Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Die Meldung hat für Aufmerksamkeit gesorgt: Prof. Dr. Carolin Huhn von der Universität Tübingen veröffentlichte neulich eine Studie über die Herkunft von Glyphosat in Gewässern. Ergebnis: Teile der Glyphosat-Belastung stammen nicht vom Acker, sondern aus Waschmaschinen.
Frau Prof. Dr. Huhn, wie lässt sich das erklären?
Mit dem Waschmitteladditiv Diethylentriaminpentakis (methylenphosphonsäure) – kurz DTPMP – haben wir einen Stoff, der bereits einige Strukturelemente von Glyphosat enthält. Er wird übrigens nicht nur in Waschmitteln eingesetzt, sondern auch in der Textil- und Kosmetikbranche, zur Trinkwassergewinnung und so weiter.
Gelangt DTPMP in die Kläranlage, wird es oxidativ gespalten. Die ohnehin schon Glyphosat-ähnlichen Strukturelemente binden Sauerstoff und von diesem Punkt aus ist die Entstehung von Glyphosat nur noch einen Schritt entfernt. Wenn wir typische Abbaumechanismen betrachten, landen wir mit DTPMP fast unweigerlich bei Glyphosat. Für uns Chemiker ist die Reaktion daher nicht weiter erstaunlich.
Wie genau der Prozess abläuft, wissen wir noch nicht und so können wir die Befunde in den Gewässern auch noch nicht quantitativ erklären. Dazu müssen wir die Dynamik der Glyphosat-Bildung noch besser verstehen. Trotzdem haben wir ausreichend eindeutige Daten, um sagen zu können, dass Glyphosat in Kläranlagen aus dem Waschmittelzusatz DTPMP entsteht.
Zu den Hauptanwendungszeiten in der Landwirtschaft steigt die Glyphosat-Konzentration in Gewässern nur leicht an. Wie groß ist der Anteil aus der Landwirtschaft?
Das hängt sehr stark vom Einzugsgebiet ab. Studien zu Abtragsraten aus der Landwirtschaft zeigen, dass die Verluste in Gewässer in der Regel bei unter einem Prozent liegen. Anders ist das nur bei Einsätzen auf versiegelten Flächen wie Parkplätzen oder Einfahrten.
Wir können aus unseren Daten sagen: Wo wir eine Kläranlage haben, sind die Waschmitteleinträge dominant. In anderen Gewässern überwiegt der landwirtschaftliche Eintrag und hier sehen wir auch klare Konzentrationsprofile, wie wir sie bei einem Eintrag aus der Fläche nach Regenereignissen erwarten.
In einem konkreten Fall haben wir Proben aus demselben Gewässer vor und hinter einer Kläranlage genommen. Vorher konnten wir gar kein Glyphosat nachweisen und hinter der Kläranlage schossen die Werte förmlich in die Höhe. Diese Kläranlage wurde geschlossen und danach ist auch das Glyphosat relativ schnell aus dem Gewässer verschwunden. Dort war der Eintrag über die Kläranlage sicher der dominante oder gar einzig relevante.
Zum Glück haben einige Behörden aber schon reagiert: In Thüringen hat man das Monitoring so umstrukturiert, dass man über das von der EU vorgeschriebene Messnetz hinaus auch Messstellen vor und nach Kläranlagen aufnimmt, um solche Eintragsmuster besser zu verstehen.
Was bedeuten Ihre Erkenntnisse für Landwirte?
Für die Landwirtschaft ändert sich wenig – außer dem Wissen, nicht der alleinige Verursacher von Gewässer-Einträgen zu sein. Denn die Kritik an Glyphosat oder Breitbandherbiziden allgemein bleibt meiner Einschätzung nach und betrifft ohnehin nicht nur den Einfluss auf Gewässer.
Was ich in Gesprächen mit Privatpersonen erlebe, sind leider Verdächtigungen wie: „Oh, dann glauben jetzt wieder alle, sie könnten Glyphosat intensiver einsetzen.“ Das ist aber überhaupt nicht das, was ich im Umgang mit Landwirten und Pflanzenschutz-Experten erlebe.
Trotzdem entlastet die Studie Landwirte ein Stück weit: Sie zeigt, wie gering die Einträge vom Acker sind. Nehmen Umweltverbände und Medien das wahr?
Die landwirtschaftlichen Fachmedien und Wissenschafts-Medien haben unsere Studie sehr schnell in ihre Berichterstattung aufgenommen. Über unsere ersten Ergebnisse aus dem Vorjahr hatten auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Süddeutsche Zeitung“ und auch die ARD in wissenschaftlichen Beiträgen berichtet. Jetzt waren beispielsweise auch bei „Zeit online“ Berichte zu lesen. Nach und nach trudeln aber noch mehr Medienanfragen ein.
Was die Umweltschutzorganisationen angeht, fand ich bemerkenswert, dass sich neulich jemand vom BUND bei mir gemeldet hat.
Was hat er gesagt?
Er wurde auf die Studie aufmerksam gemacht und der BUND bespricht diese jetzt in ihrem Fachausschuss Pestizide. Mehr weiß ich noch nicht. Noch interessanter finde ich aber, dass es von Campact noch keine Reaktion gibt. Die haben Glyphosat ja wirklich seit Jahren ganz oben auf ihrer Liste. Von denen habe ich noch gar keine Reaktion gesehen.
Wie reagieren Behörden auf Ihre Erkenntnisse? Glauben Sie an ein DTPMP-Verbot?
Wir haben die Behörden schon frühzeitig, vor dem Veröffentlichen der Studie informiert und Workshops mit deren Mitarbeitern durchgeführt. Bei dem letzten Termin hatten wir über 100 Teilnehmer – das Interesse ist also sehr groß. DTPMP ist aber über die Europäische Chemikalienverordnung REACH reguliert. Diese erfasst Abbauprodukte nur in ganz geringem Maße.
Bei den Behörden besteht deshalb aktuell kein direkter Handlungsbedarf. Phosphonate wurden bisher als toxikologisch nicht relevant eingestuft. Stoffe wie DTPMP müssen bislang nur registriert sein. Ihre hohe Persistenz alleine reicht nicht aus, um eine Zulassung hervorzurufen.
Wir Umweltforscher fordern immer: Schafft die Quelle ab, wenn sie nicht notwendig ist. Und im Waschmittel halte ich DTPMP für ersetzbar. Ich sehe im Moment aber nicht, dass da der große Aktionismus kommt. So liegt die Entscheidung weiter beim Verbraucher.
Geht es um mögliche Gefahren durch Pflanzenschutzmittel, steht ein Verbot immer schnell zur Debatte. Hier könnten wir Ihren Schilderungen nach aber festhalten: Die Behörden interessieren sich für das Thema. Das Interesse reicht aber noch nicht aus, um zu handeln?
Nein, das würde ich so nicht formulieren. Das Interesse ist tatsächlich nicht nur groß, sondern auch ernst gemeint. Regulatorisch gibt es aber keine konkrete Handhabe. Für Glyphosat wird eine Umweltqualitätsnorm – also ein festgelegter Höchstwert für Gewässerkonzentrationen – diskutiert. Ob die kommt oder nicht, ist noch offen.
Diskutiert werden zwei Varianten für Gewässer: Eine weniger strenge Norm gilt allgemein und ein strengerer Vorsorgewert soll für Gewässer gelten, aus denen Trinkwasser gewonnen wird. Abgeleitet aus der Trinkwasserverordnung für alle Pflanzenschutzmittel läge dieser Wert wohl bei 0,1 Mikrogramm pro Liter.
Jetzt stellt sich aber die entscheidende Frage, ob dieser Wert für Pestizide auch für das Abbauprodukt einer anderen Chemikalie gelten würde. Das heißt: Viele Dinge gelten zum Beispiel für Glyphosat als Pflanzenschutzmittel, sie gelten aber nicht automatisch auch für Glyphosat als Abbauprodukt von Stoff XY.
Das kritisieren Landwirte seit Jahren.
Ich hoffe, der Fall zeigt, dass verschiedene Regularien für gleiche Chemikalien zu Problemen führen.
Zu recht. Ich hoffe, dass dieser Glyphosat-Fall jetzt hier ein Paradebeispiel dafür ist, klar zu machen, wo diese verschiedenen Regulierungen noch hängen und wie sie besser aufeinander abgestimmt werden können.
Für wie schädlich halten Sie die aktuelle Glyphosatbelastung der Gewässer denn?
Ich bin keine Toxikologin. Daher kann ich da nicht allzu viel zu sagen. Glyphosat ist aber wieder zugelassen worden, bevor unsere Studie öffentlich war – also sage ich mal: trotz der Gewässerdaten. Es gibt Studien, die eine Belastung von Forellen zeigen, für mich gibt es aber einen klaren Unterschied zwischen den Eintragspfaden. Denn das Glyphosat aus der Landwirtschaft wird bei Regenereignissen eingetragen und ist danach ganz schnell wieder weg.
Durch die Kläranlagen haben wir aber einen nahezu dauerhaften Eintrag und damit eine dauerhafte Belastung der Gewässer. Was das aber für verschiedene Organismen bedeutet, müssen Toxikologen bewerten.
Warum hängen die Waschmittelhersteller so an DTPMP?
Vor einigen Jahren ist ein anderer Stoff verboten worden, den DTPMP gut ersetzen konnte. Und – wenn ich als Chemikerin spreche: Phosphonate sind einfach traumhafte Chemikalien. Sie machen ihren Job mit weniger Menge als Alternativen. Trotzdem gibt es schon lange phosphonatfreie Waschmittel.
Hierbei arbeiten die Hersteller mit Polykarboxylaten, von denen sie aber mehr brauchen als von den Phosphonaten, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Wer als Verbraucher etwas gegen die Glyphosat-Belastung in Gewässern tun möchte, sollte beim Waschmittel-Kauf auf die Inhaltsstoffe achten. Sind hier keine Phosphonate aufgeführt, handelt es sich um ein DTPMP-freies Produkt. Im Zweifel hilft die Nachfrage beim Hersteller.
Sind Ihre Erkenntnisse auch auf Funde anderer Pflanzenschutzmittelwirkstoffe und deren Abbauprodukte übertragbar?
Dass es bei anderen Wirkstoffen noch gemeinsame Abbauprodukte mit Stoffen aus anderen Quellen gibt, ist leicht vorstellbar. Die Abbauprodukte werden ja immer kleiner, sodass sie aus immer mehr Quellen entstanden sein können. Im Vergleich zu Glyphosat sind die meisten Pflanzenschutz-Wirkstoffe aber so komplex aufgebaut, dass ich einen zweiten Fall wie diesen für nahezu ausgeschlossen halte.