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„Innovationen brauchen die richtigen Leitplanken“

Hohe und stabile Erträge, Trockenstresstoleranz, Nährstoffeffizienz und eine breite Resistenzausstattung – in die Weizenzüchtung setzen Landwirte und Politik große Erwartungen.

Lesezeit: 5 Minuten

Stephanie Franck, BDP-Vorsitzende, berichtet im Interview mit Katrin Rutt (DLG-Mitteilungen), dass für den Fortschritt auch passende Werkzeuge gebaucht werden.

Frau Franck, der Weizen ist und bleibt unsere wichtigste Kultur. Zuletzt hörte man allerdings recht häufig von stagnierenden Erträgen. Ist das Ertragspotential züchterisch bereits ausgereizt?

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Stephanie Franck: Die jährliche Ertragssteigerung beim Weizen liegt in der Praxis bei etwa 1%. Studien zeigen, dass die Genetik diesbezüglich einen höheren Einfluss hat als Managementmaßnahmen des Landwirts. Und das wird sich angesichts der geforderten Einsparung von Dünger und Pflanzenschutzmitteln eher noch verstärken. Ich halte es aber für falsch, den Zuchtfortschritt ausschließlich auf den Ertrag zu reduzieren. Künftig wird es vor allem um eine weitere Verbesserung der Stabilität gehen. Das bedeutet insbesondere eine bessere Resistenz gegen Pilze, Viren und Insekten sowie eine höhere Toleranz gegenüber Umweltstress. Gleichzeitig ist weiterhin eine hohe Qualität bei den Inhaltsstoffen gefragt. So muss es z.B. Backweizen geben, der auch mit weniger Stickstoff gute Brötchen backt. Die Behauptung, moderne Sorten könnten nur unter „optimierten“ intensiven Anbaubedingungen ihre volle Leistung abrufen und seien sonst sehr anfällig, ist inzwischen überholt. Studien belegen, dass die Weizenzüchtung ertragsfördernd ungünstige Gene eliminiert oder verringert hat. Darüber hinaus sind neue Sorten gesünder und auch unter extensiveren Bedingungen widerstandsfähiger.

Egal, ob „Farm to Fork“ oder die deutsche Ackerbaustrategie – die Politik setzt fast schon euphorische Erwartungen in die Züchtung. Sie soll Lösungen liefern für die vielfältigen Herausforderungen im Ackerbau. Wie nehmen Sie diese neue Rolle der Züchtung wahr?

Franck:Es ist keine neue Erkenntnis, dass innovative Sorten ein wichtiger Schlüssel sind, um den Transformationsprozess in der Landwirtschaft zügig und sinnvoll zu gestalten. So groß das Potential ist, so riesig sind in der Tat auch die an uns gestellten Erwartungen. Daher fordern wir ein ‚Innovationssystem Pflanze’ mit aufeinander abgestimmten Rahmenbedingungen. Dazu zähle ich eine langfristige öffentliche Forschungsförderung im vorwettbewerblichen Bereich, den adäquaten Schutz unseres geistigen Eigentums und die Möglichkeit, ein breites Methodenspektrum nutzen zu können.

Geraten wir in Europa ins Hintertreffen, weil der Gentechnik hier ein Riegel vorgeschoben wurde?

Franck: De facto haben alle in Deutschland aktiven Züchtungsunternehmen ihre Entwicklungsaktivitäten für GVO-Sorten für den europäischen Markt eingestellt, forschen aber im Bereich der neuen Züchtungsmethoden. Weltweit gibt es tatsächlich etliche Entwicklungsansätze zu beidem bei Weizen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf einer verbesserten Pilztoleranz und der Ertragssicherung, aber auch auf der Entwicklung von Weizen mit veränderten Inhaltsstoffen.

Wie steht es um die neuen Züchtungstechnologien rund um CRISPR/Cas? Ist diese Tür mit dem EuGH-Urteil aus 2018 für uns auch schon geschlossen?

Franck: Der EuGH hat geurteilt, dass derzeit jede Anwendung neuer Züchtungsmethoden wie CRISPR/ Cas zu einem zu regulierenden GVO führt. Mit den Methoden lassen sich aber sehr unterschiedliche Veränderungen realisieren. Unter anderem solche, die auch durch natürliche Prozesse oder herkömmliche Züchtungsmethoden entstehen können und von diesen nicht unterscheidbar sind. Wir setzen uns deshalb für eine differenzierte Bewertung der Methoden ein und wollen über Aufklärung zu einer offenen Diskussion beitragen. Die EU-Kommission kommt in ihrer 2021 veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass die über 20 Jahre alte Gentechnikgesetzgebung und aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen in Einklang gebracht werden sollten. Sie erkennt das Potential der Züchtungsmethoden an, zu den Zielen der Farm to Fork Strategie und des EU Green Deal beizutragen.

Wo hört denn die klassische Züchtung auf und wo fängt Gentechnik an?

Franck: Es sind auf jeden Fall konsistente und an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierte Kriterien notwendig. Wir meinen, dass Pflanzen mit genetischen Veränderungen, die auch durch herkömmliche Züchtungsmethoden oder auf natürlichem Weg in freier Natur entstehen könnten, nicht den Regulierungsanforderungen für gentechnisch veränderte Organismen unterliegen sollten. Es ist nicht schlüssig, unterschiedliche Regulierungsanforderungen für identische Pflanzen ausschließlich auf Grundlage der Verwendung bestimmter Verfahren zu begründen.

Im Forschungsprojekt PILTON wollen Sie einen pilztoleranten Weizen mit CRISPR/Cas entwickeln. Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich konkret?

Franck: In dem von 55 Unternehmen getragenen Projekt soll Weizen mit verbesserter, multipler und dauerhafter Pilztoleranz mittels CRISPR/ Cas entwickelt werden. Weizen hat einen breit wirksamen Pathogen-Abwehrweg, der aber nach einem Pilzbefall durch negative Regulatoren relativ schnell wieder abgeschaltet wird. Mithilfe von Cas-Endonukleasen wird ein solches Repressorgen in Weizen gezielt inaktiviert und soll zu einer stärkeren und längeren Ausprägung der natürlichen, induzierten Pathogenabwehr führen. Wenn die Pflanzen erfolgreich editiert sind, werden mit den Nachfolgegenerationen Resistenztests mit verschiedenen pilzlichen Pathogenen durchgeführt. Daraus gewinnen wir Erkenntnisse zur Güte der Eigenschaft und zum Einsparungspotential von Pflanzenschutzmitteln. Trotz aller Effizienz ist dieser Prozess zeitlich und finanziell aufwendig. Zusätzlich befassen wir uns mit der Frage, wie die CRISPR/CasTechnologie vor schutzrechtlichem Hintergrund genutzt werden kann. Lizenzstrukturen der Anbieter und deren Anforderungen an potentielle Lizenznehmer werden mit den Möglichkeiten der in Deutschland tätigen Pflanzenzüchtungsunternehmen abgeglichen.

Eine weitere große Herausforderung ist der Klimawandel. Wie steht es denn um die Robustheit unserer Sorten? Und was dürfen wir bezüglich der (Trocken-)Stresstoleranz vonseiten der Züchtung noch erwarten?

Franck: Gesunde Sorten, die in unterschiedlichen Umwelten eine hohe Anbauwürdigkeit besitzen, werden künftig noch stärker nachgefragt werden. Hier spielt die Trockenheitstoleranz eine große Rolle, die durch Faktoren wie Wurzelwachstum oder Entwicklungsgeschwindigkeiten und physiologische Merkmale beeinflusst werden kann. Zu diesen Fragestellungen forschen wir seit Jahren intensiv. International hat sich die ‚Wheat Initiative’ zu diesem Themenbereich mit dem Projekt ‚AHEAD’ (Alliance for Wheat Adaptation to Heat and Drought) angenommen. Die derzeitigen Klimaextreme führen zudem dazu, dass die Sorten auf mehr Standorten geprüft werden müssen, um eine hohe Umweltstabilität sicherzustellen.

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