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Hängt die Grünlandzukunft am seidenen Faden?

Immer mehr politische und gesellschaftliche Anforderungen betreffen die Grünlandwirte. Zukunft hat das Grünland - nur die Umsetzung ist fraglich.

Lesezeit: 7 Minuten

„Aktuell fehlt uns Grünlandwirten die Planungssicherheit“, begrüßt Simone Hartmann, die Vorsitzende des Deutschen Grünlandverbandes (DGV), kürzlich zum Deutschen Grünlandtag. Der Einladung des Verbands nach Selbitz in Oberfranken waren gut 80 Praktiker, Berater und Politiker aus ganz Deutschland und den Niederlanden gefolgt.

Vor allem der Widerspruch zwischen gesellschaftlichen sowie politischen Forderungen und einem angemessenem Betriebseinkommen vergrößere sich weiter, begründet die Vorsitzende. Und gerade jetzt mache die Dürre den Betrieben teilweise stark zu schaffen. Erste Landwirte müssten schon zu füttern.

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Momentan ist die Zukunft also ungewiss – das wird auf dem Grünlandtag durch die Vorträge und Diskussionen deutlich.

So viel Grünland steckt in der GAP 2023

Unklar ist bislang auch, wie letztlich die neue Förderperiode ausgestaltet wird. Den derzeitigen Stand erläutert Caroline Hendrischke vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). „Deutschland hat den GAP-Strategieplan im Februar diesen Jahres bei der EU-Kommission eingereicht“, erklärt Hendrischke.

Der Plan kam mit Anmerkungen der EU-Kommission in einem sogenannten Observation letter zurück. Bund und Länder bewerten gerade die Anregungen der Kommission. Ziel sei, so Caroline Hendrischke, den Strategieplan entsprechend abzuändern, im September wieder einzureichen und bestenfalls im Herbst die Genehmigung der Kommission zu haben.

Welche Punkte des GAP-Strategieplans das Grünland betreffen, stellte die Referentin übersichtlich vor. So ist innerhalb der 1. Säule ein Teil der allgemeinen Anforderungen (Konditionalität) u.a. der Erhalt der Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ).

GLÖZ und Eco-Schemes fürs Grünland

Fünf von neun GLÖZ-Standards haben einen Grünlandbezug, z.B. das neue GLÖZ 2: Mindestschutz von Feuchtgebieten und Mooren. Dazu müssten die Länder eine Gebietskulisse ausweisen, in der dann ein Umwandlungs- und Pflugverbot von Dauergrünland gilt.

Paludikulturen auf Dauergrünland wären demnach nur außerhalb von FFH- und Vogelschutzgebieten sowie gesetzlich geschützten Biotopen möglich. Sieht das Landesrecht Genehmigungen vor, wären diese für Neuansaat, Erneuerung oder Vertiefung von Drainage bei den Kontrollen vorzulegen.

Von den künfitgen Ökoregelungen (Eco-Schemes) beziehen sich fünf Punkte aufs Grünland. So ist z.B. in der Öko-Regelung 5 vorgesehen, das extensives Grünland ergebnisorientiert mit dem Nachweis von vier Kennarten bewirtschaftet werden soll. Dazu erstellen die Länder Listen mit mindestens 20 regionaltypischen Kennarten oder Kennartengruppen und bestimmen auch die Nachweismethode. Die Förderung von Flächen mit vier Kennarten soll dann 240 €/ha im Jahr 2023 betragen und sinkt bis 2028 auf 210 €/ha.

Innerhalb der 2. Säule sind dann weitere Fördermöglichkeiten vorgesehen. So z.B. in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK).

Bürokratiemonster GAP?

Vor allem die Förderung der Extensivierung des Grünlandes kritisert PD Dr. habil Hans Hochberg, Vorstandsmitglied des DGV. „Besonders die Extensivierung birgt die Gefahr, dass sich unerwünschte Pflanzen ausbreiten“, bewertet Hochberg.

Nicht alles an dem Strategieplan sei schlecht, aber auch nicht alles gut durchdacht. So enthalte GLÖZ 2 Anforderungen, die die Bewirtschafter nicht alleine lösen könnten. In den Öko-Regelungen sieht Hochberg das Grünland unterrepräsentiert. „Und es gibt hier kaum Möglichkeiten für Milchviehhalter, teilzunehmen“, sagt Hochberg.

Ein Zuhörer bringt die Diskussion auf den Punkt: „Es war noch nie so kompliziert, Förderung zu beantragen. Wir können nicht mal dem Steuerzahler erzählen, warum und wie wir Förderungen bekommen.“

Grünland muss genutzt werden

Dass Grünland ein wichtiger Faktor für die Umwelt ist, ist für Prof. Nicole Wrage-Mönnig von der Universität Rostock unbestreitbar. So kommen zwischen 33 und 90% der Arten verschiedener Tiergruppen und 40% der in der Studie betrachteten Gefäßpflanzenarten in Deutschland im Grünland vor.

Nur genutztes Grünland hat Zukunft und trägt zu Biodiversität, Klimaschutz und Tierwohl bei.“ - Prof. Nicole Wrage-Mönnig

In punkto Biodiversität sei aus wissenschaftlicher Sicht wichtig, ob sich zwei oder vier Arten auf einer Flächen befinden. Ob es nachher 20 oder 60 sind, spiele für Leistung des Ökosystem nur eine geringere Rolle.

„Wir müssen aber auch thematisieren, dass es nicht das eine Grünland gibt“, erklärt die Professorin. Je nach Standort und Bewirtschaftung haben sich stark unterschiedliche und somit vielseitige Bestände entwickelt.

Zwar gibt es laut Wrage-Mönnig keine Übersicht, inwiefern Intensivierung und Extensivierung im Grünland die Biodiversität verändern haben. Erwiesen sei, das die Biodiversität ohne Nutzung verloren geht, zu intensives Wirtschaften bringe jedoch auch keinen Vorteil. „Nur genutztes Grünland hat Zukunft und trägt zu Biodiversität, Klimaschutz und Tierwohl bei“, schließt Nicole Wrage-Mönnig.

Wolf: Artenschutz mit Augenmaß

Der Grünlandnutzung durch Weidetiere steht allerdings der Wolf entgegen. Immer mehr Weidetierhalter bekommen Problem mit dem Raubtier. „Die Herdenschutzmaßnahmen bieten keine 100%ige Sicherheit für Weidetiere“, bringt es Dr. Martin Görner von der Arbeitsgemeinschaft Artenschutz aus Thüringen auf den Punkt.

Dass die Probleme zunehmen, liege auch an der Population. Diese wachse um rund 30% pro Jahr, so Görner. Er fordert: „Wir brauchen einen gezielten Abschuss, damit der Wolf lernt, nicht die Nutztiere zu reißen.“ Dass man sich dabei um den Wolfsbestand keine Sorgen machen muss, bewiesen die Populationen in z.B. Frankreich oder dem Baltikum. Aus Görners Sicht ist die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht fachlich notwendig.

Weidedrehbücher als nützliches Tool

Weide ist die Begegnung von Gras und Tier. „Gut weiden“, sagt Dr. Gerhard Riehl vom sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, „bedeutet, die Anforderungen von Gras, Tier und Naturschutz gut abzustimmen.“ Dafür, und damit dem Betrieb Spielraum bleibt, eigenen sich aus seiner Sicht Weidedrehbücher hervorragend. Für ein optimales Weidemanagement sei diese Planung auf Basis von u.a. den Standortgegebenheiten und Tiere notwendig.

Schafhaltung ist wichtig, rechnet sich aber selten

Um Grünland im Allgemeinen, und Extensivgrünland im Besonderen, zu pflegen und zu nutzen, eignen sich Schafe. „Die Hüteschafhaltung garantieren eine sehr gut Landschaftspflegeleistung, vor allem in wertvollen Biotopen“, erklärt Arno Rudolph, langjähriger Tierzuchtleiter bei dem Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR). So ließ sich z.B. Wachholderflächen, auf denen das seltene Dreizähnige Knabenkraut beheimatet ist, nur durch Schafbeweidung wiederherstellen.

Allerdings ist die Haltung in Deutschland immer auf dem Rückzug: Die Schafbestände sind von 2003 bis 2021 um 44% gesunken. Ursächlich seien laut Rudolph neben dem Wolf auch die prekäre Einkommenssituation sowie fehlender Nachwuchs.

Lösungen fürs Grünland: Mutterkühe oder Heu?

Mutterkühe seien als Haltungsform zwar etablierter in Deutschland, meint Experte Dr. Manfred Golze aus Sachsen, und können auch Aufgaben der Schafe wie im Biotopgrünland übernehmen. „Aber Wirtschaftlichkeit und Wertschöpfung sind kompliziert!“, sagt Golze. Denn auch die eher extensive Mutterkuhhaltung verlange ein exaktes und intensives Management. Wichtig für erfolgreiche Mutterkuhhaltung sei, dass die Rasse oder der Genotyp der Tiere mit der Wüchsigkeit und dem Futterangebot der Weide übereinstimmten.

Wer nicht einfach weiden lassen kann oder will, findet vielleicht einen Teil der Lösung in der Heumilch. Die Kühe erhalten im Sommer Gräser und Kräuter, im Winter Heu – Silage ist verboten. „Wir wollen diese ursprünglichste Form der Milcherzeugung erhalten“, sagt Markus Fischer von dem Verein ARGE Heumilch Deutschland. Durch strategisch gesetzte Marketingmaßnahmen sei es gelungen, die Heumilch bereits gut am Markt zu positionieren. So bekämen die Landwirte einen fairen Erzeugerpreis.

Und wie stehts nun um das deutsche Grünland?

Die beschriebenen Herausforderungen sind groß. Allerdings bekommt das Grünland vor allem im Zuge des Klimaschutzes eine größere Bedeutung. Wichtig ist in jedem Fall, es zu nutzen, denn „Ohne regelmäßige Mahd und ohne ausreichend Weidevieh gäbe es das Grünland nie", bringt es eine Aussage des DGV auf den Punkt.

„Die Grünlandwirtschaft in Deutschland braucht eine tragfähige wirtschaftliche Perspektive. Dafür wird sich der Deutsche Grünlandverband auch weiterhin vehement einsetzen“, verspricht die Vorsitzende des DGV, Simone Hartmann.

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