Können wir es uns angesichts der Klima- und Ernährungskrise überhaupt leisten, auf moderne Technologien, wie z.B. CRISPR, zu verzichten? Wir wollen mit prominenten Expertinnen und Experten die Situation skizzieren und darüber diskutieren, wie eine innovative Landwirtschaft aussehen könnte, die das Ziel mehr Nachhaltigkeit und Biodiversität bei gleichzeitig höherer Produktivität erreicht. Zudem soll es darum gehen, welche Rahmenbedingungen für die Umsetzung erforderlich sind. Die Branche braucht jetzt zügig Weichenstellungen. Bei unserer Veranstaltung aus der Reihe „Landwirtschaft im Dialog“ in Berlin wollen wir am 23. November 2022 ab 19.30 Uhr mit prominenten Expertinnen und Experten über das Thema diskutieren. Hier finden Sie mehr Infos. Wir haben vorab mit Robert Hoffie vom Öko-Progressiven Netzwerk (ÖkoProg)gesprochen.
Sie sind Pflanzenbiotechnologe und setzen sich intensiv für die Akzeptanz der Grünen Gentechnik ein. Was ist Ihr Antrieb? – das ist doch eigentlich eher unpopulär…
Hoffie: Der Pflanzenzüchtung kommt beim Erreichen der Nachhaltigkeitsziele der Landwirtschaft eine große Bedeutung zu. Unsere Kulturpflanzen müssen an sich verändernde Umweltbedingungen angepasst werden. Sie müssen mit weniger Inputs wie Dünger weiterhin hohe Erträge liefern und sie müssen sich gegen Schaderreger selbst zur Wehr setzen, um Pflanzenschutzmittel einzusparen.
Grüne Gentechnik kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, bessere Kulturpflanzen zu züchten und eine nachhaltigere Landwirtschaft zu fördern. Deshalb setze ich mich für die Akzeptanz dieser Methoden ein.
Sie gehören dem Verein ÖkoProg an. Wofür setzt sich der Verein ein, wer sind die Mitglieder?
Hoffie: ÖkoProg steht für Nachhaltigkeit ohne „früher war alles besser“. Es gibt in der Geschichte der Menschheit keine Vergangenheit, in der 10 Milliarden Menschen auf diesem Planeten in Wohlstand gelebt und innerhalb der planetaren Grenzen gewirtschaftet haben. Deshalb können wir in diese Vergangenheit auch nicht zurück. Wir müssen bewährte Ansätze mit neuen Lösungen kombinieren, um echte, evidenzbasierte Nachhaltigkeit zu erreichen.
Unsere Mitglieder sind politisch und wissenschaftlich interessierte Menschen, die sich mit diesem Gedanken identifizieren können, ihn weiterentwickeln und mit Leben füllen wollen.
Wir brauchen Innovationen, um die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu bewältigen."
Lassen sich Nachhaltigkeit und Innovationen mit einander vereinen?
Hoffie: Aus unserer Sicht sind Nachhaltigkeit und Innovation kein Widerspruch. Ganz im Gegenteil: Wir brauchen Innovationen, um die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu bewältigen. Dafür braucht es einen klugen politischen Rahmen, der Innovationen im Sinne von mehr Nachhaltigkeit fördert und ermöglicht sowie den fairen Zugang zu neuen Technologien sicherstellt.
Sie kommunizieren wie kaum ein anderer Wissenschaftler Ihre Anliegen über Ihren Twitter-Account. Schaffen wir es, über solche Kanäle Innovationen besser in die Gesellschaft zu tragen?
Hoffie: „Die Gesellschaft“ wird man nicht über einen einzigen Kanal erreichen. Aber gerade unter jungen Forschenden wächst das Bewusstsein dafür, dass wir unsere Arbeit besser und direkter kommunizieren müssen. Über verschiedene soziale Medien erreichen wir damit insgesamt ein breites Publikum. Bei Twitter selbst wird die Gesellschaft sicherlich eher indirekt erreicht, aber dort sind dafür viele Journalistinnen und Journalisten sowie Politikerinnen und Politiker aktiv.
Welche Erfahrungen haben Sie seitens Politik und Gesellschaft mit der Akzeptanz Ihrer Themen gemacht? Lassen sich Menschen noch von Fakten überzeugen?
Hoffie: Bezogen auf die Grüne Gentechnik kann man niemanden vorwerfen, Vorbehalte zu haben. Es ist ein sehr spezielles Thema, mit dem sich nur wenige Menschen tiefer beschäftigen. Wer nur mal nebenbei etwas dazu mitbekommen hat, wird vor allem Negativmeldungen aufgeschnappt haben. Daraus entsteht dann schnell ein mulmiges Baugefühl. Doch wann immer ich ins Gespräch mit Menschen komme, nehme ich ein großes Interesse und eine Offenheit war, neue Impulse zu bekommen und dann das eigene Bauchgefühl auch infrage zu stellen. Genauso ist es für mich wertvoll, in diesem Austausch meine eigene Arbeit zu hinterfragen und auf den Prüfstand zu stellen.
Es ist aber aus entsprechender Forschung ebenfalls bekannt, dass sich tief empfundene Abneigungen nicht durch bloßes Erklären von Faktenwissen ändern lassen. Das ist vergleichbar mit anderen Diskussionen mit Wissenschaftsbezug: denken wir nur ans Impfen. Deshalb ist es wichtig, dass wir in der Wissenschaftskommunikation auch darüber hinaus gehen und wirklich mit den Menschen ins Gespräch kommen.