner mahnt zu Offenheit gegenüber neuen Züchtungstechniken
Ihre Forderung nach mehr Offenheit gegenüber neuen Züchtungsmethoden hat letzte Woche auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) bekräftigt. Verantwortungsvolles Handeln erfordere einen vorbehaltlosen Umgang mit der neuen Technologie, sagte Klöckner am vergangenen Freitag zum Abschluss des Global Forum for Food and Agriculture (GFFA). Die Ministerin räumte ein, dass die Genschere CRISPR/Cas kein Allheilmittel sei. Die Potentiale dieser Technologie für die Züchtung von widerstandsfähigen und ressourcenschonenden Pflanzen rechtfertigten jedoch nicht, ihren praktischen Einsatz von vornherein auszuschließen. Angesichts der Aufgabe, weltweit den Klimawandel zu bekämpfen sowie gleichzeitig Erträge und Ernten zu sichern, seien neue Pflanzenzüchtungen ebenso wie intelligente Bewässerungssysteme wichtige Instrumente.
von Christian Kraus
"Verwerfungen im Agrarhandel"
Einzig und allein DARUM geht es. Keine S.. interessiert es ob Menschen auf der Welt verhungern wenn es um Milliarden geht!! Wo ist das das Wunder-Gensaatgut? Umwelt-, Tier- und Klimaschutz, Hunger auf der Welt, Düngerverbrauch, Spritzmitteleinsatz,... waaaahnsinn, was das alle kann! ... mehr anzeigen Mais? Getreide? Raps? Eierlegende Wollmilchsau? Was ist es denn? Wie heißt die Sorte? Wo sind die Zahlen die das belegen? Wo ist die Wissenschaft? Ich frag nur, weil, wenn es so gut ist, dann muss es das doch geben. Oder braucht man das heutzutage gar nicht mehr? weniger anzeigen
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von Christian Bothe
@Gerner+Schmid
Mit dem “Bloedsinn” H.Gerner wäre ich etwas vorsichtig! Sie beide müssen aus ihrem Glaskasten herauskommen und die Realitäten in der Weltlandwirtschaft erkennen! Leider bzw. richtigerweise werde ich Recht behalten und die EU wird ich ominöses Urteil EuGH kassieren! Mal sehen wie ... mehr anzeigen es wird... Frueher als Lehrling hätte ich gesagt:”wollen wir wetten”, lieber H.Gerner? weniger anzeigen
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von Fritz Obermair
Welthunger
zu Marin Schmid: Sie schreiben "obwohl die Zahl der Hungernden in diesen 25 Jahren gestiegen ist....." Die Aussage ist leider faktenbefreit. Im Gegenteil ist die Zahl der Hungernden zahlenmäßig in dem Zeitraum um rund 400 Millionen Menschen gesunken trotz Zunahme der Weltbevölkerung ... mehr anzeigen in diese Zeitraum um rund 1.000 Millionen Menschen. Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38187/umfrage/anzahl-der-hungernden-weltweit/ Fakten helfen ihnen vielleicht aus der Gelaberfalle. weniger anzeigen
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von Wilhelm Grimm
Gelaber?
Hungersnöte gibt immer in Kriegen, die Kinder und Mütter leiden immer am stärksten. Kriege und Verteilungskämpfe, auch um Nahrung, sind an der Tagesordnung. Daher sollten wir den Hunger nicht den Mathematikern überlassen. Nach den letzten Medienberichten ist die Zahl der Hungernden ... mehr anzeigen gestiegen und es ist nicht damit zu rechnen, dass auch nur ein Staat seine eigenen Nahrungsmittelreserven auflösen wird, im Gegenteil, die Verteilungskämpfe um Nahrung werden bleiben und die kriegerischen Auseinandersetzungen werden nicht verschwinden. weniger anzeigen
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von Martin Schmid
Bauerndemo
In Berlin finden aktuell und noch bis Freitag verschiedene Bauerndemo´s statt. Organisiert und unterstützt von LsV HF; LsV SH+HH; LsV D; LsV Original und noch andere LsV Regional-Gruppen, BDM, AbL, EMB, Freie Bauern, Milch Dialog. Eine der Forderungen lautet: Für importierte ... mehr anzeigen Lebensmittel, auch für Verarbeitete, müssen die gleichen gesetzlichen Bedingungen im Erzeugerland gelten, wie bei uns. Deshalb: Hände weg von einer Änderung, oder glaubt wirklich irgendjemand, dass das Global Forum for Food and Agriculture sich für Bauern und Bevölkerung stark macht ? weniger anzeigen
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von Christian Bothe
EU und Gentechnik
Die EU sollte sich endlich mal wissenschaftlich zur Gentechnik und neuen Züchtungstechnologien positionieren und sich nicht selbst im Weg stehen. Andersglaeubige wird’s immer geben,aber unsere LW hat nur so die Chance sich unter den Klimaveränderungen weiter zu entwickeln und den ... mehr anzeigen akuten Hunger in der Welt zu mindern! weniger anzeigen
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von Martin Schmid
Welthunger ?
Wie schon vor 25 Jahren, bei der Einführung von Roundup-Ready soll nun der Welthunger eleminiert werden, obwohl die Zahl der Hungernden in diesen 25 Jahren gestiegen ist. Die Lobbyisten um die großen Gen- und Biotecfirmen in Verbindung mit den global agierender Handelshäuser und dem ... mehr anzeigen Bauernverband (bei dem die Spitzenfunktionäre in deren Aufsichtsräte sitzen) wollen den " ärmere Länder ... in Afrika eine Verbesserung der Ernährungslage für die Menschen erreichen." Das ist eine perfide Argumentation die mich ekelt. weniger anzeigen
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von Andreas Gerner
"Nur so die Chance"?
Blödsinn. Wir wurden in 4 Jahrzehnten ohne Gentechnik nicht abgehängt (Zuchtfortschritt genauso stark wie in Ländern mit Gentechnik) und werden es auch nie ohne Genschere. Zumal wir aufgrund allerhand Einschränkungen bald keinerlei Überschüsse mehr haben und wir keinen Weizen mehr ... mehr anzeigen auf dem Auslandsmarkt platzieren müssen. Auf unserem Markt besteht aber die Hoffnung, dass wir uns im Bündnis mit zahlreichen Gruppen erfolgreich gegen die Einfuhr von so erzeugten Produkten wehren können. Dann können sich wenigstens bei uns vernünftige Preise bilden. weniger anzeigen
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von Andreas Gerner
Wieder fallen reihenweise Politiker auf die Versprechungen herein.
Seit 4 Jahrzehnten verspricht die Gentechnik, trockentolerante Sorten hervorzubringen. Wo sind die Ergebnisse? Genauso läuft es mit der Genschere. Man kann gewisse Resistenzen einbauen, aber dass die Pflanze trotz weniger Wasser höhere Erträge bringt, ist halt doch von hunderten ... mehr anzeigen Eigenschaften in der Pflanze abhängig, die sich gegenseitig beeinflussen. Am Ende wird das Übel wegen leichtgläubiger Politiker zugelassen, und wir haben den Salat. Anfangs kann man sich wehren, indem man die Sorten nicht kauft. Später werden nach und nach Fungizide nicht mehr zugelassen, weil es ja Sorten gibt, die resistent sind. Also ist man faktisch gezwungen, mitzuspielen. Horrende Lizenzzahlungen inclusive. Bei entsprechender Anbaubedeutung der Sorten wird ruck zuck die Resistenz durchbrochen (Analog zu den Glyphosatresistenten Unkräutern in USA) und wir sind die Dummen. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Und zur Erinnerung an die Politik: 95% der Bevölkerung wollen weder Gentechnik noch Genschere auf dem Teller! weniger anzeigen
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von Wilhelm Grimm
Ich bin völlig anderer Meinung, Herr Gerner !!!!
Ihre Argumentation, dass 95 % der Bevölkerung die Gentechnik und auch die Genschere ablehnen würden zieht nicht. Die wollen auch kein Glyphosat, keine Mineraldüngung, keinen chemischen Pflanzenschutz, aber Mücken wollen sie auch nicht. Brötchen mit dem Auto muss sein. Die rote ... mehr anzeigen Gentechnik wirkt heute segensreich und wurde leidenschaftlich bekämpft. Der gelbe Reis, darüber wird immer noch gestritten. Es ist alles sehr traurig. weniger anzeigen
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