Da Roggen auf sehr langen Halmen steht, ist das Verhältnis von Kornertrag zur restlichen oberirdischen Biomasse bei ihm nicht auf jenem hohen Niveau, wie es beispielsweise bei Weizen schon seit Mitte des letzten Jahrhunderts erreicht wurde. Eine Lösung wäre die Züchtung von Roggensorten, die stabil kurze Halme ausbilden, so genannte Halbzwerge.
Dieses Zuchtziel wurde von Roggenzuchtprogrammen in Deutschland bisher nicht verfolgt. Das Julius Kühn-Institut (JKI) hat im Rahmen des Verbundprojektes OPTIMALL, finanziert durch die Deutsche Innovationspartnerschaft (DIP)-Agrar, erstmals das Potenzial des natürlich vorkommenden Kurzstrohgens Ddw1erforscht. Das dominant vererbte Gen stammt aus einer pflanzengenetischen Ressource des Roggens, kontrolliert das Wachstumshormon Gibberellin und führt so auf natürliche Weise zu kürzeren Halmen.
Gemeinsam mit den Projektpartnern, HYBRO Saatzucht sowie Nordic Seed A/S, entwickelte Dr. Bernd Hackauf mit seiner Arbeitsgruppe am JKI kurzstrohige Roggenhybriden, die das Gen Ddw1enthalten. In den Jahren 2015 und 2016 testeten die Wissenschaftler im Rahmen des Projekts erstmals diese Halbzwerge unter landwirtschaftlichen Praxisbedingungen auf 11 verschiedenen Standorten in Deutschland und Polen. „Die umfassenden Ergebnisse der Leistungsprüfung liegen seit wenigen Tagen vor. Sie übertreffen unsere Erwartungen“, freut sich Bernd Hackauf.
„Die von uns geprüften, genetisch unterschiedlichen Halbzwerge waren im Durchschnitt 36 Zentimeter kürzer als die Vergleichssorten.“ Der Vorteil: Kürzere Halme erhöhen die Standfestigkeit. Brot- und Futterroggen kann auf diese Weise nachhaltiger produziert werden, da beispielsweise auf chemische Wachstumsregler verzichtet werden kann. Das kurze Stroh wirkt sich auch günstig auf die Druscheignung aus.
Positiv bewertet Hackauf außerdem, dass sich die Halbzwerge auf leichten, sandigen Böden besonders gut behaupten konnten. Sie zeigten sich toleranter gegenüber Trockenstressperioden, von denen das Frühjahr in beiden Versuchsjahren gekennzeichnet war und mit denen künftig aufgrund des Klimawandels verstärkt gerechnet werden muss. Insgesamt liegt der Kornertrag bei den Halbzwergen um bis zu 16 % höher als bei den normalstrohigen Varianten.
Damit die wertvolle Genvariante künftig effizient von den Projektpartnern genutzt werden kann, entwickelte das Wissenschaftlerteam am JKI spezifische molekulare Diagnosemethoden fürDdw1. Mit Hilfe eines genetischen Fingerabdruckes können normal- und kurzstrohige Pflanzen bereits kurz nach der Aussaat und mit bislang nicht möglicher Genauigkeit unterschieden werden. Gewünschte Kreuzungspartner können nun schon als junge Keimpflanze systematisch ausgewählt werden, so dass sich die Züchtung neuer Roggensorten enorm beschleunigt.