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Landwirtschaft im Dialog

Koof: Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland besonders schwer

„Pflanzenschutz und Biodiversität – wie verbinden?“ Darüber wird im top agrar-Format "Landwirtschaft im Dialog“ am 11.11 in Berlin diskutiert. Wir haben Podiumsteilnehmer Peter Koof vorab befragt.

Lesezeit: 6 Minuten

Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland blockieren die Behörden sich oft gegenseitig. Ist das auch in anderen EU-Ländern ein Problem?

Koof: Grundsätzlich kann es auch in anderen europäischen Mitgliedstaaten zu Störungen oder Zeitverzug im Ablauf des Zulassungsverfahrens von Pflanzenschutzmitteln kommen. In Deutschland ist dieses Problem aber besonders groß, was verschiedene Gründe hat.

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Zwar ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die für das Zulassungsverfahren alleinig zuständige Genehmigungsbehörde. Allerdings arbeiten ihm die Beteiligungsbehörden zu, wobei das Umweltbundeamt (UBA) dahingehend eine Sonderstellung einnimmt, als es Einvernehmensbehörde ist. Deshalb sieht sich das BVL an der Erteilung der Zulassung gehindert, wenn das UBA selbst in rechtswidriger Weise das Einvernehmen nicht oder nicht fristgerecht erteilt. Damit wird die Erteilung einer Zulassung blockiert und der Antragsteller auf das Beschreiten eines in der Regel mehrjährigen Klageverfahrens verwiesen. Solange wird dieses Produkt dem deutschen Agrarmarkt und der Landwirtschaft vorenthalten.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Zulassungsbehörde BVL und das UBA unterschiedlichen Ministerien angehören, sodass im Streitfall zwischen beiden auch nicht einheitlich von einem federführenden Ministerium eine der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 konforme Dienstanweisung erteilt werden kann.

Diese Blockadesituation führt letztlich zu einem unionsrechtswidrigen Zustand in Deutschland. - Koof

Eine Blockadesituation auf behördlicher und ministerieller Ebene ist mir in dieser Form in anderen europäischen Mitgliedstaaten nicht bekannt.

Obwohl das Gericht in Braunschweig die Forderung des UBA hinsichtlich der Biodiversitätsauflagen gekippt hat, endet für viele Pflanzenschutzmittel die Zulassung noch immer Ende des Jahres. Wie geht es jetzt weiter? Sind damit die Themen „Biodiversitätsausgleich und Pflanzenschutzmittelzulassung“ vom Tisch?

Koof: Die Themen „Biodiversitätsausgleich und Pflanzenschutzmittelzulassung“ sind keineswegs vom Tisch. Zwar hat das Verwaltungsgericht Braunschweig in den Urteilen vom 04.09.2019 nicht nur die Rechtswidrigkeit der Biodiversitätsanwendungsbestimmungen festgestellt, sondern auch erkannt, dass dem UBA aufgrund des Methodenvorbehalts der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) derzeit keine Prüfungskompetenz betreffend der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die Biodiversität zukommt. Es hat das BVL im Musterverfahren entsprechend verurteilt, die streitgegenständlichen Zulassungen ohne die Biodiversitätsanwendungsbestimmungen über den 31.12.2019 hinaus entsprechend zu verlängern. In der Antragstellerkonferenz des BVL vom 02.07.2019 wurde öffentlich verkündet, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) über ihre Staatssekretäre miteinander vereinbart hätten, das im Herbst 2019 zu erwartende Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig zu akzeptieren, gleich wie die Entscheidung ausfalle.

Hierzu korrespondiert die Pressemitteilung des Staatssekretärs Dr. Aeikens des BMEL vom 05.09.2019: „Das Gericht bestätigt in diesem Punkt unsere Rechtsauffassung. Wir akzeptieren das Urteil und begrüßen, dass diesbezüglich nun Klarheit herrscht.“ Trotz dieser eindeutigen Ausgangslage hat der EU-Mitgliedstaat Deutschland es bislang unterlassen, die betroffenen Pflanzenschutzmittelzulassungen ohne Biodiversitätsanwendungsbestimmungen über den 31.12.2019 hinaus zu erteilen. Ich hoffe, dass die Urteile des VG Braunschweig vom 04.09.2019 und der Beschluss des OVG Lüneburg vom 10.10.2019 mit dazu beitragen, den Mitgliedstaat Deutschland zu bewegen, nun endlich und zeitnah die betroffenen Zulassungen ohne die Biodiversitätsanwendungsbestimmungen für die ihnen gesetzlich zustehende Zeit zuzulassen.

Das deutsche Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel führt immer wieder zu Blockaden und Verzögerungen. Wie sollte der Gesetzgeber das Verfahren organisieren, damit die Zulassung von Pflanzenschutzmittel gesundheitlich unbedenklich, zuverlässig, gründlich, verlässlich, schnell und rechtssicher erfolgt?

Koof: So kompliziert die Frage klingt, so einfach ist sie zu beantworten. Der Mitgliedstaat Deutschland sollte sich endlich dazu durchringen, die Pflanzenschutzmittelzulassungsverordnung (EG) Nr. 1107/2009 und die mit ihr erlassenen EU-Begleitregelungen schlichtweg anzuwenden, und zwar innerhalb derjenigen Bearbeitungsfristen, die die Verordnung vorsieht. Insofern gibt es aufgrund der Harmonisierung des Zulassungsverfahrens auf europäischer Ebene seit dem Jahr 2011 kein „deutsches“ Zulassungsverfahren mehr.

Auch der Mitgliedstaat Deutschland ist im zonalen Verfahren als „betreffender Mitgliedstaat“ und im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung als „Anerkennungsmitgliedstaat“ verpflichtet, die Bewertung des „prüfenden Mitgliedstaates“ zu akzeptieren. In dieser Funktion hat der Mitgliedstaat nur die Befugnis, die Zulassung in seinem Gebiet nur ausnahmsweise zu verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen in Deutschland nachweist, dass das betreffende Produkt ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt.

Änderungen nötig

Um dieser unionsrechtlich gebotenen Verpflichtung als Mitgliedstaat nachzukommen, wäre dahingehend eine Änderung des deutschen Pflanzenschutzgesetztes und der deutschen Verwaltungspraxis wie folgt zu fordern:

  1. Das BVL sollte seiner bereits bestehenden gesetzlichen Zweckbestimmung entsprechend „als für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gesamtverantwortliche Zulassungsbehörde“ einheitlich und kompetent über den Zulassungsantrag alleinig entscheiden können. Demgemäß gehört die Sonderrolle des UBA als Einvernehmensbehörde abgeschafft.
  2. Das BVL und alle Beteiligungsbehörden sollten dem dafür zuständigen BMEL unterstellt sein, weil die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nun einmal eine landwirtschaftsspezifische Angelegenheit ist. Dies würde gewährleisten, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen dem BVL und den Beteiligungsbehörden einheitlich durch das übergeordnete Ministerium mittels einer für alle Behörden einheitlichen Dienstanweisung beendet werden können.
  3. Des Weiteren wäre eine forcierte Personalausstattung des BVL und seiner Beteiligungsbehörden zu wünschen, damit die eingehenden Zulassungsanträge fachgerecht innerhalb derjenigen Fristen bearbeitet werden, die die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorsieht.
  4. Schließlich hat der Mitgliedstaat Deutschland nur solche Bewertungsgrundsätze im Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln anzuwenden, die unionsweit harmonisiert sind, und nationale Alleingänge zu unterlassen. Dies zu beherzigen, sollte durch eine ministerielle Dienstanweisung an die zuständigen Behörden noch einmal untermauert werden. Möglicherweise gelingt es dann, wieder zu einem geordneten Verfahren zurückzukehren und Antragsteller zu bewegen, Erstzulassungsanträge (ZV1-Verfahren) auch wieder in Deutschland zu stellen.

„Landwirtschaft im Dialog“: Pflanzenschutz und Biodiversität – unvereinbar oder zwei Seiten derselben Medaille?

Am 11. November dreht sich ab 19 Uhr in der Vertretung des Landes Bremen in Berlin alles um das Thema Pflanzenschutz und Biodiversität. Dabei soll es um Antworten auf die Frage gehen: Wie kann der Pflanzenschutz der Zukunft aussehen, der wirtschaftliche Erfordernisse der Landwirte mit der Sicherung von Boden, Wasser, Luft und Biodiversität in Einklang bringt? Mitdiskutieren werden Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), Agrarstaatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens, DBV-Umweltpräsident Eberhard Hartelt sowie Vertreter der Umweltverbände, der Pflanzenschutzindustrie aber auch Wissenschaftler, Juristen, Berater und Landwirte.

Kostenlos anmelden!

Die Teilnahme an der Veranstaltung, die top agrar im Rahmen des neuen Diskussionsformats „Landwirtschaft im Dialog“ durchführt, ist kostenlos. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.seminare.lv.de

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