Biopatente können den Wettbewerb und die Innovationskraft in der Pflanzenzüchtung hemmen. Davor warnt der Anwalt für europäisches Patentrecht, Dr. Michael Kock, mit Blick auf die Neuen Züchtungstechniken (NZT).
Wenn der Anteil patentierter, neuer Sorten auf dem Markt eine kritische Schwelle überschreite, würde der Austausch von Biodiversität zwischen den Züchtungsunternehmen „zum Stillstand kommen“, sagte Kock auf einer Diskussionsveranstaltung der AG Gentechnologiebericht am 24. Juni in Berlin.
Kock ist Mitautor eines kürzlich erschienenen Papiers über Ansätze zur rechtssicheren Abschwächung der Schutzwirkung von Patenten. Zentral ist dabei die Forderung nach einer „vollen Züchterausnahme“, wie sie zuletzt auch von einer Allianz kirchlicher und landwirtschaftlicher Organisationen aufgegriffen wurde. Das Bündnis hatte sich geschlossen gegen Biopatente in der Pflanzenzüchtung ausgesprochen.
Großunternehmen profitieren
Nach Einschätzung von Patentrechtsanwalt Kock ist die Schwelle erreicht, wenn mehr als 70% der neu auf dem Markt gebrachten Sorten patentiert sind. Züchtung fände dann vor allem innerhalb der unternehmenseigenen Saatgutkollektionen statt. Maßgeblicher Grund sei der hohe Aufwand, mit dem Patente bewertet und Lizenzen verhandelt werden müssten.
Diese gestiegenen „Transaktionskosten“ für den Austausch von genetischem Material zwischen Züchtungsunternehmen würden den Austausch weitgehend zum Erliegen bringen. Allerdings sichere eben jener Austausch den züchterischen Fortschritt maßgeblich mit ab, weil dadurch Sorten neu miteinander kombiniert und Folgeentwicklungen möglich werden.
Von einer solchen Entwicklung würden Kocks Einschätzung nach vor allem die Großunternehmen in der Pflanzenzüchtung profitieren. Es drohe dadurch eine „irreversible“ Konsolidierung der Pflanzenzüchterbranche, warnte er. In den USA sei dies bereits zu beobachten gewesen. Auch für Landwirte sei dies problematisch. Denn weniger Wettbewerb bedinge weniger Produktangebot und in der Folge höhere Preise für Saatgut, so der Patentrechtsanwalt.
Patentschutz einschränken
In ihrem Papier schlagen Kock und Rechtswissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin eine umfassende Züchter- und Landwirteausnahme beim Patentschutz vor. Sogenannte Technologie- und Verfahrenspatente, etwa auf bestimmte Editierungsverfahren, würden ihre Schutzrechte behalten. Allerdings würden für Produktpatente, also jene auf konkrete editierte Pflanzen oder pflanzliche Produkte, Ausnahmen gelten.
Die Rechte aus einem Patent würden sich in diesem Fall nicht auf die „Verwendung biologischen Materials zum Zwecke der Züchtung“, die Entwicklung neuer Pflanzensorten sowie die „Vermehrung, das Anbieten und das Inverkehrbringen der neuen Pflanzensorte oder ihrer Teile“ erstrecken.
Nach Einschätzung der Rechtsexperten könne eine solche Rechtslösung auch ohne komplizierte Änderung des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) umgesetzt werden. Bekanntlich ist beispielsweise das vom EU-Parlament geforderte „Patentverbot“ für NZT nicht mit dem EPÜ vereinbar. Da für eine Änderung des EPÜ Einstimmigkeit unter den 36 Mitgliedstaaten erforderlich ist, gilt die vom Europarlament präferierte Lösung unter Fachleuten als schwer umsetzbar.