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topplus Mäuseplage

Feldmäuse vernichten Neuansaat

Vor allem in Thüringen herrscht momentan eine enorme Feldmausplage. Betroffen sind Raps-, Getreide und Zwischenfruchtbestände. Wir haben mit zwei Landwirten über die Bekämpfung gesprochen.

Lesezeit: 6 Minuten

Bereits aus der Ferne sind schwarze Flecken unterschiedlicher Größe auf den ansonsten grünen, hügeligen Feldern Thüringens zu erkennen. „In den letzten Wochen haben Heerscharen von Mäusen bei uns 5 bis 10 % des gerade aufgelaufenen Winterrapses vertilgt“, berichtet Landwirt Björn Bottin, der 1 800 ha Ackerland in der Agrargenossenschaft Großobringen nahe Weimar verantwortet. „Noch nie war es mit den Mäusen so schlimm wie dieses Jahr. Im Sommer haben wir bereits über alle Getreidearten hinweg wegen der Feldmausplage rund 30 % weniger geerntet.“

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Betroffen ist auch Landwirt Eckart Weirich, der etwa 15 km weiter östlich nahe Apolda zusammen mit seiner Familie einen Ackerbaubetrieb mit ca. 470 ha bewirtschaftet. „Sollte ich schätzen, würde ich den Ausfall im Raps aktuell auf 20 bis 25 % beziffern,“ sagt er. Monetär nicht so gravierend, aber mindestens genau so ärgerlich, sei der Schaden in den Zwischenfrüchten. „Auf einem 42 ha-Schlag haben die Na­­ger ca. 80 % der Begrünung inklusive des Ausfallgetreides weggefressen. Aber scheinbar verschmähen die Mäuse Hirse. Auf einem anderen Acker ist sie nämlich das Überbleibsel einer artenreichen Mischung“, so Weirich.

Die Berichte der beiden Betriebsleiter sind keine Ausnahmen. „Wir haben es momentan  in Thüringen mit einem extremen Feldmausaufkommen  zu tun“, berichtet Katrin Weidemann vom Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR). Die Übersicht dazu finden Sie auf Seite 74. „Das Aufkommen ist dieses Jahr sogar stärker als im Extremjahr 2012. Besonders betroffen ist die Region nördlich der A4 mit den Landkreisen Sömmerda und Weimarer Land.“ Die Pflanzenschutzberaterin weiß aber auch, dass es sich nicht nur um ein thüringisches Problem handelt. Die Nachbarn in Sachsen-Anhalt kämpfen ebenso mit den Mäusen. Bezieht man Grünland und den Ackerfutterbau mit ein, so kann man sogar von einem deutschlandweiten Problem sprechen.

Milde, trockene Witterung spielt Mäusen in die Karten

Zwar gilt Thüringen seit jeher als Starkbefallsgebiet, laut Katrin Weidemann hat jedoch Folgendes die Ausbreitung der Mäuse weiter gefördert: 

  • Zu warme und zu trockene Winter in den letzten Jahren, die für geringe Sterblichkeitsraten sorgten.
  • Die über Jahre angewendete pfluglose Bodenbearbeitung bietet den Nagern gute Lebensbedingungen. So bleibt viel Nahrung auf der Bodenoberfläche und Mäusebauten werden seltener zerstört.
  • Eingeschränkte bzw. fehlende Bekämpfungsmöglichkeiten: So dürfen Landwirte schon seit mehreren Jahren keine chemischen Mittel zur Bekämpfung von Nagetieren, sogenannte Rodentizide, mehr breitflächig ausbringen. Hinzu kommt, dass das Ausbringen dieser Mittel in Natura 2000-Gebieten und in Gebieten, in denen Zugvögel rasten, selbst mit der Legeflinte untersagt ist.

Landwirt Weirich ist sich sicher, dass die Mäuse zudem vom verstärkten Zwischenfruchtanbau profitieren: „Durch das Greening bleiben immer mehr Felder über Winter begrünt – das lieben die Mäuse.“ Einig sind sich die beiden Ackerbauern und die Beraterin darüber, dass das extreme Auftreten der Feldmäuse nicht an fehlenden Prädatoren liegt. Greifvögel und Füchse kommen zahlreich in der Feldflur vor – können gegen das Überangebot jedoch nur wenig ausrichten.

Da sich die Feldmäuse bis zum letzten Herbst so stark vermehrten, rechneten Weidemann und ihre Kollegen damit, dass die Population dieses Frühjahr zusammenbricht – dies blieb je­­doch aus. Stattdessen wuchs die Popu­­lationsdichte immer weiter.

Hamsterschutz befeuert Mäuseplage

Bei der Bekämpfung der Mäuse kommt Folgendes erschwerend hinzu: Knapp 50 % der Ackerfläche Thüringens liegen in den sogenannten  Vorkommensgebieten des Feldhamsters . In diesen Gebieten dürfen Landwirte per se vom 1. März bis zum 31. Oktober keine Rodentizide einsetzen – weder breitflächig noch mit der Legeflinte. Nur außerhalb dieses Zeitraums ist eine Anwendung mittels Legeflinte gestattet. Ausnahme: Stellt ein Gutachter fest, dass sich auf einer Fläche im Vorkommensgebiet definitiv kein Feldhamster aufhält, darf man auf dieser Fläche auch innerhalb des Zeitraums Rodentizide einsetzen.

Mit dem aktuellen Kabinettbeschluss der thüringischen Landesregierung vom 6. Oktober 2020 ändert sich diese Gutachterlösung. Nun gilt: Ist kein Gutachter verfügbar, können betroffene Landwirte gemeinsam mit Mitarbeitern des Pflanzenschutzdienstes des TLLLR die betreffenden Schläge begutachten. Vorausgesetzt man kann nachweisen, dass mindestens drei verschiedene Gutachter eine Anfrage abgelehnt haben. Darüber hinaus ist man dazu verpflichtet, die geplante Maßnahme mindestens einen Werktag vor der Ausbringung beim Amt anzuzeigen. Rodentizide dürfen Sie erst dann ausbringen, wenn der Pflanzenschutzdienst dies freigegeben hat.

Ein aussichtsloser Kampf

Doch was können Landwirte tun, um ihre Kulturen vor den unzähligen gefräßigen Nagern zu schützen? Versuche zeigten, dass die Bodenbearbeitung das Mäuseaufkommen stark beeinflussen kann (siehe „Versuchsergebnisse“ auf Seite 76). Das TLLLR empfiehlt daher, durch „Schwarzhalten“ der Flächen den Nagern die Futtergrundlage zu entziehen. Dieser Ansatz war dieses Jahr jedoch nicht erfolgreich, erklärt Beraterin Weidemann: „Es sind schlichtweg zu viele Mäuse, die offensichtlich immer noch genug zu fressen haben.“ Das bestätigt Björn Bottin: „Wir haben die Flächen gepflügt und anschließend zwei- bis dreimal tief gegrubbert. Extrem betroffene Flächen sogar noch häufiger. Gebracht hat es nichts.“ Ebenfalls ernüchternd war der Effekt der intensiveren Bearbeitung bei Eckart Weirich: „Wir haben anstelle eines Arbeitsgangs dieses Jahr viele Flächen dreimal bearbeitet – einmal etwa 25 cm tief und zweimal flach.“ Weirich wirtschaftet mittlerweile 15 Jahre pfluglos. Er selbst ordnet seine Arbeitsweise zwischen Mulchsaat und Direktsaat ein.

Die beiden Praktiker Björn Bottin und Eckart Weirich haben durch das intensive Arbeiten folgende negative Auswirkungen in Kauf genommen:

  • Höherer Dieselverbrauch je Hektar,
  • stärkeres Austrocknen der Böden,
  • Verschlechterung der Bodenstruktur und Humusabbau sowie
  • verstärkte Wind- und Wassererosion.

„In kürzester Zeit mussten wir somit das zerstören, was wir über Jahre versuchen aufzubauen: Einen aktiven Boden mit einem vielfältigen Bodenleben und einer Struktur, die in der Lage ist, auch große Regenmengen aufzunehmen und zu halten“, fasst Weirich zusammen.

Ideen der Praktiker

Weil auch die Flächen von Weirich in Feldhamstergebieten liegen, schiebt er die Weizenaussaat nach hinten. Seine Idee: „Ich hoffe mit einer Saat nach dem 10. Oktober und dem Einsatz der Legeflinte ab dem 1. November einen Kompromiss zwischen Pflanzenentwick­­lung und Mäusebekämpfung hinzubekommen.“

Bei der Agrargenossenschaft Großobringen passt Bottin die Kulturführung des Rapses an: „Wegen der Mäuse warte ich mit dem Kurzspritzen so lange wie es geht oder ich setze komplett aus.“ Wichtig sind für ihn große und starke Rapspflanzen, denen die Mäuse nicht mehr viel anhaben können.

Schon im Sommer hat er verschiedene Maßnahmen ausprobiert, um die Mäuse von den Flächen zu halten. So mulchte er die Feldränder frühzeitig, um den Nagern Nahrung und Deckung zu entziehen. Mit dem Pflug zog er zusätzlich Gräben, welche den Mäusen das Einwandern in die Flächen erschweren sollten – beides ohne nennenswerten Erfolg. Er hofft jetzt, dass ein kalter Winter die Population zusammenbrechen lässt.

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