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Nasse Moore – ein Megaprojekt unserer Zeit

Prof. Harald Grethe fordert eine politische Strategie und klare Kommunikation für die Wiedervernässung von Mooren. Ein Debattenbeitrag.

Lesezeit: 9 Minuten

Die Trockenlegung der Moore in Deutschland hat sich über hunderte Jahre hinweg bis weit in das 20. Jahrhundert hinein erstreckt. Sie war politisch und gesellschaftlich gewollt. In Zeiten regionaler Überbevölkerung schuf sie fruchtbares Land und trug zur Ernährungssicherheit bei.

Unter großen Entbehrungen übernahmen vor allem landwirtschaftliche Siedlerinnen und Siedler die harte Arbeit des Trockenlegens und die Realität des Sprichworts „des Ersten Tod, des Zweiten Not, des Dritten Brot“ ist bis heute im kollektiven Gedächtnis der Landwirtinnen und Landwirte auf Moorstandorten verankert.

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Daher ist es wichtig, die Geschichte der Moorwiedervernässung hier zu beginnen: Die Trockenlegung war eine Kulturleistung und verdient Anerkennung. Niemand sollte den Landwirtinnen und Landwirten die trockene Nutzung vorwerfen.

Die Trockenlegung war eine Kulturleistung und verdient Anerkennung.
Prof. Dr. Harald Grethe

Stattdessen braucht es heute eine Strategie zur Wiedervernässung der Moore, die den Betroffenen eine Per-spektive bietet. Denn die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig: trockene Moore setzen in erheblichem Umfang CO2 frei.

Auch die Möglichkeiten, diese klimaschädlichen Emissionen durch eine „feuchte Bewirtschaftung“ zu reduzieren sind begrenzt. Wandelt man Ackerland in extensiv und feucht genutztes Grünland um, lassen sich Treibhausgasemissionen in Höhe von etwa 15 t CO2-Äquivalenten pro Hektar und Jahr vermeiden. Eine vollständige Vernässung der Böden ermöglicht hingegen eine Emissionsvermeidung von bis zu 35 t CO2-Äquivalenten pro Hektar und Jahr.

Zwei grobe Rechnungen zeigen, wie sinnvoll die Wiedervernässung von Mooren volkswirtschaftlich ist, wenn man die Treibhausgaseinsparungen angemessen bewertet.

Volkswirtschaftlicher Nutzen

Nimmt man als Referenz einen CO2-Preis von 60 €/t, der für die Sektoren Verkehr und Gebäude ab 2027 in Deutschland gelten soll, ergeben sich pro Hektar und Jahr Treibhausgaseinsparungen im Wert von rund 2.000 €. Setzt man die vom Umweltbundesamt geschätzten Klimakosten von 201 €/t CO2 an, ergeben sich Treibhausgaseinsparungen im Wert von etwa 7.000 €/ha und Jahr.

Der Wert dieser Treibhausgaseinsparungen durch Wiedervernässung liegt also weit oberhalb des langjährigen Mittels der Wertschöpfung einer trockenen Landwirtschaft von 500 bis 1.000 €/ha und Jahr.

Viele milchviehhaltende Betriebe berechnen zurzeit ihren CO2-Fußabdruck, der üblicherweise zwischen 0,6 und 1,5 kg CO2 pro Liter Milch variiert. Auf Moorstandorten müssten allerdings die Emissionen aus der trockenen Moornutzung hinzugerechnet werden. Bei einer Milcherzeugung von 15.000 l/ha ergeben sich dann zusätzlich 2 kg CO2 pro Liter Milch. Setzt man die oben genannten Klimakosten an, ergeben sich pro Liter Moormilch zusätzliche Klimakosten von 40 ct/l aus der trockenen Moornutzung.

Diese Zahlen zeigen: aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist die trockene Bewirtschaftung von Mooren nicht sinnvoll. Auch die wasserbaulichen Kosten liefern kein grundsätzliches Argument gegen die Wiedervernässung. Auswertungen bestehender Wiedervernässungsprojekte zeigen, dass die Kosten zwar je nach spezifischer lokaler Situation stark variieren, durchschnittlich aber nur bei etwa einmalig 4.000 € pro Hektar liegen.

Das Potenzial zum Einsparen klimaschädlicher Emissionen in Deutschland durch die Wiedervernässung landwirtschaftlicher Flächen in Moorregionen ist hoch: Trockengelegte Moore umfassen nur etwa 7 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Sie verursachen aber 40 % der gesamten Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Bodennutzung.

Unter der Annahme, dass in Deutschland etwa 80 % der trockengelegten Moorfläche wiedervernässt werden, könnte man etwa 30 Mio. t CO2-Äquivalente im Jahr einsparen. Damit ist die Moorwiedervernässung in Deutschland potenziell der größte Einzelbeitrag zur Verringerung der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Bodennutzung.

Politischer Druck

Mit sinkenden Emissionen anderer Sektoren wird der klimapolitische Druck, diesen Beitrag zu realisieren steigen. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis 2045 treibhausgasneutral zu sein. Zwar hat die Bundesregierung bisher keine Einzelziele für die Emissionen aus der Bodennutzung und keine Ziele für den Sektor Landwirtschaft über das Jahr 2030 hinaus festgelegt, aber laut Klimaschutzgesetz muss die Ampelkoalition noch in dieser Legislaturperiode sektorale Ziele bis 2040 definieren.

Zusätzlich entsteht Druck aus der EU-Klimapolitik für die Landnutzungssektoren, in deren Rahmen zunehmend ambitionierte Ziele für die Mitgliedstaaten formuliert werden. So sinnvoll eine Wiedervernässung der Moore aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist, so groß sind die regionalen Herausforderung und die individuelle Herausforderung für die betroffenen Landwirtinnen und Landwirte.

Moore sind regional ungleich verteilt. In Deutschland liegen in Niedersachsen die größten landwirtschaftlich genutzten Moorflächen, gefolgt von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Schleswig-Holstein. In Moorregionen wirtschaften viele landwirtschaftliche Betriebe mit ihren gesamten Flächen auf trockengelegtem Moor. Viele halten dort seit Generationen Milchkühe oder bauen Getreide an. Das aber werden sie in Zukunft aus Gründen des Klimaschutzes nicht mehr tun können.

Ein Wandel für Viele

Um den Klimaschutz voranzubringen, werden viele Landwirtinnen und Landwirten in den kommenden Jahrzehnten die Bereitschaft zu großen Veränderungen zeigen müssen. Denn die Wiedervernässung landwirtschaftlich genutzter Moore ist eine große Aufgabe, muss schnell eingeleitet werden und erfordert erhebliche finanzielle Mittel. Aus Fairnessgründen dürfen wir sie nicht ausschließlich ordnungsrechtlich erzwingen, es handelt sich deshalb um eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.

Um diese Herausforderung zu bewältigen, brauchen wir eine Moorschutzstrategie für die weitgehende Wiedervernässung bis 2045, die einen Zeitplan, eine Erfassung der wasserbaulichen Möglichkeiten und Kosten der Wiedervernässung der Eigentümer- und Nutzerstrukturen, sowie der Einkommenschancen auf nassen Mooren und eine Finanzierung beinhaltet.

Zusätzlich müssen neue Institutionen eingerichtet werden: Es braucht eine Moorschutzkommission nach dem Vorbild der Kohlekommission. Außerdem sollte eine Bundesagentur den Prozess koordinieren. In den besonders betroffenen Bundesländern können ähnliche Institutionen auf Landesebene geschaffen werden. Bestehende Institutionen wie die Wasser- und Bodenverbände müssen mit der Umsetzung beauftragt werden.

Schließlich muss ein politischer Instrumentenmix entwickelt werden, der zu Beginn vor allem auf Anreize setzt, aber im Zeitablauf stärker das Ordnungsrecht sowie die Bepreisung der Emissionen einbezieht.

Die Vorrangigkeit von positiven Anreizen und Freiwilligkeit zu Beginn der Transformation liegt begründet in der Tiefe des notwendigen Eingriffs, der „Kehrtwende“ von der Kulturleistung der Trockenlegung für die Nahrungsproduktion zur Wiedervernässung für den Klimaschutz und dem Ziel, möglichst viele Landwirte für diesen Prozess zu gewinnen.

Im Laufe der Transformation sollte das Verursacherprinzip aber verstärkt zum Tragen kommen: Langfristig sollte die trockene Moornutzung auf Standorten, die volkswirtschaftlich sinnvoll wiedervernässbar sind, weder einzelwirtschaftlich sinnvoll noch rechtlich durchsetzbar sein.

Hierfür könnte etwa eine Bepreisung von THG-Emissionen aus Mooren z. B. ab 2040 erfolgen. Dies sollte durch die Stärkung von Flurbereinigungsverfahren und staatlichen Erwerb von Moorflächen, sowie von Tauschflächen flankiert werden, um Landwirtinnen und Landwirten, die nicht auf wiedervernässten Flächen wirtschaften wollen, die Bewirtschaftung von alternativen Flächen oder den Ausstieg aus der Landwirtschaft zu ermöglichen.

Es braucht eine Moorschutzkommission nach dem Vorbild der Kohlekommission.
Prof. Dr. Harald Grethe

Wie Geld verdienen?

Wiedervernässung bedeutet nicht flächendeckenden Naturschutz ohne wirtschaftliche Nutzung. Um die heutigen Landwirte und Landwirtinnen für die Wiedervernässung zu gewinnen und die gesellschaftlichen Kosten zu begrenzen, müssen auch auf nassen Flächen gute Einkommen erwirtschaftet werden können. Daher sollten die nassen Nutzungsmöglichkeiten stärker in den Vordergrund der Debatte rücken.

Wichtig ist, dass das zentrale Ziel für den Klimaschutz die Wiedervernässung der Moore ist. Es geht nicht darum, den ursprünglichen Zustand der Moore wiederherzustellen, insofern ist der Begriff „Renaturierung“ missverständlich. Um nasse Nutzungsmöglichkeiten effektiv zu entwickeln und zu etablieren, ist es wichtig, in Forschung und Entwicklung, die Schaffung rechtlicher Grundlagen sowie in Bildung, Ausbildung und Beratung zu investieren.

Photovoltaik auf wiedervernässten Mooren birgt technische Herausforderungen, aber auch große Einkommenschancen, die vor allem den heutigen Nutzern und Nutzerinnen der Flächen eröffnet werden sollten. Das Klimaschutzgesetz setzt Klimaneutralität als Ziel bis 2045. Dafür wird ein Ausbau der installierten Photovoltaik-Leistung um mindestens 330 Gigawatt benötigt.

Nimmt man an, dass hiervon 30 % auf Dächern erfolgt, verblieben 230 Gigawatt Freiflächenphotovoltaik mit einem Flächenbedarf von ca. 230.000 ha. Dies entspricht etwa einem Viertel der nicht in Natura-2000 Gebieten liegenden landwirtschaftlich genutzten Moorfläche. Es ergibt sich hier also die Chance, einerseits die Akzeptanz der heutigen Flächeneigentümerinnen und -nutzer für die Wiedervernässung zu erhöhen, und andererseits einen doppelten Klimaschutzbeitrag zu realisieren: Die Vermeidung der Emissionen aus der trockenen Moornutzung und die Substitutionsleistung erneuerbarer Solarenergie.

Baustoffe als Chance

Auch Paludikulturen wie Schilf und Rohrkolben auf Niedermoor und Torfmoos auf Hochmoor können geeignete Geschäftsmodelle sein, brauchen aber industrielle Cluster, die die Biomasse aufnehmen und weiterverarbeiten. Angesichts der zunehmenden Nachfrage nach Biomasse im Rahmen der Bioökonomie bei gleichzeitig begrenzter Flächenverfügbarkeit, können in Zukunft insbesondere neue Möglichkeiten einer stofflichen Nutzung (z. B. Bau- und Dämmstoffe aus Schilf und Rohrkolben) zunehmend wirtschaftlich interessant werden.

Öffentliche Investitionen in Forschung- und Entwicklung sowie Pilotprojekte zu nassen Nutzungsmöglichkeiten sind wichtig, weil sie langfristig dazu beitragen können, die gesellschaftlichen Kosten der Wiedervernässung zu begrenzen. Vor diesem Hintergrund sollte die Moorwiedervernässung sowohl im Bund wie auch in den Ländern nicht nur von den Umwelt-, sondern auch den Landwirtschaftsministerien gestaltet werden. Zudem ist die regionale Wirtschaftspolitik gefordert.

Schließlich ist es aus Gründen der Fairness, des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der politischen Machbarkeit wichtig, für alle Moorkörper Beteiligungsverfahren unter Einbeziehung der Bevölkerung, der Flächeneigentümerinnen und der Nutzer durchzuführen.

Die Moore wiederzuvernässen, wird eine ähnlich große Aufgabe wie ihre Trockenlegung. Nur das Tempo ist ungleich höher. Umso wichtiger ist es, dass wir das Ziel einer weitgehenden Wiedervernässung schon heute politisch klar kommunizieren und einen Zeitplan mit Zwischenzielen entwickeln. Das zeigt die Ernsthaftigkeit des Ziels, setzt Anreize für einen schnellen Einstieg und gibt den beteiligten Landwirtinnen und Landwirten langfristige Entscheidungssicherheit.

Und es ist auch volkswirtschaftlich sinnvoll: Die Kreativität, der landwirtschaftliche Unternehmergeist und die Kenntnis der regionalen Bedingungen der heutigen Flächennutzerinnen und Flächennutzer sind nicht zu ersetzen – wir werden sie für eine effiziente Wiedervernässung landwirtschaftlich genutzter Moorböden dringend brauchen.

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