Augenmaß bei der Reglementierung des Agrarsektors haben der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT) und der Bundesverband der Agrargewerblichen Wirtschaft (BVA) angemahnt. DVT-Präsident Jan Lahde zeigte sich besorgt über den politischen Druck zur Reduzierung der Stickstoff- und Phosphatausträge in der Landwirtschaft, der durch die neuerlich geplante Novellierung der Düngeverordnung noch einmal zugenommen habe. Von den dadurch ausgelösten Veränderungen bei der Tierernährung oder rückläufigen Nutztierzahlen seien auch die Futtermittelhersteller betroffen, erklärte Lahde.
Er beklagte am Beispiel der Düngeverordnung ein abnehmendes Verständnis in der Politik hinsichtlich der Langfristigkeit von Prozessen in der Landwirtschaft. Nach seiner Einschätzung konnte die 2017 erfolgte Novellierung der Verordnung nach zwei Vegetationsperioden noch gar keine Ergebnisse in der Praxis liefern. Vernünftiger wäre daher gewesen, erst die Effekte dieser Novelle abzuwarten und auf dieser Grundlage gegebenenfalls nachzujustieren, so der DVT-Präsident.
Er vermisst eine politische Würdigung der bisher schon von den Landwirten und der Futtermittelindustrie ergriffenen Maßnahmen zur Senkung der Nährstoffausträge.
Fehlende politische Leitplanken bemängeln Lahde und DVT-Geschäftsführer Dr. Herrmann-Josef Baaken auch bei den neuen Züchtungsmethoden und beim Umgang mit den auf diese Weise erzeugten Importfuttermitteln. Der DVT-Präsident befürchtet bei einer immer stärkeren Reglementierung der Tierproduktion einen beschleunigten Strukturwandel und die Abwanderung der Produktion. Wolle der Gesetzgeber die tierwohlgerechte heimische Erzeugung von Lebensmitteln erhalten, müsse er zwingend eine „gesunde Balance“ zwischen Umwelt- und Wirtschaftspolitik finden, betonte Lahde.
BVA-Präsident Rainer Schuler räumte mit Blick auf die gesellschaftlichen Forderungen Anpassungsbedarf in der Landwirtschaft ein. Er zeigte sich jedoch skeptisch, ob unter der erneut revidierten Düngeverordung noch überall in Deutschland Qualitätsweizenanbau möglich sein werde. Schuler sieht die Züchtung und Beratung gefordert, die Stickstoffeffizienz in der Getreideerzeugung zu verbessern.
Rechtssicherheit für Genome Editing nötig
Lahde bedauerte in Berlin die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), dass durch Genome Editing-Verfahren erzeugte Kulturen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einzustufen sind. Dies bedinge, dass per Genome Editing gezüchtete Agrarrohstoffe rückverfolgbar sein müssten, obwohl dieser Nachweis nicht ohne weiteres zu erbringen sei. Der DVT-Präsident fordert deshalb von der Politik Rechtssicherheit für den Import solcher Rohwaren aus Drittländern, die dort nicht als GVO-Ware eingestuft werden. Um eine sichere Anwendung der zu importierenden Rohstoffe zu ermöglichen, müsse die Gesetzgebung sich an wissenschaftlichen Grundsätzen orientieren und dürfe dem wissenschaftlichen Fortschritt in der Praxis nicht im Wege stehen, mahnte der Verbandspräsident.
Leguminosen kein Ersatz für Soja
Im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Kritik am Import von Eiweißfuttermitteln warnte Baaken davor, pauschal den Verzicht auf den wichtigen Eiweißträger Soja auszurufen, ohne sich Gedanken über die ernährungsphysiologischen Folgen und damit über die Folgen für die Tiergesundheit und den Klimaschutz zu machen.
Der DVT-Geschäftsführer wies darauf hin, dass der Sojaanteil in den vergangenen Jahren nach Möglichkeit bereits gesenkt und durch heimische Rohstoffe wie Rapsschrot oder Leguminosen ersetzt worden sei. Deren Einsatzmengen seien jedoch begrenzt, gab Baaken zu bedenken. Angesichts der bestehenden Probleme hinsichtlich Preiswürdigkeit, Ertragsstabilität und Qualität rechnet er auch nicht damit, dass sich daran in absehbarer Zeit viel ändern wird.