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Interview

Landwirte sollten für Klimaschutz bezahlt werden

Über Nachhaltigkeit, Klimawandel und mögliche Antworten der Industrie darauf haben wir mit Liam Condon diskutiert. Der gebürtige Ire ist Mitglied des Vorstands der Bayer AG.

Lesezeit: 7 Minuten

Herr Condon, wir hatten in Zentraleuropa das dritte Jahr Trockenheit in Folge. Ist das noch ein Zufall? Und falls nein, was sind Ihre Lösungsansätze für die Landwirtschaft?

Condon: Das ist sicher kein Zufall mehr. Ich glaube, der Einfluss des Klimawandels auf die Landwirtschaft wird immer noch massiv unterschätzt. Als Unternehmen müssen wir dafür sorgen, dass unsere Sorten künftig auch unter widrigen Umständen überleben können. Wir müssen klimasmartes Saatgut entwickeln. Das Züchtungsziel ist dabei nicht nur der Ertrag. Es soll auch dürreresistent sein. Und es muss Fluten überstehen können. Denn es gibt immer mehr Gebiete, in denen die Felder tage-, wenn nicht wochenlang unter Wasser stehen.

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Züchtungsprogramme dauern allerdings Jahre, und der Klimawandel schreitet ständig voran. Wir richten daher unsere Programme nicht nach dem Wetter in diesem oder letzten Jahr aus. Wir arbeiten mit Simulationen, die zehn bzw. fünfzehn Jahre in die Zukunft schauen. So können wir Saatgut entwickeln, das dann zur jeweiligen Region passt.

Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf den Pflanzenschutz?

Condon: Wie fürs Saatgut gibt es auch Konsequenzen für den Pflanzenschutz. Vor allem die Schädlingsentwicklung ist dramatisch. Wir entwickeln deshalb permanent neue Insektizide, die so gezielt wie möglich wirken. Idealerweise zielen sie auf die DNA und beeinflussen dann nur diesen einen Schädling. Es ist das Ziel unserer Forschungsprogramme, dass sie nur genau dort wirken, wo sie sollen, also keine Biene, kein Schmetterling oder sonst ein Insekt darunter leidet. Allerdings hat das auch mit gesellschaftlicher Akzeptanz zu tun. Denn wenn wir sehr zielspezifisch arbeiten wollen, müssen wir mit den genetischen Informationen des Schädlings arbeiten. Das löst teils Kritik aus.

Diskutiert man über Klimawandel, kommt man schnell zur konservierenden Bodenbearbeitung: Erosionen mindern, Wasser sparen. Die Verfahren bauen häufig auf Glyphosat. Sehen Sie für den Wirkstoff noch eine Zukunft, oder haben Sie diesen als Bayer bereits abgeschrieben?

Condon: Das Thema Bodengesundheit und auch die CO2-Bindung im Ackerboden werden immer wichtiger. Ich war auf einer internationalen Veranstaltung, auf der u.a. auch Al Gore aufgetreten ist – einer der wichtigsten Umweltvordenker weltweit. Eine wichtige Aussage dort: Wenn man Kohlenstoff im Boden binden will, dann darf man ihn nicht umpflügen. Zur Strategie gehören deshalb angepasste Bearbeitungsverfahren, Zwischenfrüchte und auch Glyphosat.

Wir müssen in der öffentlichen Diskussion klar machen, dass die Landwirtschaft Kohlenstoff binden kann und so dabei hilft, den Klimawandel abzubremsen. Und in dem Zusammenhang müssen wir auch die Rolle von Glyphosat erklären. Dann hätten wir in Europa auch einen Ansatzpunkt, wo ein normaler Verbraucher anfangen könnte zu verstehen, warum Glyphosat auch hilfreich ist.

Bayer Crop Science arbeitet an einem Modell, mit dem sich künftig Leistungen der Landwirtschaft bei der Fixierung von CO2 bewerten und auch vergüten lassen. Sie sind damit bereits in den USA und Brasilien gestartet. Wie funktioniert dieses System?

Condon: Wir arbeiten weltweit mit anerkannten Organisationen und Universitäten zusammen. Wir haben über Jahre untersucht, wie sich Kohlenstoff nachhaltig im Boden binden lässt. Auf dieser Basis ist ein wissenschaftliches Modell entstanden, anhand dessen wir dem Landwirt konkrete Empfehlungen geben können.

In Pilotprojekten mit digitalen Bodensensoren prüfen wir gerade, wie viel Kohlenstoff tatsächlich gebunden wird und gleichen die Ergebnisse mit dem Modell ab. Dieses ganze Prozedere wird von einer unabhängigen Seite zertifiziert. Das Ziel sind CO2-Zertifikate, die der Landwirt dann verkaufen kann. Er hätte so eine zusätzliche Einnahmequelle.

Wie funktioniert das dann in der Praxis?

Condon: Agronomische Berater würden dem Landwirt z.B. den Pflugverzicht, bestimmte Früchte und Anbauverfahren empfehlen. Aber das Ganze soll so weit wie möglich automatisch laufen, ohne dass sich der Praktiker zu sehr mit bürokratischen Details beschäftigen muss.

Wir machen das über unser Tochterunternehmen Climate Corperation mit der digitalen Plattform FieldView. Denn der Prozess muss penibel dokumentiert werden, um die Zertifizierungskriterien zu erfüllen. Ganz automatisch mündet er dann in einer Zertifizierung oder eben auch in einer Nicht-Zertifizierung. Der Landwirt muss quasi nur das machen, was er am besten kann: Seine Felder bestellen.

Wo ist das Geschäftsmodell für Bayer dabei?

Condon: Wir sind überzeugt, dass der Klimawandel die größte Gefahr für die Menschheit ist. Wenn wir ein Modell entwickeln, das nachhaltiges Handeln belohnt, können wir helfen, dieses Problem zu lösen und auch Geld damit verdienen. Es gibt kaum Industrien, die in der Lage sind, CO2 zu binden. Doch die Landwirtschaft kann das. Da Bayer Marktführer in der Landwirtschaft ist, wollen und müssen wir eine Vorreiterrolle übernehmen. Wir sind überzeugt davon, dass echte Nachhaltigkeitsprogramme nur dann eine Chance haben, wenn sie Teil des Geschäftsmodells sind.

Sie haben neulich gesagt, dass die Weltbevölkerung wächst und gleichzeitig Boden immer knapper wird. Wir müssen die Lebensmittelproduktion erhöhen, das aber nachhaltig. Wie kann das gelingen?

Condon: In Mexico haben wir kürzlich Short-Stature Corn eingeführt – also eine hybride Körnermaissorte mit besonders kurzen Stängeln. Die Sorte ist standfester, und weil die niedrigeren Bestände befahrbar sind, können wir den Pflanzenschutz viel gezielter betreiben. Durch diese Züchtung können wir den Ertrag erhöhen, brauchen aber weniger Wasser, weniger Pflanzenschutzmittel und weniger Dünger. Das ist für mich ein perfektes Beispiel, wie man mit Innovationen diese Ziele tatsächlich erreichen kann.

Die digitale Technologie geht in die gleiche Richtung: Wir können damit viel präziser arbeiten, als das früher möglich war. Wir optimieren also den Ertrag, brauchen aber weniger Input dafür.

Wir haben in Deutschland oft den Eindruck, Nachhaltigkeits- und Umweltschutzthemen sind vor allem europäische Themen – und die USA, Russland oder China geben nichts drum. Sehen Sie das ähnlich?

Condon: Nein, es ist mittlerweile zu 100 % ein weltweites Thema. Die Chinesen wissen genau, dass ihre Umwelt massiv überbelastet ist, sie reden nur nicht so offen darüber. Staatschef Xi Jinping hat vor einigen Wochen eine extrem ehrgeizige Klimastrategie ausgerufen. In den USA sind die Verpflichtungen von Großunternehmen teilweise sogar ambitionierter, als die europäischen. In Europa wird dagegen mehr diskutiert. Das ist immer ein bisschen zwiespältig. Auf der einen Seite will man den Planeten retten, was absolut richtig ist. Aber man möchte dabei nur dann auf die Wissenschaft hören, wenn die Erkenntnisse die eigene Meinung bestätigen. Das wird so mittel- und langfristig nicht funktionieren.

Sie sagten, Nachhaltigkeit ist eine Säule des Geschäftsmodells von Bayer in der Zukunft. Wie ernst meinen Sie das?

Condon: Absolut ernst. Es gibt drei Dinge, wofür wir stehen: Innovation, digitale Transformation und Nachhaltigkeit. Alle Entscheidungen, die wir treffen, werden erst einmal gefiltert, ob sie wirklich innovativ sind, ob sie digital unterstützt werden können und ob sie zur Nachhaltigkeit beitragen. Wenn diese Kriterien nicht erfüllt werden, dann verfolgen wir sie nicht weiter. Auch wenn es vielleicht wirksam wäre und vielleicht Geld bringen würde.

Wir glauben, wir müssen auch in der Landwirtschaft davon weg, dass Nachhaltigkeit nur mit Subventionen funktioniert. Es muss Mechanismen geben, die nachhaltiges Wirtschaften zertifizieren, so dass man Geld damit verdienen kann. Und dann wird vermutlich auch mehr in diese Richtung passieren. Die CO2-Zertifikate sind ein Schritt in diese Richtung.

Herr Condon, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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