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topplus Ackerbau in der Schweiz

No Till: Den Boden im Blick

Ackerbau in der Schweiz, das heißt kleine Strukturen und große Vielfalt. Landwirt Reto Minder setzt auf konservierende Bodenbearbeitung - auch bei den Sonderkulturen. top agrar hat ihn besucht

Lesezeit: 7 Minuten

Wer an Direktsaat denkt, dem kommen zunächst die trockenen Weiten Amerikas in den Sinn. Doch auch in der kleinstrukturierten Schweiz, im wasserreichen Kanton Fribourg (s.u.) gibt es Landwirte, die auf das Verfahren setzen. Einer von ihnen ist Reto Minder aus Jeuss, der sich schon seit den 90er-Jahren intensiv mit der konservierenden Bodenbearbeitung beschäftigt. Seit 2015 ist er zudem Präsident des Verbandes Swiss No Till. Für Minder steht der Boden ganz im Zentrum seines Wirtschaftens.

Er ist überzeugt, dass er die Fruchtbarkeit seiner Böden nur mit Direktsaat und dauerhafter Begrünung bewahren kann. „In der Natur gibt es keine Bodenbe­arbeitung. Der Boden ist immer von Pflanzen und Mulch bedeckt“, begründet Minder sein Handeln. Deshalb stellte er den Betrieb mit 40 ha Ackerbau seit 1997 größtenteils auf Direktsaat um. Dazu hat er in die Direktsaatmaschine Mini-Boss von Agrisem (3 m Arbeitsbreite) investiert, mit der er Weizen, Dinkel und Zwischenfrüchte sät.

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Kompromiss bei den Sonderkulturen

Auf Minders Flächen wachsen Winterweizen, Dinkel, Zuckerrüben, Tabak, Sojabohnen, Körnermais und Rosenkohl, die er in einer sechsjährigen Fruchtfolge anbaut. Die 10 ha Rosenkohl sind für den Betrieb die finanziell lukrativste und wichtigste Kultur, mit der er zu den größten Anbauern in der Schweiz gehört. Die beiden Sonderkulturen Rosenkohl und Tabak führen aber auch dazu, dass der Landwirt in seiner Wirtschaftsweise Kompromisse eingehen muss. Denn beide Kulturen lassen sich nicht direkt in die Vorfrucht einsäen, sie müssen gepflanzt werden.

Die passende Lösung fand der Landwirt im Strip-Till-Verfahren, bei dem ausschließlich der Boden in den Pflanzreihen mit dem Streifenbearbeitungsgerät gelockert wird. Anschließend folgt die Pflanzmaschine, die die Jungpflanzen in die gelockerten Streifen setzt. Um die notwendige Präzision zu erzielen, setzt Minder hierbei auf ein RTK-Signal. Auf den ersten Blick unterscheidet sich der Rosenkohlbestand bei unserem Besuch im August nicht von herkömmlich gepflanztem Kohl. Nur wer einen Blick unter die großen Blätter wirft, entdeckt die Überreste der Getreidestoppeln aus dem letzten Jahr.

In Kreisläufen denken

Doch Minder verzichtet nicht nur auf Bodenbearbeitung. Zu seiner Philosophie gehört auch, dass immer lebende Pflanzen auf dem Acker stehen. Deutlich sichtbar ist das an der Weizenstoppel nebenan, wo gerade das erste Grün der Zwischenfrucht sichtbar wird. Minder hat die Winterbegrünung direkt nach der Getreideernte in die Stoppel ausgesät. Hierbei kommt eine eigene nicht-winterharte Mischung mit acht Komponenten, die u. a. verschiedene Gräser- und Kleearten enthält, zum Einsatz.

Nach später räumenden Kulturen wie Mais sät er hingegen Grünroggen über den Winter aus. Mit den Zwischenfrüchten will er die Konkurrenz durch Unkräuter auf dem Feld so weit wie möglich reduzieren. Auch wenn Glyphosat und andere chemische Pflanzenschutzmittel grundsätzlich ihren Platz auf dem Betrieb haben, versucht er, die eingesetzten Mengen so weit wie möglich zu reduzieren. Deshalb setzt er seit diesem Jahr beim Herbizideinsatz auf Spotspraying. Dafür hat er sich die Präzisionsfeldspritze Ara des Schweizer Herstellers Ecorobotix angeschafft.

Um Nährstoffkreisläufe zu schließen, setzt Minder auf organische Dünger. Dazu düngt der viehlose Betrieb vor allem mit Gülle und Mist, die er im Austausch gegen Stroh von Landwirten aus der Umgebung erhält. Zusätzlich setzt er auf Cultan-Dünger organischer Herkunft, den er mit einem Cultan-Injektor unter Fuß ausbringt. Um sicherzugehen, dass Boden und Pflanzen gut versorgt sind, setzt er Pflanzenanalysen und alle vier Jahre Bodenuntersuchungen nach Kinsey ein. Der Landwirt zeigt den guten Zustand seines Bodens gern am stabilen Bodengefüge und den vielen Regenwurmröhren in einem Spatenausstich.

Auch in der Schweiz weniger Pflanzenschutzmittel

Seinen Boden im optimalen Zustand zu halten, das sieht er als ein wichtiges Werkzeug, um seine Bestände zu ­stärken. Minder erhofft sich, dass die Pflanzen sich so besser gegen Unkräuter und Schädlinge behaupten können. Denn gerade im Rosenkohl hat der Landwirt ein großes Problem, das auch viele deutsche Betriebe kennen: In der Schweiz gibt es kaum mehr zugelassene Insektizide.

Im Rosenkohl sind aktuell noch zwei Mittel gegen die Weiße Fliege verfügbar, eins von ihnen könnte bald wegfallen. „Dadurch drohen uns künftig Resistenzen“, erklärt Minder. Auch deshalb geben immer mehr Landwirte in der Schweiz den Rosenkohlanbau auf. In diesem Jahr konnte Minder dank eines niedrigeren Befallsdrucks auf Fungizide und Insektizide im Rosenkohl verzichten. Stattdessen setzte er nur ein Herbizid vor dem Pflanzen und eine Unter-Fuß-Gabe organischen Dünger ein. Aber ganz ohne Pflanzenschutz geht es für Minder nicht. Durch seine langjährige Erfahrung mit der empfindlichen Kultur ist er aber dennoch optimistisch, dass ihm der Anbau auch in Zukunft gelingen wird.

Ab September beginnt die Ernte der rund 170 t Rosenkohl, die Minder als Frischgemüse innerhalb der Schweiz vermarktet. Möglich ist das aber immer nur bis Ende des Jahres: Ab Neujahr öffnet die Schweiz dann ihre Grenzen für Frischgemüse aus dem Ausland, wie z. B. den Niederlanden. Ab diesem Zeitpunkt ist Minders Rosenkohl am Markt nicht mehr konkurrenzfähig.

Die Ernte des Rosenkohls läuft über eine spezielle Rosenkohlpflückmaschi­ne, die Röschen gehen in den Handel, der Rest der Pflanze geht wieder in den Kreislauf des Ackers ein.

Versuch mit Relay Intercropping

Minder entwickelt seine Wirtschaftsweise stetig weiter und will auch künftig gern Neues ausprobieren. Sein neuester Versuch ist das Relay-Intercropping, das er seit 2020 im Rahmen eines Projekts auf einigen Flächen umsetzt. Hierbei stehen verschiedene Kulturen nebeneinander in Streifen auf einem Acker. In diesem Jahr sind es Mais und Zuckerrüben, im letzten Jahr waren es Soja und Weizen. Relay-Intercropping bedeutet aber auch mehr ­Aufwand: Zwei verschiedene Saatzeitpunkte und zwei verschiedene Ern­tezeitpunkte. Sowohl Aussaat als auch die Ernte der Hackfrüchte führt ein Lohnunternehmer durch.

Hier profitiert Minder davon, dass die Maschinen in der Schweiz oft deutlich kleiner sind als bei den deutschen Nachbarn: Eine Drille mit zwei Säaggregaten und vom Schlepper gezogene Erntetechnik machen den Staffelanbau möglich. Um den Einsatz von Herbiziden im gemischten Bestand zu ermöglichen, setzt Minder bei den Rüben auf sulfonylharnstofftolerante Conviso-Rüben. Bislang ist er sehr zufrieden mit dem System. „Die verschiedenen Arten ergänzen sich gegenseitig“, sagt er. So kann eine Kultur im Schatten der anderen wachsen. Deutlich sichtbar ist das an den Rüben, die im Schatten des Maises noch aufrecht dastehen, während sich die Bestände in der Sonne schon „schlafen gelegt“ haben.

Landwirtschaft im Kanton Fribourg

Der Kanton Fribourg (deutsch: Freiburg) liegt im Westen der Schweiz. Hier fallen über 1.000 mm Niederschlag jährlich, die Durchschnittstemperatur liegt bei 8,7 °C. Der nördliche Teil des Kantons liegt im flacheren Schweizer Mittelland, der Süden ist alpin geprägt. In Fribourg wird auf rund 60 % der Fläche Landwirtschaft betrieben, wovon rund 1/3 auf Ackerfläche entfällt, der Rest ist Grünland. Der Anteil an Biofläche liegt unter 10 % und gehört damit zu den niedrigsten in der Schweiz. Während die Landwirte in den Alpen überwiegend Milchwirtschaft betreiben, liegt der Fokus im Mittelland auf dem Acker- und Gemüseanbau. Neben Getreide und Hackfrüchten wachsen in der Region auch Sonderkulturen wie Tabak und Wein. Die Mehrheit der Fribourger spricht Französisch, rund ein Viertel spricht Schweizerdeutsch.

Transparenzhinweis: Die Autorin verfasste den Beitrag im Zuge des Jahreskongresses der International Federation of Agricultural Journalists in Interlaken (CH). Ihre Teilnahme wurde finanziell von der Lemken GmbH & Co. KG unterstützt.

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