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Gülle belüften und Mulch einarbeiten

Der Schweizer Inforama-Berater Simon Jöhr erläutert, wie Regenerative Landwirtschaft funktioniert und warum auch viele Biobauern umdenken müssen.

Lesezeit: 6 Minuten

Den Boden zu regenerieren ist das Ziel der Regenerativen Landwirtschaft. Mit der Wiederbelebung des Bodens steigen Humusgehalt und Bodenfruchtbarkeit. Zwischenbegrünungen und Untersaaten stabilisieren den Humusgehalt und ernähren die Bodenlebewesen. Fermente, welche vorwiegend Milchsäure- und Cyanobakterien enthalten, fördern dabei den Rotteprozess. Der Mulch sollte daher möglichst flach eingearbeitet werden. Dazu eignen sich ein Geohobel oder eine Fräse. Über diese Details sprach Kirsten Müller von der Schweizer Fachzeitschrift LANDfreund mit Simon Jöhr von der Agrar-Beratungsfirma Iforama in Zollikofen.

Ich möchte in die Regenerative Landwirtschaft einsteigen. Was muss ich als Erstes tun?

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Simon Jöhr: Ihnen als Tierhalter empfehle ich, Hofdünger aufzubereiten. Die günstigste Methode ist, Gülle korrekt zu belüften.

Warum belüften?

Jöhr: Weil es unnatürlich ist, wenn Kot und Harn zusammengemischt und unter Luftausschluss gelagert und dann ausgebracht werden. Boden und Pflanze sind mit den entstehenden Abbauprodukten überfordert und verunkrauten oder werden krank.

Muss ich zur Gülleaufbereitung Zusätze kaufen?

Jöhr: Nicht unbedingt. Ich empfehle Güllebelüftung mit mehreren kurzen Belüftungsintervallen pro Tag. Sie soll feine Luftbläschen in die Gülle bringen. So können aerobe Bakterien den Stickstoff in körpereigenes Eiweiss einbauen. Ihre Gülle enthält dann weniger Fäulnisbakterien, was von Vorteil für das Bodenleben ist. Auf der Gülle soll sich ein Espressoschäumchen bilden, dann funktioniert die Belüftung richtig. Mit Pflanzenkohle und Fermenten erreichen Sie ähnliche Effekte. Pflanzenkohle wird aber zu einem bedeutenden Kostenfaktor, wenn sie für die Gülleverbesserung in wirksamen Mengen zugekauft werden muss.

Was wäre der zweite Schritt?

Jöhr: Ihr Boden sollte immer begrünt sein. So verwandelt er Sonnenenergie in Zucker und baut organisches Material und damit Humus auf. Das verhilft zu gesunden Pflanzen und stabilen Erträgen. Verwenden Sie Zwischenbegrünung in Form von hoch geschnittenem Zwischenfutter oder einer Gründüngung. Auch wenn die Zwischenfrucht in einem sehr jungen Stadium eingearbeitet wird, hat das einen positiven Effekt auf den Boden.

Warum empfehlen Sie Untersaaten?

Jöhr: Sie garantieren, dass auf Feldern mit ausreifenden, nicht mehr produktiven Kulturen weiter Sonnenenergie in organische Substanz umgewandelt wird. Bei der Gründüngung auf keinen Fall sparen. Auch intensive Gemüsebaubetriebe können so den Humusgehalt stabilisieren oder sogar steigern.

Welche Mischungen für die Zwischenbegrünung empfehlen Sie?

Jöhr: Eine gute Mischung enthält acht bis zwölf Arten. Damit deckt sie jedes Bedürfnis im Boden ab: Sie enthält Pflanzen, die Lipide ausscheiden, was für die Mykorrhiza gut ist, und Pflanzen, die Zucker oder Eiweiss ausscheiden, was für die Bodenbakterien gut ist. Sie enthält auch Pflanzen, die Nährstoffe aufschliessen und Nährstoffe sammeln; Phacelia etwa mobilisiert Phosphor oder Kreuzblütler Kali und Stickstoff. Und schliesslich – und das ist für mich der faszinierendste Punkt: Je mehr Mischungspartner wir haben, desto eher werden wir Problemunkräuter los. Eine gute Mischung kann im besten Fall sogar die «Aufgaben» von Quecken oder Winden übernehmen und sie verdrängen.

Wann ernte ich die Gründüngung, und was mache ich damit?

Jöhr: Sie mulchen die Gründüngung im gleichen Stadium wie Sie sie eingrasen oder silieren würden. Dann stimmt das Energie-Eiweiss-Verhältnis für die anschliessende Flächenrotte. Denken Sie an die Feldhygiene, es sollten keine unerwünschten Pflanzen verblühen. Sofort nach dem Mulchen wird die Gründüngung mit Fermenten behandelt und oberflächlich eingearbeitet.

Was bewirken Fermente?

Jöhr: Fermente sind Milchsäure- und Cyanobakterien. Cyanobakterien haben den Vorteil, aerob und anaerob zu wirken. Die Bakterien verhindern, dass sich Fäulnispilze ausbreiten, und fördern die ideale Verrottung. Man kann Fermente ebenso selbst herstellen wie Komposttee, den Sie als Pflanzenstärkungsmittel einsetzen können.

Wie arbeite ich den Mulch ein?

Jöhr: Mit einer Fräse oder einem Geohobel auf 3 bis 4 cm oder bei leichten Böden auch mit einer Scheiben- oder Spatenrollegge. Wenn Sie viel Material einarbeiten, müssen Sie sicher auch bei warmen Temperaturen zehn Tage warten. Testen Sie die Rotte. Wenn sie gut riecht und die Erde krümmlig geworden ist, dann ist der Boden bereit zum Ansäen oder Bepflanzen.

Gründüngungen sollen zum Teil Herbizide ersetzen. Ist Regenerativer Landbau gleichzusetzen mit Bio?

Jöhr: Nein. Auch viele Biobauern müssen zuerst im Kopf umstellen, wenn sie auf Regenerative Landwirtschaft umsteigen. Ein wichtiger Unterschied ist: Organische Dünger werden immer in wachsende Kulturen ausgebracht. Wer im Herbst auf abgeerntete Felder oder nach der Weidesaison Gülle und den Mist noch ausbringt, muss das ändern. Unter Umständen muss er seine Fruchtfolge anpassen oder den Stallmist kompostieren, um ihn auch in Hackfrüchte streuen zu können. Idealerweise düngen Sie nicht mehr direkt, sondern düngen nur noch die Gründüngung. Die Nährstoffe sind dann gut im Boden verbaut und verursachen weniger Probleme hinsichtlich Verunkrautung und Pflanzenkrankheiten. Dazu braucht es aber eine etablierte Bodenfruchtbarkeit und eine ausge-klügelte Fruchtfolge.

Was mache ich mit degradierten Ackerböden?

Jöhr: Bringen Sie zuerst die Bodenchemie in Ordnung. Als Grundlage dient eine Bodenanalyse nach Kinsey/Albrecht. Gegenüber den ÖLN-Analysen sind weit mehr Aussagen über und grössere Fortschritte bei der Bodenfruchtbarkeit möglich. Die Probleme sind dort am grössten, wo die Nährstoffüberschüsse am grössten sind und der Humusanteil tief ist.

Welche wichtigen Punkte entnehmen Sie einer Kinsey-Albrecht-Analyse?

Jöhr: Sie zeigt die Kationenaustauschkapazität Ihres Bodens auf, also die Möglichkeit, wie viele Nährstoffe an Ihre Ton-Humus-Komplexe angedockt werden können. Und sie zeigt Ihnen mit der Basensättigung auf, wie viele und welche Nährstoffe effektiv an Ihren Ton-Humus-Komplexen angedockt sind. Weiter analysiert sie den Gehalt der wichtigsten Spurenelemente.

Können Sie ein Anwendungsbeispiel aufzeigen?

Jöhr: In der Schweiz haben wir oft zu viel Kalzium im Boden, weil wir fleissig unsere Böden aufkalken. Kalzium aber blockiert andere Elemente. Optisch zeigen die Pflanzen einen Magnesiummangel. Eine detaillierte Analyse kann aufzeigen, dass nicht das fehlende Magnesium, sondern der Kalziumüberschuss die Symptome verursacht. Dann können wir mit einer Schwefeldüngung das Kalzium auswaschen. Oder wir sehen, dass der Eisenwert durch die Decke geht. Dann ist vermutlich das Bodenleben im Eimer, weil sonst das Eisen eingebaut würde.

Sie haben mir ein Güllerührwerk und eine Bodenfräse empfohlen, andere schwärmen vom Tiefenlockerer als Superinvestition. Wie viel muss ich investieren?

Jöhr: Nicht ein Tiefenlockerer, sondern der Spaten ist die wichtigste Investition. Gehen Sie regelmässig aufs Feld und beurteilen Sie den Gesundheitszustand ihres Bodens mit der Spatenprobe. Ein Tiefenlockerer kann unter Umständen eine Superinvestition sein, vor allem wenn es darum geht, Verdichtungshorizonte aufzubrechen.

Aber man kann auch Regenerative Landwirtschaft mit dem Pflug machen: flacher pflügen und Fermente einspritzen. Ein Fässchen im Frontanbau, zu jeder Schar ein Schlauch mit einer Düse und eine kleine Tauchpumpe – das kostet 350 CHF (323 €), und schon sind Sie dabei. 

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