Die Wissenschaft ruft immer eindringlicher nach einer Änderung des EU-Gentechnikrechtes. Mehr als 130 Akteure der akademischen Pflanzenforschung haben sich am Montag in einem Offenen Brief an Bundesbildungsministerin Anja Karliczek und an Bundeslandwirtschaftsministerin, Julia Klöckner gewandt. Darin fordern sie eine „differenzierte Bewertung“ der sogenannten neuen Züchtungstechniken, des Genome Editing. „Die Anwendungen des Genome Editing braucht klare Richtlinien, aber – und das ist essentiell – auf einer deutlich differenzierteren Ebene, als sie pauschal unter die strengen Regularien des Gentechnikgesetzes zu verbannen“, sagte der Präsident des Dachverbandes der Biowissenschaften Prof. Bernd Müller-Röber.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Sommer 2018 die neuen Züchtungstechniken wie CRISPR Cas dem restriktiven Gentechnikrecht unterstellt. Bliebe das Urteil des EuGH das letzte Wort und die EU-Gesetze wie sie sind „haben die Anwendungen des Genome Editing in der Europäischen Union kaum eine Chance“, schreiben die Wissenschaftler an Karliczek und Klöckner. Die Folge wären Nachteile bei der Entwicklung von klimaresistenten, nährstoffreicheren und ertragreicheren Nutzpflanzen, formulieren es die Wissenschaftler in ihrem offenen Brief weiter. Außerdem befürchten die Wissenschaftler eine Abwanderung von Pflanzenforschern mit ihrem Know-how aus Europa, weil sie hier keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr sehen.
Die deutschen Pflanzenforscher reihen sich mit ihrer Forderung ein in eine ganze Reihe von Appellen von Wissenschaftlern, die rund um das EuGH Urteil veröffentlicht wurden. Anfang November hatten sich die wissenschaftlichen Berater der Europäischen Kommission für eine Überarbeitung des geltenden EU-Rechts zur Gentechnik ausgesprochen. Ende August hatte der Bioökonomierat, der die Bundesregierung forschungspolitisch berät, selbiges empfohlen.
Die EU-Kommission analysiert derzeit das Urteil des EuGH vom Sommer zu den neuen Gentechnikmethoden wir CRISPR/CAS und ist mit den EU-Mitgliedstaaten in Gesprächen über mögliche Konsequenzen. Die Bundesregierung hatte im Vorfeld des Urteils immer betont, sie wolle sich bei ihrer Bewertung der neuen Züchtungsmethoden am EuGH orientieren. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD vom Februar 2018 hieß es dazu: „Im Anschluss an die noch ausstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu den neuen molekularbiologischen Züchtungstechnologien werden wir auf europäischer oder gegebenenfalls nationaler Ebene Regelungen vornehmen, die das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit gewährleisten.“