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Pflanzenzüchtung

EU-Gentechnikregelung sorgt für Verwerfungen im Agrarhandel

Die europäische Debatte über Genome-Editing hat globale Konsequenzen. Strikte Regeln für Züchtungstechnologien behindern den Warenaustausch. Die EU steht vor einer Richtungsentscheidung.

Lesezeit: 5 Minuten

Ohne eine Änderung des europäischen Gentechnikrechts könnten im globalen Agrarhandel schwere Verwerfungen drohen. Denn nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Juli 2018 sind Rohstoffe aus Genome-Editing-Pflanzen als „genetisch verändert (gv)“ einzustufen. Das könnte im Zuge des Klimawandels noch zu einem Problem werden. Dann wenn regionale Versorgungsengpässe nur noch über den internationalen Handel ausgeglichen werden können. „Dieser Ausgleich wird nur mit einem liberalen und gut funktionierenden Handel gelingen“, sagte Prof. Matin Qaim von der Universität Göttingen bei einer digitalen Podiumsdiskussion vorige Woche im Rahmen des Global Forum for Food and Agriculture 2021 (GFFA).

Nur wenige Staaten stufen Genome-Editing als Gentechnik ein

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Eine Gunstregion wie Nordeuropa habe aufgrund der nur geringen Ertragsschwankungen eine besondere Verantwortung bei der globalen Ernährungssicherung, der sie aufgrund der bisher sehr restriktiven Gesetzgebung bei den neuen Züchtungstechnologien nicht gerecht werde, sagte Qaim. Neben der Europäischen Union werde nur in wenigen Ländern Genome-Editing als Gentechnik eingestuft, berichtete der Göttinger Agrarökonom. Kleinere Nationen, die ihren Handel mit Europa nicht gefährden wollten, müssten aufgrund der aktuellen EU-Gesetzeslage ganz auf den Einsatz von Sorten verzichten, die mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas gezüchtet worden seien.

EU-Debatte hat globale Auswirkungen

Gerade ärmere Länder, bei denen die Handelsbeziehungen mit der EU eine wichtige Rolle spielten, würden deshalb absehbar für einen Verzicht auf Sorten aus Genome-Editing votieren. Damit hat die restriktive Haltung Europas laut Qaim nicht nur Auswirkungen auf den internationalen Agrarhandel, sondern auch auf die weltweite Nutzung dieser innovativen Technologie. Gerade in Afrika würden mögliche Nutzenwirkungen zur Anpassung an den Klimawandel und die Verbesserung der Ernährungslage die Menschen nicht erreichen. Die Debatte über die Rolle von Genome-Editing für die Landwirtschaft sei damit nicht allein eine europäische, sondern eine globale.

Europäisches Dilemma

Jörg Migende von der BayWa AG verwies indes auf den enormen Aufwand global agierender Handelshäuser als Folge der restriktiven Gesetzeslage in der EU. In letzter Konsequenz dürfte in europäische Futtertröge künftig nur noch Sojaschrot aus Ländern wandern, wo eindeutig die gleichen Kennzeichnungspflichten für die neuen Züchtungstechnologien gelten würden wie in der EU, so Migende, der bei der BayWa das Digital Farming verantwortet. Europa sei aus klimatischen Gründen und aufgrund der zu erwartenden Substitutionseffekte aber gar nicht in der Lage, die bisher aus Südamerika importierten Eiweißmengen selbst zu produzieren, so Migende. Das EU-Gentechnikrecht erschwere die Versorgung der Bevölkerung mit Eiern, Fleisch und Milch aus europäischer Produktion. „Da stecken wir in einem Dilemma, und wenn wir bei der bisherigen Gentechnikregelung bleiben, wird sich Europa von den internationalen Märkten abkoppeln müssen“, sagte Migende voraus.

In die Debatte kommt Bewegung

Für einen „pragmatischen Ansatz“ bei der Regulierung der neuen Züchtungstechniken plädierte in der GFFA-Runde der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, Norbert Lins. In Sachen Gentechnikgesetzgebung seien gewisse Grenzen notwendig, so der CDU-Politiker. Aber Europa müsse sich auch als Wissenschafts- und Innovationsregion begreifen. Die Genschere CRISPR/Cas ermögliche Verbesserungen in Sachen Umwelt-, Tier- und Klimaschutz, zeigte sich Lins überzeugt. Daher sei ein offener, gleichzeitig aber verantwortungsvoller Umgang mit den präzisen Züchtungstechnologien gefragt. Lins begrüßte, dass zuletzt auf EU-Ebene Bewegung in die Debatte um die Gentechnik-Kennzeichnung gekommen sei. Er äußerte die Hoffnung, dass die Erfolge bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 mit Genome-Editing-Verfahren für Rückenwind auch bei präzisen Technologien in der Pflanzenzüchtung sorgen.

Anpassung an den Klimawandel kann gelingen

Der Vizepräsident des EU-Ausschusses der Bauernverbände (COPA), Pedro Gallardo, erinnerte auf dem GFFA-Podium daran, dass der Verbrauch an Pflanzenschutz- und Düngemittel im Zuge des europäischen Green Deal zurückgefahren und Treibhausgase eingespart werden sollten. Gleichzeitig bedrohten aber neue Krankheiten und Schädlinge Nutztiere und Pflanzen, was durch den Klimawandel noch verstärkt werde. „Neue Züchtungstechnologien sind eine Antwort auf diese Herausforderungen“, betonte der Spanier. In Europa und Nordamerika stammten schon heute 70 % der Produktivitätssteigerung aus der Züchtung, die restlichen 30 % aus einer optimierten Ausnutzung von Betriebsmitteln. Mithilfe der Genschere gezüchtete Pflanzensorten seien in der Lage, Düngemittel effizienter zu nutzen und Krankheiten ohne Pflanzenschutzmittel zu widerstehen. Dadurch könne der Landwirtschaft die Anpassung an den Klimawandel gelingen, zeigte sich Gallardo überzeugt.

Frankreich für Lockerungen beim EU-Gentechnikrecht

Unterdessen hat sich Frankreichs Landwirtschaftsminister Julien Denormandie in Sachen Gentechnikkennzeichnung klar positioniert. „Neue Züchtungstechnologien sind keine Gentechnik und sollten deshalb auch nicht unter das strenge europäische Gentechnikrecht fallen“, stellte der Ressortchef gegenüber französischen Fachmedien klar.

FDP hofft auf Frankreich als Treiber

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Carina Konrad begrüßte diesen politischen Rückenwind für Genome Editing aus Paris. „Was für die Medizin gilt, gilt auch für die Landwirtschaft. Biontech hat gezeigt, wie schnell ein Impfstoff gefunden werden kann, der Hoffnung spendet. Genauso kann Genome Editing Erfolge für eine umweltgerechte Landwirtschaft bringen“, so die Berichterstatterin der FDP-Fraktion für Gentechnik und neue Züchtungstechnologien. Frankreich habe dies erkannt und zeige sich zukunftsgewandt, während Deutschland, einst das Land der Dichter und Denker, weiter schlafe und seinen Forschungsstandort versiegele.

Klöckner mahnt zu Offenheit gegenüber neuen Züchtungstechniken

Ihre Forderung nach mehr Offenheit gegenüber neuen Züchtungsmethoden hat letzte Woche auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) bekräftigt. Verantwortungsvolles Handeln erfordere einen vorbehaltlosen Umgang mit der neuen Technologie, sagte Klöckner am vergangenen Freitag zum Abschluss des Global Forum for Food and Agriculture (GFFA). Die Ministerin räumte ein, dass die Genschere CRISPR/Cas kein Allheilmittel sei. Die Potentiale dieser Technologie für die Züchtung von widerstandsfähigen und ressourcenschonenden Pflanzen rechtfertigten jedoch nicht, ihren praktischen Einsatz von vornherein auszuschließen. Angesichts der Aufgabe, weltweit den Klimawandel zu bekämpfen sowie gleichzeitig Erträge und Ernten zu sichern, seien neue Pflanzenzüchtungen ebenso wie intelligente Bewässerungssysteme wichtige Instrumente.

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