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Pflanzenschutz - wie geht es weiter?

Agrarminister Özdemir will an der Farm-to-Fork-, der Ackerbaustrategie und am Insektenschutzpaket festhalten – alle Ansätze fordern u. a. eine Reduktion von Pflanzenschutzmitteln.

Lesezeit: 7 Minuten

Putins Angriffskrieg auf die Ukraine rückt die Themen Versorgungssicherheit und Ressourcenabhängigkeit wieder in den Vordergrund. Für Agrarminister Cem Özdemir ist das aber kein Anlass, beim Klima-, Gewässer- und Insektenschutz nachzulassen. „Wenn wir jetzt vom Recht auf Nahrung sprechen, dann sollten wir nicht die Axt an Klima- und Naturschutz legen“, sagte er kürzlich in einem top agrar-Interview. Den Stand der europäischen und nationalen Regelungen, mit denen die Politik die Land und Ernährungswirtschaft fit für die Zukunft machen will, stellen wir nachfolgend vor. Fest steht dabei: Der Pflanzenschutz wird sich verändern.

Pflanzenschutz: Die wichtigsten Regelungen im Überblick

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Weil die Regelwerke sehr umfangreich sind, beschränken wir uns auf die Kernelemente:

Die Farm-to-Fork-Strategie (F2F) der EU ist ein wesentlicher Teil des Green Deals, der Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen soll. Die F2F-Strategie, die am 20. Mai 2020 von der EU-Kommission veröffentlicht wurde, schafft einen Rechtsrahmen für den Aufbau eines „nachhaltigen Lebensmittelsystems“ und enthält Vorschläge für 27 Initiativen, die im Laufe der nächsten Jahre in Gesetzesvorschlägen münden sollen.

In puncto Pflanzenschutz will die Kommission im Juni ihren Vorschlag für eine neu überarbeiteteEU-Pflanzenschutzverordnungvorlegen. Damit will sie eine Halbierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes gesetzlich festschreiben. Zudem soll vor allem der Einsatz von Präparaten mit höherem Risiko deutlich gesenkt werden. Gemeint sind damit Mittel, die Wirkstoffe enthalten, die den Ausschlusskriterien der VO (EG) Nr. 1107/2009 entsprechen und als Substitutionskandidaten eingestuft wurden.

Um den Weg für Alternativen zu ebnen, will die Kommission eine Reihe von Maßnahmen ergreifen. So will sie z.B. dieBestimmungen zum Integrierten Pflanzenschutzin den Fokus rücken und damit den verstärkten Einsatz alternativer Methoden, wie erweiterte Fruchtfolge oder mechanische Unkrautkontrolle, fördern. Nach eigenen Angaben wird sie auch das Inverkehrbringen von biologischen Präparaten erleichtern.

Gleichzeitig mit der F2F-Strategie hat die EU-Kommission auch dieBiodiversitätsstrategieveröffentlicht, die ebenfalls ein wichtiges Element des Green Deals darstellt. Sie soll im Kern den Verlust der biologischen Vielfalt stoppen und Ökosysteme langfristig schützen. Das Papier enthält über die Einrichtung von Schutzgebieten auch Forderungen zur Pflanzenschutzmittelreduktion.

Dienationale Ackerbaustrategie des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL)bis 2035 soll als Diskussionsgrundlage dienen. Das BMEL will darin Perspektiven für die Landwirtschaft aufzeigen und bei der Umsetzung unterstützen. Die Strategie gliedert sich im Kern in sechs Leitlinien (Versorgung mit Nahrungsmitteln sicherstellen, Einkommen der Landwirte sichern, Umwelt- und Ressourcenschutz stärken, Biodiversität bewahren, den Klimaschutz ausbauen und die gesellschaftliche Akzeptanz erhöhen).

Mit Blick auf den Pflanzenschutz lehnt sich das BMEL an die F2F-Strategie an. Ziel ist es z.B. auch hier, bis 2030 den Einsatz von Mitteln, die nicht als „low-risk-product“ im Sinne des EU-Pflanzenschutzrechts eingestuft sind, deutlich zu senken.

Im Rahmen desAktionsprogramms Insektenschutztrat im September 2021 die novellierte Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung inkraft. Diese verbietet den Einsatz von Glyphosat – zusätzlich zu den Naturschutz gebieten – nun auch in Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten sowie die Spätanwendung vor der Ernte. Für Flächen, die nicht in solchen Gebieten liegen, gelten neue Einschränkungen. Welche das sind, erfahren Sie unter www.topagrar.com/glyphosat2022.Zudem schreibt die Verordnung Folgendes vor: Beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln entlang von Gewässern, ausgenommen sind kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung, gilt ab Böschungsoberkante ein Abstand von 10 m. Dieser lässt sich auf 5 m reduzieren, wenn eine ganzjährig begrünte Pflanzendecke vorhanden ist.

Auch bei der Umsetzung derGemeinsamen Agrarpolitik (GAP)geht es u. a. um den Pflanzenschutz. So soll ab 2023 über die sogenannten Ökoregelungen der Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel gefördert werden (rund 130 €/ha für Acker- oder Dauerkulturflächen, ca. 50 €/ha für Gras, Grünfutterpflanzen und Futterleguminosen). Zwischenfazit: Alle Regelungen verfolgen u. a. das Ziel, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel deutlich zu senken.

Der Wirkstoffverlust schreitet voran

Diese politischen Forderungen treffen auf einen bereits seit Jahren andauernden Wirkstoffverlust. So konnte man z.B. den Wirkstoff Epoxiconazol 2021 letztmalig anwenden. Auch der Wirkstoff Mancozeb, der gegen Kraut- und Knollenfäule breit zum Einsatz kam, ist nun weggefallen.

Der Hintergrund dafür ist, dass die EU im Rahmen der Neubewertung alter Wirkstoffe verschiedene Ausschlusskriterien, die sogenannten Cut-off-Kriterien, festgelegt hat. Die Beurteilung erfolgt heute nach dem Vorsorgeprinzip. Dabei versucht man, die mögliche Gefahr des unverdünnten Wirkstoffs für Mensch, Tier und Umwelt zu ermitteln. Den vorherigen risikobasierten Ansatz hat die EU aufgegeben. In der Folge lassen sich viele Azole nach Ablauf der alten Zulassung nicht mehr verwenden. Wie aus der F2F-Strategie ersichtlich, wird die EU die Zulassungshürden für chemische Mittel keinesfalls mehr runterschrauben, sondern eher hoch.

Doch bleiben die politischen Reduktionsziele und das verschärfte Zulassungsverfahren ohne Folgen? Eher nicht, wie sich im Jahr 2020 z. B. im Rübenanbau zeigte. So grassierte nach dem Verbot der Neonikotinoide die durch Blattläuse übertragene viröse Rübenvergilbung. Und zwar so massiv, dass Länder wie Frankreich und Österreich Notfallpakete zur Stützung des Zuckersektors schnüren mussten.

Weil durch die schärfere EU-Bewertung Wirkstoffe und teils auch Wirkstoffgruppen wegfallen, verstärkt die einseitige Nutzung der verbliebenen Wirkstoffe zudem die Resistenzproblematik – ein Teufelskreis. Ein funktionierendes Resistenzmanagement ist laut Julius Kühn-Institut auch in den großen Ackerkulturen schon jetzt nicht mehr möglich.

Integrierter Pflanzenschutz als Weg der Zukunft?

Doch wie kann es vor diesem Hintergrund noch gelingen, unsere Kulturen gesund und widerstandsfähig zu halten? Am ehesten – so die Meinung vieler Landwirte und Berater – indem man die Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes mehr denn je beherzigt. Sie besagen u. a. Folgendes: Unter Ausnutzung aller alternativer, phytosanitärer Maßnahmen muss der chemische Pflanzenschutz am Ende der pflanzenhygienischen Maßnahmen stehen.

Sicherlich ist die Gestaltung phytosanitärer Anbausysteme die Kür des Pflanzenschutzes. Dabei kommt es z.B. auf eine geschickte Sortenwahl und Fruchtfolge an. Auch kann in bestimmten Situationen eine wendende Bodenbearbeitung sinnvoll sein, um das Inokulumpotential von Pilzen zu reduzieren. Zudem geht es um eine an die Witterung angepasste Fungizidintensität (auch mithilfe von Prognosemodellen) und um eine bestmögliche Nährstoffversorgung der Kulturen – denn nur optimal versorgte Pflanzen sind widerstandsfähig. Wichtig ist obendrein, wann immer möglich, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel mit besseren Ausbringtechniken, Bandspritzungen oder mechanischen Verfahren zu beschränken. Letztlich kommt es auf ein möglichst gutes Zusammenspiel dieser und weiterer Faktoren an.

Auch über neue Anbausysteme nachdenken?

Um die künftigen Herausforderungen zu meistern, gibt es auch völlig neue Ansätze, wie z.B. das sogenannte Controlled Row Farming (CRF), das kürzlich von der DLG prämiert wurde. Initiiert wurde das Projekt 2020 von den Firmen Amazone, Schmotzer und Agravis. Im Kern geht es um ein neu konzipiertes Ackerbauverfahren, bei dem alle Kulturen mit einer festen Reihenweite von 50 cm angebaut werden (Getreide wird dann in Doppelreihen von 2 x 12,5 cm gesät). Das soll z.B. den Einsatz einer Hacke plus Bandspritzung und die Anlage von Untersaaten in allen Kulturen ermöglichen. Zudem lässt sich die Düngung dann reihenweise durchführen.

Erste Ergebnisse aus dem Projekt sind in puncto Feldaufgang und Ertrag vielversprechend. So lagen die CRF-Varianten auf einem Versuchsstandort in Niedersachsen mit den betriebsüblichen fast gleichauf. Allerdings erfordert das Konzept eine Umstellung der Technik. Informationen über den aktuellen Stand des Projekts finden Sie auf der CRF-Infoseite.

Fazit

Die politische Ausrichtung zeigt, dass sich Pflanzenschutz und Ackerbau in Zukunft verändern werden. Wichtig ist, alle Möglichkeiten im Rahmen des Integrierten Pflanzenschutzes und auch der Digitalisierung wirklich zu nutzen. Denn letztendlich wird es auch davon abhängen, ob dringend benötigte Mittel, z.B. gegen Pilzkrankheiten, Ungräser und Schädlinge, im Markt bleiben.

Zusammen mit der unabhängigen Beratung empfiehlt es sich daher, sein Anbausystem auf den Prüfstand zu stellen und zukunftssicher zu machen. Dabei muss eine Balance zwischen maßvoller Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und notwendigen Maßnahmen gelingen.

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