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Monsanto soll Wissenschaftler Schmitz für Glyphosat-Studien bezahlt haben

Recherchen von ARD und LobbyControl sollen belegen, dass der frühere Gießener Agrarwissenschaftler Michael Schmitz bezahlte Studien für Monsanto geschrieben habe und diese über die Uni veröffentlichte

Lesezeit: 6 Minuten

Monsanto wird schon länger vorgeworfen, an Studien zu Glyphosat mitgeschrieben oder sie zumindest finanziert zu haben, um den Ausgang positiv zu beeinflussen. Verschiedene Medien berichten nun unter Berufung auf Recherchen von LobbyControl, dass auch der renommierte Agrarökonomen Michael Schmitz (70), bis 2015 an der Uni Gießen beschäftigt, mindestens zwei Studien verdeckt für Monsanto geschrieben haben soll.

Darüber berichtete am Donnerstagabend auch das ARD-Magazin Monitor. 20 Jahre lang sei Schmitz Sachverständiger für das Bundeslandwirtschaftsministerium gewesen und habe als Gutachter für die Deutsche Forschungsgemeinschaft gearbeitet.

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In einer Studie von 2011 schrieb der Forscher, dass ein Verzicht auf Glyphosat Deutschland und die EU teuer zu stehen käme. Pro Jahr seien bis zu 1,4 Mrd. US-Dollar "Wohlstandsverlust" möglich, hieß es damals. Und 2015 kam er laut dem Magazin zu dem Schluss, dass der Glyphosat-Einsatz ökologisch von Vorteil sei. Er schone den Ackerboden und senke den CO2-Ausstoß. Positive Einschätzungen, die nicht alle Wissenschaftler teilen. Wie Tagesschau, Süddeutsche Zeitung und andere berichten, sollen beide Studien von Monsanto mitfinanziert worden sein. Schmitz gab das jedoch nicht an.

Verein für Agribusiness-Forschung

Angeblich soll er jahrelang unter der Adresse der Hochschule den Verein für Agribusiness-Forschung und ein dazugehöriges Institut betrieben haben. Dort entstand die Studie. In internen Protokollen, auf die LobbyControl bei Recherchen gestoßen ist und die der ARD vorliegen, schreibt der Verein selbst, die Studien seien mit "finanzieller Förderung" durch Monsanto zustande gekommen.

Auf Anfrage von Monitor wollte Schmitz zur verdeckten Finanzierung keine Stellung nehmen. Er habe aber betont, dass die Arbeiten wissenschaftlich nicht zu beanstanden seien. "Die Unabhängigkeit der Wissenschaft ist am Output zu messen, also an den Veröffentlichungen und deren Qualität."

Was wusste Bayer?

Auch der Bayer-Konzern soll bis zuletzt eine der Studien von Schmitz für seine Öffentlichkeitsarbeit genutzt haben, heißt es weiter. Monitor behauptet weiter, hochrangige Vertreter von Bayer CropScience hätten jahrelang im Vorstand von Schmitz' "Verein für Agribusiness" gesessen und die Hintergründe kennen müssen. Bayer teilte auf Anfrage des Magazin mit, der fehlende Hinweis auf die Finanzierung entspreche nicht den Grundsätzen des Unternehmens. Man habe aber "keinen Anlass, an den Methoden, Inhalten oder Ergebnissen der Studien zu zweifeln".

Das sagt Bayer

Auf Anfrage von top agrar online sagte Unternehmenssprecher Heinz Breuer, dass der Veröffentlichungszeitpunkt der im Artikel genannten Studien bereits einige Jahre zurück liege. „Sie wurden von Monsanto in Auftrag gegeben und mitfinanziert. Die Unterstützung durch Monsanto ist auf den finalen Publikationen nicht gekennzeichnet. Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anlass, an den Methoden, Inhalten oder Ergebnissen der Studien zu zweifeln. Zudem sagt der Auftraggeber einer Studie nichts über deren Qualität oder Glaubwürdigkeit aus.“

Gleichwohl entspreche der fehlende Hinweis auf die Unterstützung durch Monsanto laut Breuer nicht den Grundsätzen von Bayer. „Wir setzen uns dafür ein, dass Studien grundsätzlich nach guter wissenschaftlicher Praxis durchgeführt, einem Peer-Review unterzogen sowie Unterstützer offen und transparent benannt werden“, so der Sprecher.

Breuer äußerte sich dagegen nicht zu unseren Fragen, was das Unternehmen wusste, da angeblich eigene Bayer-Vertreter bei Gesprächen im Privatinstitut des Professors anwesend waren. Auch die Rolle von Monsanto in dem Fall bleibt unklar und ob Studienergebnisse durch die finanzielle Beteiligung beeinflusst wurden.

Das sagt die Uni Gießen

Das „Institut für Agribusiness“ wurde nach Informationen der Uni Gießen von Prof. Dr. P. Michael Schmitz gegründet und im Rahmen einer genehmigten Nebentätigkeit betrieben. Es habe bis 2016 einen Mietvertrag über die Nutzung von Räumlichkeiten der Universität gegeben, heißt es in einer Pressemitteilung. Ob darüber hinaus weitere Uni-Ressourcen in Anspruch genommen wurden, werde derzeit intern untersucht. Diese Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen.

Die Uni stellt klar, dass das „Institut für Agribusiness“ nie eine Einrichtung der JLU gewesen sei. Und weiter heißt es: "Wir bestehen darauf, dass im Zusammenhang mit Tätigkeiten dieses Vereins keine unzulässigen Bezüge zur Universität Gießen hergestellt werden. Darauf haben wir in diesem Jahr wiederholt hingewiesen, und wir gehen davon aus, dass das mittlerweile berücksichtigt wird."

Im Zusammenhang mit der Berichterstattung lege man Wert auf die Feststellung, dass Wissenschaftler der JLU natürlich auch in der industriefinanzierten Auftragsforschung aktiv sind. Dagegen spreche zunächst nichts. Auftragsforschung habe dabei selbstverständlich den Grundsätzen der guten wissenschaftlichen Praxis zu folgen. "Unsere Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis enthält – wie viele ähnliche Satzungen anderer Hochschulen auch - aktuell keine Regelung zur Angabe von Finanzierungsquellen in der Auftragsforschung. Wir sehen aber durchaus gute Gründe für eine solche Verpflichtung zur Transparenz und nehmen den aktuellen Fall zum Anlass, dahingehende mögliche Anpassungen der Satzung in der Universität zu prüfen – auch mit Blick auf Studien und Publikationen, die im Rahmen von Nebentätigkeiten entstehen", teilte die Hochschule mit.

Lobby Control

Der Verein LobbyControl hält die verdeckte Finanzierung für gefährlich, da die Studien den Glyphosat-Herstellern zentrale Argumente liefern, die sie in ihrer Lobbyarbeit verwendet haben, heißt es dort. Der Verein wirft Schmitz zudem vor, die Ergebnisse zum Teil auch mit falscher Herkunft vorgestellt zu haben, etwa von der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Beide Glyphosat-Studien wurden später im Journal für Kulturpflanzen veröffentlicht, dem Fachjournal des zuständigen Bundesforschungsinstitutes, ebenfalls mit Verweis auf die Uni Gießen. Und von dort ging es dann weiter, etwa in die Glyphosat-Information der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, in die Literaturliste des Bundestages und andere Publikationen, kritisieren die Lobby-Überwacher.

Ebner: „System mit Methode“

Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, sieht seine Kritik bestätigt: „Der aufgedeckte Fall zeigt einmal mehr, mit welch haarsträubenden Methoden Monsanto arbeitet. Es ist unsäglich, dass auch hier eine Bundesbehörde des Agrarministeriums auf den Schmu hereingefallen ist und die gekaufte Gefälligkeitsstudie durch Veröffentlichung mit dem amtlichen Siegel geadelt hat“, sagte er am Donnerstag. Ebner fordert Agrarministerin Klöckner und auch die Universität Gießen auf, sich klar zu diesem Fall zu positionieren.

„Dass auch der Bayer-Konzern sich erst jetzt auf Mediennachfrage von den gekauften Schmitz-Monsanto-Studien distanziert, zeigt einmal mehr, wie wenig die Nachhaltigkeitssprüche wie "Wir haben verstanden" der Monsanto-Mutter tatsächlich wert sind. Alle Aufklärungsankündigungen des Konzerns sind offenbar nichts als leere Versprechungen“, so Ebner.

BUND: „Schwerer Vertrauensbruch“

Von „schwerem Vertrauensbruch“ spricht Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Er behauptet, Monsanto habe in der Vergangenheit immer wieder Studien mitgeschrieben oder finanziert. „Dass Konzerne Forschungsergebnisse diktieren und Verbraucher hinters Licht zu führen versuchen, ist unerhört. Der Fall zieht die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft in den Schmutz. Der Kuschelkurs mit der Industrie muss ein Ende haben“, so Bandt.

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) scheine auf die „Glyphosate Task Force“ (GTF) der Hersteller hereingefallen, so der Umweltschützer. Er verweist auf eine im Dezember 2019 vom BUND veröffentliche Recherche, die eindeutig die Einflussnahme der Industrie auf das Bewertungsverfahren bei der Wiederzulassung des umweltschädlichen Totalherbizids Glyphosat belege.

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