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Forschung rund um Zuckerrübe als Gemeinschaftsaufgabe

Um langfristig Rüben anbauen zu können, ist viel Forschung notwendig. Aus Sicht von Dr. Christian Lang ist das eine Gemeinschaftsaufgabe – der Rübenexperte im top agrar-Interview.

Lesezeit: 6 Minuten

Herr Lang, der Rübenanbau ist unsicherer geworden. Was sind insbesondere die Herausforderungen im Süden?

Dr. Christian Lang: Wie in ganz Deutschland erschweren der Preisdruck und die gesetzgeberischen Vorgaben und Auflagen auch bei uns den Anbau. Hinzu kommt, dass der Klimawandel speziell hier im Süden wirkt, wie in keiner anderen Region Deutschlands. Dadurch wandern von Süden her neue Arten oder Mutationen unaufhaltsam ein, darunter auch Klimawandelgewinner wie Zikaden oder Wanzen. Zudem wird es schwieriger, bekannte Schädlinge wie z. B. Blattläuse sicher zu bekämpfen, wenn diese über frostfreie Winter ins neue Jahr starten können. Das wird in Zukunft eher die Regel als die Ausnahme sein.

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Weil sich die Klimawandelfolgen sehr gut im Südwesten beobachten lassen, ist es wichtig, dass wir hier intensiv daran forschen. Allerdings wurden die Arbeitsgemeinschaften, unser Kuratorium für Versuchswesen und die offiziellen Beratungsstellen für einen „Normalbetrieb“ aufgebaut. Und das reicht als Bollwerk gegen Klimawandelfolgen und Preisschwankungen nicht aus. Deshalb bringen sich die Anbauer in Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg jetzt deutlich stärker ein und gehen die Herausforderungen gezielt in gemeinsamen Projekten an, in denen Praxis, Forschung und Beratung zusammengebracht werden.

Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass die Viröse Vergilbung 2022 auftritt?

Lang: Um diese Frage beantworten zu können, brauchen wir Daten. Diese bekommen wir aus unserem NIKIZ-Projekt. Dort haben wir das Monitoring von Insekten in der Rübe neu definiert und massiv ausgeweitet. Zurzeit entwickeln wir die ersten Ansätze zur Modellierung der wichtigsten Schaderreger oder validieren Modelle. Damit verfügen wir über hervorragende Daten, die Voraussetzung für Modelle und fundierte Entscheidungen sind.

Aktuell kann ich auf dieser Basis klar sagen, dass die Viruslast in der Fläche im Jahr 2021 um mehr als 70 bis 80 % durch die Witterung und den Einsatz von Neonikotinoiden zurückgegangen ist. Zudem hat die Witterung im laufenden Winter die Blattläuse drastisch reduziert. Somit hoffen wir auf ein Jahr mit wenig Virusbefall; eine endgültige Entwarnung können wir allerdings noch nicht geben.

Wie lässt sich der Befallsdruck senken, und worauf ist bei den Insektizideinsätzen zu achten?

Lang: Für den Fall, dass sich Blattläuse im Frühjahr sprunghaft vermehren, brauchen wir dringend Notfallzulassungen geeigneter Insektizide. Nur so lassen sich die Virusträger nach der Saat gezielt bekämpfen. Andernfalls stehen die Landwirte ohne Gegenwehr da. Die Beratung kann auf Basis des Monitorings in allen Regionen zeitgerecht warnen. Wir müssen aber in Deutschland aufpassen, dass es nicht heißt: Diagnose und Beratung top, Behandlung Flop. Kleine Kulturen brauchen mehr Unterstützung, wenn Diversität der Fruchtfolge gewünscht wird.

Welche Ansätze gibt es, um die Viröse Vergilbung besser zu bekämpfen?

Lang: Unser Partner Fraunhofer in Gießen erprobt z.B. in dem Projekt ViVe_Beet, wie RNAi gegen die Vergilbung wirkt. Die Forschung rund um Viren und Blattläuse werden das Julius Kühn-Institut (JKI) sowie das Institut für Zuckerrübenforschung (IfZ) aus Göttingen verstärken. Weiterhin gibt es noch ENTOPROG, ein Projekt unseres Forschungspartners ZEPP, in dem u.a. die Prognose von Blattläusen und Zikaden fünf Jahre lang entwickelt wird. Die Basis für beide Modelle von ENTOPROG erarbeiten wir schon mit der ZEPP, Fraunhofer und den Landwirten im NIKIZ-Projekt. Wir können also die Grundlagen schaffen, damit man in Deutschland diese Modelle weiterbauen kann. Hoffen lässt auch, dass die Saatgutfirmen bereits seit einigen Jahren intensiv auf diesem Gebiet nach toleranten bzw. resistenten Sorten forschen.

Seit drei Jahren leiden Rüben auch unter der bakteriellen Erkrankung SBR. Kann man den Vektor, die Schilf-Glasflügelzikade, in Schach halten?

Lang: Tauchen neue Krankheiten auf, machen wir eigentlich immer wieder die gleichen Fehler. Erst werden sie ignoriert, dann isoliert betrachtet. Dabei ist es wichtig, auch die künftig noch weitaus drastischeren Folgen von z. B. der Zikaden-Krankheit zu betrachten. Dafür hätten wir uns von der Bundesregierung und dem JKI ein deutlich ambitionierteres, gemeinsames Projekt mit unserer Forschungsgemeinschaft gewünscht.

Über den Thinktank von NIKIZ und der Forschungsgemeinschaft definieren wir nun die Ziele in echter Kooperation zwischen Landwirten, Wissenschaftlern und Beratern. Das ist neu und extrem schnell – aber auch herausfordernd für die bisher vorhandenen Strukturen der Forschungsförderung. Dass es jedoch notwendig ist, zeigt auch, dass der Verband in Baden-Württemberg das Projekt BetaClimate sowie unser Verband im Südwesten „SONAR“ starten und auch in Bayern Aktivitäten vorbereitet werden.

Aktuell sind Sorten die größte Hoffnung gegen die SBR. Wir untersuchen im Südwesten aber auch die Effekte durch Bodenbearbeitung, Fruchtfolge sowie den Einsatz von natürlichen Gegenspielern der Schilf-Glasflügelzikade. Zikaden, Wanzen, Milben oder Stechmücken – wir müssen da in völlig anderen Dimensionen in die Forschung Südwest investieren. Die Länder haben es jedenfalls verstanden und helfen uns dabei.

Treten auch Doppelinfektionen in Rübenbeständen auf, z. B. durch Viren und Bakterien?

Lang: Wir haben zum ersten Mal im Südwesten Doppelinfektionen in den Fokus genommen. Das war 2017 und Auslöser für das Multi-Faktor- und Multi-Teilnehmer-Projekt NIKIZ. Ganz klar hat dies die bisher übliche Gelbfärbungs-Diagnostik der Rübenblätter per Augenschein ad absurdum geführt. Die Daten haben deutlich gezeigt: Niemand kann die Symptome im Feld einzelnen Viren oder Bakterien sicher zuordnen oder gar solche ausschließen. Seit 2017 haben wir ein Monitoring etabliert und starke Analysekapazitäten aufgebaut. Heute führen wir dank Innovationsförderung die höchste Analysezahl auf beide Krankheiten in Deutschland und Europa durch. Außerdem konnten wir nachweisen, dass sich die Krankheiten in ihren negativen Folgen verstärken. Da machen mir die Wanzen Sorgen, die sich gerade enorm vermehren. Das zeigt übrigens auch, dass wir bei der Rübe für alle Kulturen Pionierarbeit leisten, wenn wir uns mit diesen Klimawandelgewinnern anlegen.




So steht es um die Zukunft der Rübe

Seit 300 Jahren wachsen Zuckerrüben im Süden. Dass sie das auch weiterhin tun, dafür setzt sich Dr. Christian Lang ein. Die Forschungserfolge geben ihm recht. Zwar ist der Anbau durch den Klimawandel im Süden besonders herausfordernd. Allerdings ist die Rübe gegenüber dem Klimawandel resilient. „Wir müssen ihr nur helfen, dass sie das auch zeigen kann“, sagt Lang.

Dazu gehört es, Pflanzenschutz neu zu denken, Biodiversität zu entdecken, Nitrat durch Rüben aufzufangen und den ländlichen Raum mit Innovationsprojekten von unten zu stärken. „Setzen Rübenanbauer, Beratung, Zuckerindustrie, Politik und Staat das gemeinsam um und arbeiten auf allen Ebenen zusammen, können wir große Erfolge erreichen“, ist sich der Rübenexperte sicher. Diese könnten andere Regionen vor solchen Ereignissen schützen. „Letztlich müssen wir es gemeinsam schaffen, die Anbauer am Mehrwert der Kultur für die Gesellschaft, den ländlichen Raum und eine regionale Produktion zu beteiligen.“ Dann habe die Rübe im Süden definitiv eine Zukunft. Lang fordert: „Wir Bauern sind bereit – brauchen aber mehr Unterstützung!“

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