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Nitratmessstellen: Niedersächsisches Umweltministerium kritisiert Gutachten

Das von Landvolkverbänden in Auftrag gegebene Gutachten offenbarte Mängel an den Nitratmessstellen und der Ausweisung der roten Gebieten. Das Umweltministerium fühlt sich zu unrecht kritisiert.

Lesezeit: 7 Minuten

Der Hintergrund: Die von mehreren niedersächsischen Kreislandvolkverbänden in Auftrag gegebene Evaluierung hat den Zustand von 648 der insgesamt 1085 Messstellen des niedersächsischen Wasserrahmenrichtlinien-Messnetzes (WRRL-Messnetz) sowie die Zustandseinstufung von 41 der insgesamt 123 Grundwasserkörper hinsichtlich der Nitratbelastung für das Bezugsjahr 2015 untersucht und bewertet. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass gravierende fachliche Mängel sowohl an den Messstellen als auch an der Ausweisung der roten Gebiete vorliegen (topagrar berichtete). top agrar fragte beim Niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies nach.

Laut Gutachten weisen 97 % der 648 untersuchten Messstellen Mängel auf, 39 % sogar so gravierende, dass von den erhobenen Daten kein belastbarer Rückschluss auf die tatsächliche Nitratkonzentration im Grundwasserleiter vorgenommen werden kann. Welche Konsequenzen zieht das Landesumweltministerium aus diesen Erkenntnissen?

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Lies: Die Messstellen des niedersächsischen WRRL-Messnetzes entsprechen bundesweit geltenden Normen und Regelwerken. Pflege, Wartung, Neubau und Rückbau von Messstellen führt der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) regelmäßig gemäß den in betriebsinternen Fachblättern festgelegten Anweisungen durch, die auf Grundlage der einschlägigen Regelwerke erstellt und aktualisiert werden (DVWG Arbeitsblätter W110, W129; LAWA u.a.). Die Probenahmen und damit auch die Funktionskontrollen werden von den Betriebsstellen des NLWKN zweimal jährlich im Rahmen eines Frühjahrs- und eines Herbstzyklus durchgeführt. Zusätzlich führt der Landesbetrieb regelmäßig sowohl turnusmäßig als auch anlassbezogen Kamerabefahrungen an den Messstellen durch. Die Kamerabefahrungen sind, neben der Auswertung der Erkenntnisse aus den Probenahmen, die zentrale Grundlage für die Inspektion von Messstellen und werden bereits seit einigen Jahren mit eigenen Kameras des Landesbetriebes durchgeführt.

Dies ist ein etablierter und kontinuierlich laufender Prozess. Auf dieser Grundlage weist das Land Niedersachsen die Kritik des Gutachters am WRRL-Messnetz nach einer vertieften Überprüfung entschieden zurück und stellte fest, dass das Gutachten keine geeignete und substantielle Grundlage darstellt, um die vom Land Niedersachsen gemessenen Nitratwerte in Frage zu stellen. Diesbezüglich ist anzumerken, dass abweichend von den für Niedersachsen bzw. bundesweit geltenden Normen und Regelwerken eigene Ansichten des Gutachters als Vorgabe definiert wurden, die insgesamt zu einer unzulässigen Gesamt-Bewertung aggregiert worden sind.

Unabhängig von dem Gutachten hat die Landesregierung im Rahmen des Kabinettsbeschlusses vom 18.11.2019 zur NDüngGewNPVO eine gutachterliche Funktionsprüfung sämtlicher WRRL-Messstellen veranlasst. Der Umfang der Funktionsprüfung richtet sich ebenfalls nach den einschlägigen Regelwerken. So werden an jeder Messstelle u.a. Kamerabefahrungen und hydraulische Tests durchgeführt. Aufgrund der hohen Messstellenanzahl sind hierfür zwei Jahre eingeplant. Dabei werden die rund 220 Messstellen mit Nitratgehalten über Qualitätsnorm prioritär überprüft. Die Ergebnisse für diese Messstellen sollen bereits im Herbst 2020 vorliegen.

Die Probenahmen und Analysen werden vom NLWKN unter strenger Beachtung der geltenden Vorschriften durchgeführt. Die Qualität dieser Arbeiten wird durch das von DAkkS akkreditierte Qualitätsmanagementsystem sichergestellt. Im Übrigen gibt es in dem Gutachten keine konkreten Hinweise darauf, dass die Messwerte tatsächlich als falsch beurteilt werden.

Bei sehr vielen Grundwasserkörpern attestiert das Gutachten eine zu geringe Messstellendichte. Das NLWKN greift in diesen Fällen auf sogenannte Einzelfallbewertungen zurück, die nicht auf Messdaten basieren und nicht transparent begründbar sind. Planen Sie die Anzahl der Messstellen zu erhöhen, damit eine höhere Repräsentativität erreicht wird?

Lies: Das WRRL-Messnetz ist für einen speziellen Zweck, und zwar die Bewertung gemäß WRRL, nach Vorgaben der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) aufgestellt worden. Aufgrund der Vorgaben eine Messstellendichte von 1 Messstelle je 50 km2 anzustreben, führt die Messstellenanzahl bei der Bewertung von bestimmten Typflächen/Teilräumen zu Einzelfallprüfungen. Diese Einzelfallprüfungen werden datenbasiert durchgeführt. Dabei werden folgende Zusatzinformationen einbezogenBodenkundliche, hydrogeologische und wasserwirtschaftlich Angaben,

  • Informationen über die Grundwasserbeschaffenheit in Wasserschutzgebieten (Daten der Wasserversorgungsunternehmen, Gutachten)
  • bei Typflächen/Teilräumen im Grenzbereich: Daten der Nachbarländer
  • Berücksichtigung zusätzlicher Messstellen in der Typfläche/Teilraum

Neben den vorhandenen Messdaten gehen in die Einzelfallbetrachtung aber auch alle Informationen ein, die einer formalisierten Bewertung nicht zugänglich sind. Dieses sogenannte „expert judgement“ ist eine in der WRRL verankerte und etablierte Beurteilungsmethode. Alle diese Kriterien sind in dem Leitfaden für die Gütebewertung beschrieben und stehen auf den Internetseiten des NLWKN zur Verfügung, und sind damit transparent dargestellt. Die im Gutachten postulierte „fehlende Repräsentativität“ des WRRL-Messnetzes in Niedersachsen basiert auf falschen Ansätzen im Gutachten, die sich nicht mit den Vorgaben der WRRL decken.

Unabhängig davon streben das Umweltministerium und der NLWKN eine kontinuierliche Optimierung der gewässerkundlichen Messnetze an und entwickelt in diesem Zusammenhang auch das WRRL-Messnetz weiter (Neubau, Ersatzbau). Dabei wird grundsätzlich an der Vorgabe eine Messstelle auf 50 km² festgehalten.

Nach Aussagen des zitierten Gutachtens grenzt Niedersachsen seine Grundwasserkörper nicht fachlich korrekt nach grundwasserhydraulischen Aspekten ein. Hinzu kommen noch fehlerhafte Messwerte. Eine richtige Bewertung der Grundwasserkörper hinsichtlich ihrer Nitratbelastung scheint daher nicht möglich. Eine Veröffentlichung der Neubewertung der GW-Körper steht für Ende dieses Jahr an. Haben Sie die Kriterien der Bewertung überarbeitet oder erfolgte sie analog dem Vorgehen der letzten Bewertung vor sechs Jahren?

Lies: Die Ausweisung der Grundwasserkörper erfolgt für den Zweck der Grundwasserbewirtschaftung nach WRRL und erfolgt dementsprechend nach den Vorgaben der WRRL. Weder die WRRL (Richtlinie 2000/60/EG) noch die Grundwasserverordnung legen im Detail fest, nach welchen Kriterien die Grundwasserkörper festzulegen sind. Das in Niedersachsen und Bremen verwendete Verfahren zur Abgrenzung der Grundwasserkörper basiert auf dem in der Arbeitshilfe der LAWA zur Umsetzung der WRRL enthaltenen Empfehlungen und ist im WRRL-Bericht des NLWKN von 2005 beschrieben.

Auf Grundlage der Flussgebiete wurden die Grundwasserkörper nach hydraulischen Grenzen und hydrogeologischen Kriterien abgegrenzt. Im zweiten Schritt wurden diese hydraulisch abgegrenzten Räume nach den überwiegenden hydrogeologischen Einheiten in Lockergestein, mesozoisches Festgestein und paläozoisches Festgestein weiter unterteilt. Eine detailscharfe Abgrenzung nach streng hydraulischen Grundwasserkriterien wird weder gemäß WRRL noch nach GrwV und den daraus abgeleiteten Empfehlungen (European Communities, 2003; LAWA, 2003) gefordert.

Nach Auffassung des Umweltministeriums ist die Ausweisung der Grundwasserkörper gemäß den Vorgaben der WRRL erfolgt und für den Planungsmaßstab der Bewirtschaftungspläne entgegen den Ausführungen des Gutachters geeignet. Grundsätzlich gibt es zudem keine fehlerhaften Messwerte im WRRL-Messnetz.

Die Nitratmessungen betrachtet das Land Niedersachsen als richtig und plausibel. Insgesamt gibt es keinen Anlass, das Verfahren für die aktuelle Zustandsbewertung nach WRRL zu ändern" - Lies

Was ist Ihre Botschaft an die Landwirtschaft, die in den roten Gebieten massive Einschränkungen hinnehmen muss, sich aber nicht sicher sein kann, ob die Gebiete fachlich korrekt ausgewiesen wurden und somit die restriktiven Maßnahmen überhaupt angebracht sind?

Lies: Die Ausweisung der roten Gebiete erfolgte auf der Grundlage der von der Bundesregierung erlassenen Düngeverordnung von 2017. Mit der Novellierung dieser Verordnung am 27. März soll die Ausweisung der roten Gebiete künftig stärker am Verursacherprinzip orientiert erfolgen. In einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe werden gegenwärtig bundesweit einheitliche Kriterien für die Ausweisung erarbeitet, die in eine Verwaltungsvorschrift des Bundes einfließen werden. In diesem Prozess setzt sich Niedersachsen dafür ein, bei der Abgrenzung der Gebietskulisse Grundwasser den aktuellen Nitrateintrag heranzuziehen. Dabei geht es um die potenziellen Nitrateinträge im Sickerwasser aufgrund der aktuellen Flächenbewirtschaftung in Kombination mit den standörtlichen Faktoren. Dieser Ansatz berücksichtigt stärker das Verursacherprinzip und ermöglicht es, Verbesserungen aufgrund eines geänderten Düngeverhaltens auch kurzfristig zu quantifizieren.

Hiervon unbenommen bleibt jedoch der Handlungsdruck für den Gewässerschutz in Deutschland und Niedersachsen weiterhin hoch. Dies zeigt auch der aktuelle Nährstoffbericht der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, der trotz einer erfreulichen Reduktion der Überschüsse für das Jahr 2019 immer noch eine Bedarfswertüberschreitung von 30.000 Tonnen Stickstoff ausweist. Eine Diskussion um Messstellen und Bewertungsverfahren kann die dringend notwendige Reduzierung dieser Nährstoffbelastung unserer Gewässer aus der Landwirtschaft nicht ersetzen.

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