Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus BASF, Bosch, Sumi Agro, Bayer

Intelligente Systeme zur Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatz

Nur dort behandeln, wo es notwendig ist - Die digitalen und technischen Anforderungen im Hintergrund sind allerdings komplex. Wir stellen Ihnen einige intelligente Systeme vor.

Lesezeit: 11 Minuten

Über Ansätze wie Farm to Fork oder Ackerbaustrategien will die Politik den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln um bis zu 50% reduzieren. Daher nehmen innovative Technologien, die es ermöglichen die Intensität zu senken, eine immer wichtigere Rolle ein.

In diesem Beitrag stellen wir Ihnen ein „On the go-Verfahren“ und ein „absetziges Verfahren“ genauer vor. Beide haben in Reihenkulturen schon jetzt den Status „praxistauglich“ erreicht.

Das Wichtigste zum Thema Ackerbau dienstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

---

BASF und Bosch

Scannen, analysieren, entscheiden in Echtzeit

Das Smart-Spraying-System der Bosch BASF Smart Farming GmbH fokussiert sich auf den Herbizideinsatz. „Das Ziel ist, das richtige Mittel zur richtigen Zeit und perfekt dosiert zu applizieren – und zwar nur dort, wo Unkräuter wachsen“, erklärt Janis Faltmann, Produktmanager bei der Smart Farming GmbH.

Ein ganzheitliches System

Das System kann man in drei Bereiche untergliedern:

  • Die Kamera- und Bilderkennungstechnologie (Bosch).
  • Eine digitale, agronomische Intelligenz, die Smart-Spraying-Empfehlungen liefert (xarvio Field Manager von BASF).
  • Moderne Pflanzenschutzspritzen mit Einzeldüsensteuerung (verschiedene Hersteller).

Und so funktioniert es: Bevor es ins Feld geht, muss man die Maßnahme zunächst im Smart-Spraying-Modul planen. Dieser Exklusivbereich ist im xarvio Field Manager angesiedelt. Feldspezifische Angaben zur Kultur, dem Boden, dem Unkrautdruck und gegebenenfalls zur Resistenzsituation sind die Basis für eine Empfehlung. Diese liefert das System zum Applikationstermin, dem Mittel, der Aufwandmenge und auch der Schadschwelle – und zwar unter Berücksichtigung der aktuellen Wetterbedingungen. „Der so entstandene Arbeitsauftrag wird mit dem Handy auf die Spritze übertragen“, erklärt Faltmann.

Die eingepflegten Daten liefern der Rechnereinheit auf der Maschine einen Rahmen, in dem das System Entscheidungen trifft. Die Grundlage hierfür sind von Kameras erstellte Bilder. Zum Einsatz kommen speziell entwickelte Hochleistungskameras, die am Gestänge der Pflanzenschutzspritze in einem Abstand von 1 m befestigt sind. Sie erfassen während der Überfahrt die gesamte Bodenoberfläche. In einem Abstand von 50 cm sind LED-Lichtquellen zwischen den Kameras montiert, die auch bei schlechten Lichtverhältnissen und bei Nacht ausreichend Licht schaffen, damit die Kameras arbeiten können.

Eine intelligente Software wertet das Bildmaterial aus und entscheidet, ob es sich um eine Nutzpflanze handelt oder nicht. Die Mindestgröße, die ein Unkraut oder Ungras dafür haben muss, beträgt 6 x 6 mm grüne Fläche. Anhand dieser Entscheidung und den zuvor gegebenen Rahmenbedingungen steuert ein Rechner die einzelnen Düsen an. So wird das Herbizid nur dort ausgebracht, wo Unkräuter bekämpft werden müssen. Saubere Teilflächen bleiben unbehandelt.

Das System funktioniert sowohl vor als auch nach dem Auflaufen der Saat. Laut Janis Faltmann ist es in der jetzigen Version allerdings nur für Reihenkulturen (Mais und Rüben) geeignet. Künftig soll es aber auch in weiteren Kulturen einsetzbar sein.

Da der gesamte Prozess – scannen, entscheiden, applizieren – maximal 300 Millisekunden dauert, sind Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 12 km/h möglich. Wenn gewünscht, kann der xarvio Field Manager die Unkrauterkennung und die Ausbringung automatisch dokumentieren. „Die aufgezeichneten Daten ermöglichen es den Anwendern, in der nächsten Saison besser zu planen und Entscheidungen sicherer auf einer größeren Datenbasis treffen zu können“, so Janis Faltmann. Damit Anwender die Daten jederzeit nutzen können, werden Sie in eine Cloud übermittelt und sind somit für die weitere Verwendung mit verschiedenen Geräten (z.B. über das Smartphone oder den Büro-PC) abrufbar.

Reif für die Praxis?

Von Anfang an ist der Landtechnikhersteller Amazone am Projekt beteiligt, der erste Geräte mit dem Smart-Spraying-System ausgestattet hat. Interessierte Landwirte können sich aber auch darauf einstellen, dass sie künftig bei Fendt fündig werden. In der aktuellen Saison werden mehr als zehn Spritzen im Praxiseinsatz sein. Zum Anschaffungspreis gibt es aktuell noch keine konkreten Angaben. Potenzielle Käufer können jedoch damit rechnen, dass sich der Preis einer gut ausgestatteten Anhängespritze mit zwei Tanks durch das Smart-Spraying-System in etwa verdoppelt. Hinzu kommt eine Nutzungsgebühr für das Smart-Spraying-Modul im xarvio Field Manager. Diese ist pro Hektar fällig und wird sich je nach Kultur unterscheiden.

Wie schnell sich solch ein System rechnet, hängt natürlich auch vom Einsparpotenzial ab. Dieses wiederum ist von vielen Faktoren abhängig: dem Unkrautdruck, der Kultur, der Schadschwelle oder dem Applikationstermin. Bei der Schadschwelle kann der Nutzer im Smart-Spraying-Modul zwischen drei verschiedenen Levels wählen. Die Spanne der Einsparpotenziale bei den Betriebskosten ist entsprechend weit. Klar ist, dass die Mengen an Pflanzenschutzmitteln gesenkt und Betriebskosten eingespart werden können.

---

Sumi Agro

Unkräuter, Krankheiten und Schädlinge im Blick

Das Vertriebsunternehmen Sumi Agro hat im Jahr 2020 das Projekt anyA (analytics of nutrition, yield and agronomy) gestartet. Ziel ist, mit Hilfe von Drohnen und Satellitenbildern den Ernährungszustand, den Ertrag und agronomische Einflussgrößen (Unkräuter, Krankheiten, Schädlinge) von Kulturen zu erfassen. Der Fokus liegt zunächst auf Reihenkulturen.

Und so funktioniert das Konzept: Hinter bzw. über dem Projekt stehen Drohnen- und Satellitenbilder. Die freiverfügbaren Satellitenbilder liefern die Basisdaten, z.B. den Vegetationsindex, und Drohnen liefern dazu passende, präzise Bilder bzw. Detailaufnahmen. Die zum Einsatz kommende künstliche Intelligenz (KI) ist in der Lage, Krankheiten, Schädlinge, Unkräuter oder Mangelsymptome auf den Bildern zu erkennen. „Insgesamt können wir heute schon über 180 Parameter in verschiedenen Kulturen automatisch erkennen“, erklärt Projektmanager Franz Loderer.

Aus der Luft und aus dem All

Aktuell fliegen ausgebildete Piloten die zwei firmeneigenen Drohnen im Auftrag. An den 25000 € teuren Fliegern ist je eine 20 Megapixel-Restlichtkamera mit einem 2-Zoll-Sensor verbaut. Die Kameras funktionieren ähnlich wie eine normale Spiegelreflexkamera. Höher auflösende Kameras testet das Unternehmen gerade.

Sobald die Drohne an ihrem Startpunkt in 20 bis 25 m Höhe über dem Acker ist, fliegt und fotografiert sie automatisch. Dabei stoppt sie kurz für jedes Foto. Bereits auf dem Acker findet die Qualitätsprüfung der Bilder statt: Passen Schärfe, Höhe und Positionsdaten (Metadaten)? Erst dann werden die Fotos als Rohdaten zum Verrechnen und Analysieren versendet. Der Server dazu steht in den USA. „Bislang haben wir in Deutschland keinen Server gefunden, der groß genug ist“, erklärt Loderer. „Wir sind aber weiter auf der Suche danach.“

Das Konzept hat sich schon in Großflächenländern wie Brasilien und Kasachstan bewährt. Allerdings arbeite man dort nur mit sogenannten Scouting-Punkten: Wenige Fotos, die eine Indikation auf dem Acker zulassen, so Reinhard Appel, Geschäftsführer der SumiAgro Niederlassung in Deutschland.

Für den deutschen Markt müssen die Daten genauer sein und die ganze Fläche abbilden. Daher sind auch die zu verrechnenden Datenmengen immens: Für einen 20 ha großen Acker ergeben sich ca. 600 Fotos, in Summe 60 GB. Dafür geeignet sind die Rechnerkapazitäten des Start-ups Taranis mit Sitz in Palo Alto, Kalifornien. Das Technologieunternehmen bringt seine Erfahrung aus der Fernerkundung ein. Es verrechnet die Bilddaten und analysiert die Bilder mittels künstlicher Intelligenz.

„Bislang wird jedes Foto noch manuell durch einen Menschen verifiziert, um den Schaden sicher zu bestätigen. Deshalb dauert die Datenauswertung auch noch etwas länger“, sagt Loderer. Gut 24 Stunden müsse man auf die ausgewerteten Fotos warten. „Wir haben allerdings auch schon Bilder nach zwölf Stunden zurückbekommen.“

Nutzen für den Landwirt

Die analysierten Bilder kann sich der Nutzer auf einem Dashboard per PC, Tablet oder Smartphone ansehen. Insgesamt kann das Programm laut Sumi Agro folgendes in den Kulturen erkennen:

  • die Anzahl der Pflanzen (Bestandesdichte),
  • das Wachstumsstadium und die Homogenität des Wachstums,
  • Anzahl und Ort von unerwünschten Pflanzen (Unkräuter und -gräser, Durchwuchs der Vorkultur, falsche Kartoffeln in Vermehrung),
  • Nährstoffstatus, bzw. -mangelsymptome,
  • Fraßschäden und Schädlinge (größer als 0,5 mm),
  • Pilzkrankheiten und
  • witterungsbedingte Schäden.

Dabei zeigt das Dashboard nicht nur den Schaden an, sondern auch, wo er sich im Feld befindet. „Mit dieser Information kann man teilschlagspezifisch behandeln“, sagt Appel. Auf dem eigenen Betrieb testet er anyA bereits in der Kartoffelvermehrung.

„Letztes Jahr hat anyA eine kleine Phytophtora-Infektion auf drei Blättern entdeckt. Das war 14 Tage vor dem Warndienstaufruf“, erzählt er. Würde man dann diesen Infektionsherd teilschlagspezifisch behandeln, könne man die Infektionsnester vermeiden. Seiner Meinung nach steht so auch das klassische Schadschwellenprinzip auf der Kippe: Durch die Früherkennung mittels Drohne könne der Landwirt prophylaktische Einsätze künftig ausschließen und tatsächlich gezielt dort behandeln, wo Befall mit Bild und Standort nachgewiesen und dokumentiert sei.

Das System inklusive Drohnenflug bietet Sumi Agro als Dienstleistung an. Für die Nutzung des Dashboards inklusive Satellitenbilder werden 5 € je ha und Jahr veranschlagt, ein Drohnenflug mit mindestens 35 Bildern in einer Auflösung von Minimum 20 Megapixel kosten 35 €/ha. Jede Indikation, also z.B. Schädlinge, Ungräser, Pilzkrankheiten etc., kostet 10 €/ha.

„Der Landwirt kann damit z.B. beim Herbizideinsatz in Rüben ca. 160 € sparen – mit 140 € je ha inkl. anyA statt 300 €/ha für den normalen Herbizideinsatz. Und wir reduzieren die Mittel um 60 bis 80%“, rechnet Geschäftsführer Appel vor.

Dieses Frühjahr kann man schon Drohnenflüge zu Kartoffeln und Zuckerrüben buchen. Ab Sommer sollen die Drohnen über Raps fliegen und nächstes Jahr im Mais.

---

Weitere Ansätze

Direkt oder später?

Neben den beiden vorgestellten Ansätzen, die in dieser Saison in einer gewissen Breite bereits im Praxiseinsatz getestet werden, gibt es viele weitere Unternehmen, die sich mit ähnlichen Verfahren beschäftigen. Dazu gehören z.B. Bayer, John Deere, Dammann und Agrifac.

Bayer: Die Leverkusener setzen auf ein absetziges Verfahren, welches sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt:

  • Eine Standarddrohne stellt die Basis des Systems dar. Diese kann je nach Anwendungsfall mit verschiedenen Sensortypen/Kameras (RGB und multispektral) bestückt werden.
  • Danach kommen Algorithmen zum Einsatz, die in der Lage sind, Unkraut von Kulturpflanzen zu unterscheiden. Voraussetzung dafür sind jedoch viele Trainingsdaten, mit denen die Algorithmen „angelernt“ werden.
  • Die Applikationskarte gelangt per USB-Stick oder Mobilfunk auf die RTK-GPS gesteuerte Feldspritze, unabhängig vom Hersteller.

Anwendern soll so eine schnellere, objektivere und dokumentierbare Erfassung des Pflanzen- und Unkrautbestandes mit Drohnen ermöglicht werden. Die nachgelagerte Auswertung der Bilder mittels künstlicher Intelligenz erfolgt auf einer ähnlichen technischen Basis wie bei der Smartphoneapp „MagicScout“.

Als Vorteil des absetzigen Verfahrens sieht Bayer die geringen Investitionskosten. So könne man Drohnentypen nach Betriebsgröße auswählen. Geeignete Modelle gibt es schon im einstelligen Tausenderbereich. Auch könne das System anhand der ausgewerteten Daten vor der Applikation eine konkrete Mittelempfehlung geben und die benötigte Spritzbrühe genau berechnen. Dafür können auch Informationen zur Vorjahreskultur, den verwendeten Herbiziden und – wenn verfügbar – zu historischen Unkrautkarten berücksichtigt werden.

John Deere, Agrifac, Dammann: Alle drei Landtechnikhersteller rüsten Geräte mit selbstlernenden Kameras aus, die Unkräuter im Bestand erkennen.

In den USA stellte John Deere die „See & Spray Ultimate“-Technologie für die selbstfahrenden Spritzen 410R, 412R und 612R vor. Die Kameras sind bei diesem System im Abstand von 1 m am Gestänge befestigt. Diese sollen die Unkräuter in Mais, Baumwolle und Sojabohnen bei Fahrgeschwindigkeiten bis 19 km/h erkennen können, was eine gezielte Ausbringung von Herbiziden ermöglicht. Darüber hinaus gibt es zwei Tanks auf der Spritze, um zwei verschiedene Herbizide spezifisch für unterschiedliche Unkräuter in einem Durchgang zu applizieren.

Das System soll 2023 für Landwirte in den USA verfügbar sein. In Europa wird die „See & Spray Ultimate“-Technologie momentan für die europäischen Bedingungen und Kulturen getestet und verfügbar sein, sobald alle Anforderungen erfüllt sind.

Das Kamersystem AiCPlus von Agrifac besteht aus RGB-Kameras, die in einem Abstand von 3 m an der Selbstfahrspritze Condor montiert sind (künftig soll auch ein 1 m-Abstand erhältlich sein). Das System verfolgt sowohl den „Green on Brown-“ als auch den „Green on Green-Ansatz“, also grüne Unkräuter auf einem nicht bestellten Feld oder in einem wachsenden Bestand.

Der zuletzt genannte kann Ampfer und Löwenzahn in Grünland, breitblättrige Unkräuter in Getreide und grasartige Unkräuter in Raps erkennen. Als Mindestgröße der Unkräuter gibt Agrifac 4 cm im Durchmesser an. Anwender müssen zwischen den Protokollen/Algorithmen wählen und können die Empfindlichkeit und die Sicherheits- bzw. Überlappungszone einstellen. Im Green on Brown-Modus sind bis zu 20 km/h, im Green on Green-Modus bis zu 15 km/h realisierbar. Das AiCPlus soll laut Hersteller ca. 150.000 € für ein 36 m-Gestänge inkl. Beleuchtung für Nachtfahrten kosten. Hinzu kommt ein Preis für die Algorithmen von 2 bis 10 €/ha.

Ebenfalls auf eine Bilderkennung durch RGB-Kameras setzt Dammann bei seinem GreenView. Die Kameras sind im 3 m Abstand auf der Selbstfahrspritze montiert und erlauben Fahrgeschwindigkeiten bis 15 km/h. Der Green on Brown-Ansatz ist laut einer Unternehmenssprecherin im Praxiseinsatz. Algorithmen für Green on Green erprobt das Unternehmen gerade, z.B. Unkräuter in Mais sowie Ampfer und Löwenzahn auf Grünland.

Die Erkennung von Gräsern in Raps sei hingegen schon praxisreif. Um eine Applikationssicherheit von über 90% zu erzielen, müssen die Unkräuter mindestens 3 cm groß sein. In dem Isobus-fähigen System kann der Nutzer vor dem Einsatz die Aktivierungsschwelle selbstständig einstellen. Eine Kartierung der Maßnahme ist ebenfalls möglich.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.