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Agroforst: Acker und Gehölzstreifen kombinieren

Inga und Jan Große-Kleimann haben einen Schweinemastbetrieb übernommen. Noch läuft die Stallroutine weiter. Doch draußen legen sie mit Freiwilligen eine Kombination aus Acker und Gehölzstreifen an.

Lesezeit: 7 Minuten

Dieser Artikel erschien zuerst im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.

Kinder lachen, Schafe blöken und im Hintergrund wummert es rhythmisch. Auf dem Acker vor dem Hof der ­Familie Große-Kleimann geht es wuselig zu. „Bauer Jan“, wie ihn die Viertklässler der nahe gelegenen Grundschule nennen, steht zwischen Mistkarre und Pflanzloch. Er zeigt den Kindern, wie man Apfelbäume pflanzt. Darum dreht sich alles in dieser Woche auf dem Hof in der Bauerschaft Dumte, Kreis Steinfurt.

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Inga und Jan Große-Kleimann legen eine Agroforst-Parzelle an. Über persönliche Netzwerke und Medien haben sie Interessierte zum Mithelfen eingeladen. 450 Apfelbäume sollen in 3 m breiten Pflanzstreifen mit 30 m Abstand in das 10 ha große Feld gesetzt werden. Eine He­rausforderung in mehrfacher Hinsicht – und eine der ersten Veränderungen, die das junge Betriebsleiter-Ehepaar auf dem Hof anstößt.

Baumreihen bremsen Wind

Agroforst ist die Kombination von Acker oder Grünland mit Gehölzstreifen. Das können Sträucher oder auch Bäume sein. „Es gibt kein vorgefertigtes System. Jeder Betrieb muss sein Konzept finden“, erklärt der Betriebsleiter. Für ihn sind es niedrig wachsende Apfelbäume. Ihre Kronen setzen bereits auf 60 bis 80 cm Höhe an. In Reihen wirken sie später wie Hecken, die den Wind bremsen. Zugleich lassen sich die Kronen bequem pflegen.

Der Bauer will Tafel­obst von ihnen ernten. „Darin sehe ich eine Möglichkeit zur Direkt­vermarktung. Ich will selbst einen Preis dranschreiben, nicht nur Produkte abliefern“, sagt er. Doch erstmal müssen die Bäume in die Erde. Etwa 60 Freiwillige helfen im Laufe der Woche dabei mit. So kommt das rhythmische Wummern von drei Männern, die Pfähle zum Anbinden der Bäume in die Erde rammen. Zwei sind über die Tageszeitung gekommen. Der dritte ist Imker und stellt seine Bienenstöcke auch an Große-Kleimanns Acker. Nebenan lockert eine Landschaftsökologin die Pflanzlöcher. Über Freunde hat sie von Jans Plänen erfahren und von der Möglichkeit, hier anzupacken. Mittendrin sind die Schafe eingezäunt. Sie fressen die Gründüngung herunter, damit der Acker besser begehbar ist. Mit ihren Ausscheidungen tragen sie zum Bodenaufbau bei.

Die menschlichen Helfer bilden Teams. Nach einer Einweisung bauen die einen den Verbissschutz aus Draht, andere pflanzen die Bäume oder binden sie an die Pfähle. Beim Buddeln und Hämmern ist Zeit für Gespräche. Das finden Jan und Inga Große-Kleimann mindestens so wichtig wie die Arbeit.

Agroforst: Bringt das denn was?



Mit Bürgern Agroforst erforschen – das planen Studierende der Uni Münster unter anderem auf dem Hof Große-Kleimann. Sie wollen Freiwillige beispielsweise dazu anleiten, die Bodenverdunstung zu messen, Insekten zu zählen und die Entwicklung der Pflanzen zu dokumentieren. So sollen messbare Effekte festgestellt und der Dialog zwischen Landwirten, Bürgern und Wissenschaftlern gefördert werden.



Die verantwortlichen Studenten der Landschaftsökologie sagen selbst: „Uns ist aufgefallen, dass in unserem Studium die Perspektive von Landwirtinnen und Landwirten und agrarpolitische Themen unterrepräsentiert sind.“ Interessierte Bürger und Landwirte aus dem Münsterland, die Agroforst betreiben oder planen, können mitmachen. Weitere Informationen gibt es hier.

Jede Generation denkt neu

Im Juli sind sie mit ihren Kindern Malina und Thore auf den Hof in Borghorst gezogen. Sie sind angetreten, um den Betrieb fortzuführen und in eine gesellschaftlich akzeptierte Richtung weiterzuentwickeln, sagt der 28-jährige Landwirt und Agrarwissenschaftler. Seine Frau Inga, die nicht aus der Landwirtschaft kommt und Wirtschafts-Geschichte studiert hat, regt ihn dazu an, die Landwirtschaft und den Hof durch eine andere Brille zu sehen. „In meiner Heimat im Bergischen Land gibt es diese intensive Landwirtschaft wie hier mit Viehhaltung und Ackerbau nicht“, sagt sie.

Noch viel mehr als über die großen Ställe und die vielen Maisfelder staunt sie darüber, welche Anziehungskraft der Hof für die Familie hat. Jede Generation der Große-Kleimanns hat dem Betrieb ihren Stempel aufgedrückt. Ackerbau und Vieh gab es immer. Jans Großeltern setzten zusätzlich auf Spargel und Erdbeeren in Direktvermarktung. Sein Vater Josef gehörte in den 1990er-Jahren zu den Windenergie-Pionieren im Münsterland und setzt im Energiebereich seinen Schwerpunkt. Die Schweinehaltung baute er auf aktuell 3500 Mastplätze in modernisierten Alt­gebäuden aus. Mehrere Mitarbeiter kümmern sich darum und bewirtschaften die 190 ha Ackerland.

„Ich bin meinem Vater dankbar, dass er die Weichen so gestellt und mir keinen neuen Stall hingestellt hat“, sagt Jan Große-Kleimann. Vorerst laufen die eingespielten Betriebsabläufe weiter und sichern das Einkommen, betont der Unternehmer. Seine Frau Inga ergänzt: „Das gibt uns die Möglichkeit zu überlegen, wie wir hier in 20 Jahren arbeiten wollen.“ Mit dem ­Anlegen der Apfelbaumreihen im Acker geht Jan Große-Kleimann seiner Leidenschaft nach: regenerative Landwirtschaft.

Bodenkurs rüttelte auf

Regenerieren bedeutet, etwas aus eigener Kraft zu beleben. Für Landwirte geht es dabei um ihr wertvollstes Gut – den Boden. Nach den Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft sollte er immer mit Aufwuchs bedeckt sein, um Mikro­organismen zu füttern und unerwünschte Kräuter zu unterdrücken. „Noch viel wichtiger ist aber, was die Pflanzen unter der Erde leisten“, erklärt Jan Große-Kleimann. „Mit ihren Wurzeln lockern sie den Boden, speichern Wasser und geben es wieder ab. Die Wurzeln scheiden Substanzen aus, die Bakterien stimulieren. Dadurch wird die Beschaffenheit des Bodens fühlbar besser.“

In seiner landwirtschaftlichen Ausbildung und im Studium der Agrarwissenschaften erfuhr er davon eher am Rand. Richtig gepackt hat ihn ein freiwilliger, selbst finanzierter Bodenkurs. Friedrich Wenz und Dietmar Näser, zwei Experten aufbauende Landwirtschaft, beeindruckten ihn mit ihren Erfahrungen. Einige Erkenntnisse setzt er bereits um. Als Zwischenfrüchte hat er auf dem Agroforst-Acker einen Mix aus 15 verschiedene Pflanzen gesät. Sie sollen mit ihren Wurzeln für optimale Bodenverbesserung sorgen. Auch der Verzicht auf Bodenbearbeitung vor der Getreideeinsaat hat geklappt.

Wie Große-Kleimann experimentieren derzeit viele Landwirte mit bodenschonenden Anbauverfahren. Das ist angesichts des Klimawandels mit seinen Wetterextremen dringend nötig. Die Böden müssen in die Lage versetzt werden, mehr Wasser aufzunehmen, zu speichern und damit die Pflanzen bei Trockenheit zu versorgen. Hinzu kommt, dass weniger Pflanzenschutzmittel erlaubt sind und Landwirte mehr auf die Stärkung der Pflanzen achten müsssen, um sie widerstandsfähig zu halten.

Was die Bäume leisten

Agroforst ist eine von mehreren Methoden der regenerativen Landwirtschaft. Jan Große-Kleimann ist fasziniert von der Wechselwirkung zwischen Bäumen und Acker­kulturen. Nach seinen Recherchen gibt es genug Studien, die positive Effekte beweisen, etwa weniger Wasserverdunstung auf dem Acker, weniger Erosion und gleichbleibend ausreichende Ernten. Hinzu kommen die ökologischen Vorteile kleinräumiger Flächen mit Gehölzsaum. Von Streuobstwiesen und Wallhecken ist das bekannt.

Das Agroforst-System mit Apfelbäumen ist für Jahrzehnte angelegt. Es verursacht beim Aufbau erhebliche Kosten und viel Arbeit. Nach dem Pflanzen steht das Veredeln der Bäume an. „Sie wurden als Knippbäume“ gesetzt“, erklärt der Landwirt. Mit Unterstützung eines Baumschulmeisters werden die Kronen gekappt und Edelreiser von acht alten Apfelsorten aufgepfropft. Auf dem Acker muss der Landwirt künftig den Übergang zwischen Hecke und Feld regelmäßig tiefgründig lockern, damit die Bäume in die gewünschte Richtung wurzeln.

Schlappe Prämie

Dass sich Agroforst dennoch rechnet, hat Jan Große-Kleimann in seiner Masterarbeit an der Uni ausgerechnet. Zusätzlich hat er für sein Apfelbaumprojekt eine Förderung aus dem EU-Förderprogramm für ländliche Räume namens LEADER beantragt und erhalten. Zur Freude über diesen Rückenwind kommt der Ärger, dass Bäume auf dem Acker bei der EU-Flächenprämie nur 60 €/ha bringen. „Lege ich den Acker still, bringt das eine Prämie von mehr als 1000 €/ha. Für mich passt das Verhältnis nicht.“ Was alles an Gedanken hinter den Apfelbäumen steckt, die sie gerade pflanzen, ahnen die meisten freiwilligen Helfer nicht. Sie erfahren mehr darüber in den Gesprächen zwischendurch und bei den gemeinsamen Mahlzeiten im ehemaligen Spargelhaus. Bei allen Neuerungen auf dem Hof ist eines geblieben wie immer: Essen gibt es um Punkt zwölf!

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