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Virus-Pandemie auf dem Rübenacker

Zahllose Rübenbestände vergilben zurzeit. Verursacher sind Viren und Bakterien, die sich rasend schnell vor allem im Südwesten verbreiten. Forschung und Politik müssen nun für Lösungen sorgen.

Lesezeit: 6 Minuten

Von Woche zu Woche tauchen auf zahllosen Feldern im Südwesten Deutschlands vermehrt Rüben mit gelben Blättern auf – so viele wie seit den 50er Jahren nicht mehr. Ursache sind heute wie damals Virus-Erkrankungen der Rübe, jetzt aber auch noch durch Bakterienkrankheiten verstärkt. Das berichten NIKIZ-Forscher aus Worms, Gießen und Bad Kreuznach.

Die Abkürzung NIKIZ steht für „Nachhaltiges Insekten- und Krankheitsmanagement im Zuckerrübenanbau der Zukunft“ und wird als EIP-Projekt im Rahmen des Entwicklungsprogramms EULLE unter Beteiligung der Europäischen Union (EU) und des Landes Rheinland-Pfalz gefördert.

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Eine Ursache für die deutliche Zunahme der kranken Felder ist, dass durch den Klimawandel Blattläuse rund um das Jahr aktiv bleiben. Sie tragen gefährliche Viren von Pflanze zu Pflanze. Mit dem Klimawandel eingewanderte Zikaden bringen gleichzeitig krankmachende Bakterien aus dem Süden mit. Die Pflanzen vermehren ab dem Zikadenbefall im Mai bis Juli die sogenannten SBR-Krankheitserreger - diese führen in der Folge zu verstopften Leitungsbahnen und gelben Blättern.

Die Viruskrankheiten sind in ganz Europa verbreitet. Die Pandemie auf dem Rübenacker hat nach Aussage der Forscher erhebliche Folgen für die Bauern. Denn: Immer wenn Rübenblätter gelb werden, egal ob durch Bakterien oder Viren, bilden sie 20 bis 40 % weniger Zucker!

Virus- und Bakterienbefall nimmt in Rüben enorme Ausmaße an

Nach aktuellen Erhebungen gelten laut der NIKIZ-Experten 43.900 ha allein im Südwesten Deutschlands als mit Viren befallen. Davon weisen 23.400 ha mittleren bis schweren, bereits von Weitem sichtbaren Virenbefall auf. Dieser könne im nächsten Jahr zu einer Katastrophe führen.

Im derzeitigen Anbaujahr rechnet man mit schwerem Befall in Baden-Württemberg auf ca. 7.000 ha, in Rheinland-Pfalz sogar auf 11.000 ha insbesondere in der Südpfalz. In Hessen sind vor allem im südlichen Teil ca. 5.400 ha schwer betroffen.

„Wir erwarten auf ca. 20.000 ha auch Doppelinfektionen, die sich jetzt auf den ersten Blick nicht unterscheiden lassen. Das müssen unsere Analysen erst zeigen“, erklärt Oliver Martinez, der die Laboruntersuchungen für NIKIZ am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Bad Kreuznach leitet. Eine exakte Aussage sei somit erst nach Abschluss der Analysen möglich. Die Berater des öffentlichen Dienstes haben die bedrohlichen Zahlen bestätigt.

Fest steht: Zikaden und Blattläuse fühlen sich in warmen Klimazonen besonders wohl. Und die Übertragung der krankmachenden Keime ins nächste Jahr gilt in den stärker befallenen Regionen durch überwinternde Schädlinge im Südwesten als gesichert. Nach der Gelbfärbung – so die Experten – kommt Alarmstufe Rot. Wenn die Landwirte aufgrund zu geringer Zuckererträge keine Wirtschaftlichkeit mehr erzielen und ihren Anbau daher einstellen müssen, seien auch Werksstandorte gefährdet.

Besonders betroffen vom Virenbefall durch Blattläuse sind geografisch ausgedrückt der Rheingraben, die Pfalz, Südhessen, der Kraichgau, das Strohgäu und Hohenlohe – also Kerngebiete des Rübenanbaus um die wichtigen Fabriken Offenau und Offstein herum.

Dass die Zikade krankmachende Bakterien überträgt, die in Baden-Württemberg ca. 14.000 ha, in Rheinland-Pfalz 4.000 ha und in Hessen 2.000 ha befallen haben, kommt erschwerend hinzu. Gegen die Zikade hilft nur mehr Forschung.

Großes Monitoring startet, die Forschung ist gefordert

„Fabriken und Anbauer stehen bereits durch die Öffnung des EU-Marktes für Billigimporte aus Übersee verstärkt unter wirtschaftlichem Druck. Dazu kommen teils massive Wettbewerbsverzerrungen zulasten der deutschen Landwirte, insbesondere im Hinblick auf Subventionszahlungen und Pflanzenschutzmittelzulassungen – und jetzt schlagen noch die Schädlinge zu“, so Projektkoordinator Dr. Christian Lang.

Das Jahr 2020 sei ein Traumjahr für Blattläuse gewesen, die sich in riesiger Zahl schon vor Erscheinen der ersten Rüben vermehrt und diese unmittelbar befallen haben. Das NIKIZ-Team erwartet nach aktuellen Prognosen bis Dezember keinen kalten Winter. Genau das veranlasst die Schädlingsexperten zu großer Sorge um die nächstjährige Ernte. „Wenn der Winter wie angekündigt wieder warm wird, können virenbeladene Blattläuse in bisher unbekannter Anzahl die Rüben des nächsten Jahres befallen“, warnt Lang.

Die NIKIZ-Forscher bieten in dieser Lage bestmögliche Unterstützung an. Im Rahmen des Projektes ist vor zwei Wochen das größte Monitoring aller Zeiten im Südwesten gestartet. Mindestens 4.000 Untersuchungen sollen in den nächsten drei Monaten in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen erfolgen. Dabei soll auch eine Karte entstehen, die die Verbreitung der Virus- und Bakterienkrankheiten sichtbar macht.

Doch die Schädlings-problematik hat inzwischen so eine Dimension erreicht, dass die benötigten Lösungen nicht alleine innerhalb der NIKIZ-Forschungskooperation erarbeitet werden können. „Es besteht dringender Handlungsbedarf, um die Ausbreitung von Rübenschädlingen in den Griff zu bekommen“, betont Prof. Dr. Vilcinskas, Direktor des Instituts für Insektenbiotechnologie der Justus-Liebig-Universität Gießen und Leiter des Standortes Gießen im Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie. Er sieht die Gefahr für die Rüben bedrohlich näher rücken. Allein in diesem Jahr seien die Zikaden gut 30 km weiter nach Norden vorgestoßen.

Gerade in Südhessen ist der Vormarsch der Zikaden enorm schnell. Für Vilcinskas steht daher fest: „Es braucht erheblich höhere Forschungsmittel, um einem so gefährlichen Schädling entgegenzutreten, dessen Siegeszug gerade erst begonnen hat!“

„Wichtig ist nun mehr Unterstützung bei der Erforschung von Alternativen und wirksamen Pflanzenschutzmitteln“, erklärt die Forschungskooperation. Berater und Landwirte in den drei südwestdeutschen Bundesländern wurden durch das NIKIZ-Team in den letzten Wochen bereits aufgerufen, Proben einzusammeln.

Auf Basis der aktuellen Lageeinschätzung könne die Politik allerdings schon jetzt handeln, meinen die Forscher. Schließlich habe man bereits vor drei Jahren auf die Entwicklung aufmerksam gemacht. Bisher sei das eingetreten, was man prognostiziert habe. Die Pandemie auf dem Rübenacker weite sich nahezu ungebremst aus. Umso länger man warte, umso schlimmer würden die Folgen, warnen die NIKIZ-Forscher. Bilder, wie sie aktuell in der Schweiz und Frankreich mit zehntausenden kranken Rübenfeldern zu sehen sind, seien sonst auch in Deutschland die unvermeidbare Folge.

Frankreich hat Maßnahmenpaket bereits beschlossen

Mit Unterstützung der französischen Umweltministerin hat die französische Regierung durch ein Gesetz im Eiltempo bereits ein Maßnahmenpaket gegen Rübenkrankheiten beschlossen. Dies sieht auch die Zulassung von wirksamen Beizmitteln vor. Auch in der Schweiz schimmern die Hälfte der Rübenfelder „virusgelb“. Dort fehlen wirksame Pflanzenschutzmittel seit Jahren.

In Frankreich – so Lang - will Macron jetzt den Untergang der Zuckerindustrie verhindern. Die Hauptüberträger der Viruskrankheiten, die Grünen Pfirsichblattläuse, sollen mit Saatgutbehandlung der Rübensamen so lange bekämpft werden dürfen, bis man Alternativen gefunden hat. Gleichzeitig will man in Frankreich Landwirte für den Schaden entschädigen, der durch das Pflanzenschutzmittelverbot entstanden ist. Zudem unterstützt die französische Regierung die Forschung nach Alternativen mit 5 Mio. €.

Österreich folgt jetzt wohl in gleicher Weise diesem Beispiel, da der Zuckerhersteller Agrana wegen tausender vom Rüsselkäfer kahlgefressener Felder eine Fabrikschließung für das nächste Jahr angedroht hat. Dort soll 1 Mio. € in die Forschung fließen.

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