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Politisch angeordnete Pflanzenschutzverbote sind fachlich zweifelhaft

Es heißt immer: Die Versorgungssicherheit wird gefährdet. Aber den Entwurf der EU-Kommission und erst recht die „Wiener-Vorschläge“ können wir auch aus anderen Gründen nicht nachvollziehen.

Lesezeit: 4 Minuten

Ein Kommentar von Thomas Preuße, DLG-Mitteilungen.

In Brüssel plant die EU-Kommission, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel massiv zu beschränken. Viele Mitgliedstaaten wollen das jedoch nicht mit sich machen lassen.

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Wer mit chemischen Pflanzenschutzmitteln umgeht, der hat in den letzten Jahren viel erlebt. Ein veränderter Fokus bei der Risikobewertung hatte bereits 2009 dazu geführt, dass bei der Zulassung nicht mehr die Anwendung im Fokus steht, sondern das Mittel an sich, egal wie es eingesetzt wird.

Wirkstoffe wie Glyphosat und Neonikotinoide werden nur noch politisch diskutiert. Die „Verordnung zum nachhaltigen Pflanzenschutz“ (Sustainable Use Regulation, SUR) macht dies nun zur Regel: Dem chemischen Pflanzenschutz wird unterstellt, dass er grundsätzlich schlecht sei für Gesundheit, Klima und Biodiversität.

Eine Studie der EU-Kommission vom Januar 2023 schreibt dem „intensiven Landwirtschaftsmodell“ sogar eine langfristige Gefährdung der Ernährungssicherheit zu. Hier ein paar Punkte, die mir übel aufstoßen.

Die Begründung

Die SUR wird vor allem mit der sinkenden Biodiversität begründet. Auch als Landwirte sollten wir nicht bestreiten, dass der Pflanzenschutz einen Teil dazu beiträgt. Wer aber im Bereich der Landwirtschaft wirklich etwas für Artenzahlen und Artenvielfalt tun will, der muss die Vernetzung von Landschafts- und Feldstrukturen fordern und fördern.

Dort „spielt die „ Musik“ und weniger auf der Produktionsfläche, auf der in jedem Anbausystem der Ertrag im Vordergrund steht.

Der Hintergrund

Wenig bekannt ist, dass die SUR auf einem Bericht des europäischen Rechnungshofes basiert. Der hatte festgestellt, dass es mit der Umsetzung des Integrierten Pflanzenschutzes in vielen EU-Ländern hapere. Dem kann man nicht grundsätzlich widersprechen, auch wenn Deutschland noch vergleichsweise gute Noten bekam.

Denn natürlich erfordern Stoppelweizen oder Raps, erst recht Kartoffeln oder Sonderkulturen eine höhere „chemische Grundausstattung“. Im Ökolandbau besteht diese oft aus Kupfer. Der Plan jedoch, bei wirklich jeder Pflanzeschutzmaßnahme begründen zu müssen, warum es nicht anders ging, ist wirklichkeitsfremd: Rentabilität geht in der Praxis im Zweifelsfall vor Reduktion, und der Dokumentationsaufwand ist groß.

Man könnte die Anwendung bestimmter Mittel nur nach „Rezept“ (Warnaufruf) gestatten, aber das dürfte die derzeitigen Möglichkeiten der Pflanzenschutzämter übersteigen.

Das Reduktionsziel

Man könnte wohlwollend sagen: Irgendein Ziel muss man haben, sonst bewegt sich gar nichts. Und es ist auch nicht so, dass jeder Betrieb für sich die 50 % (in Deutschland 55 %) einsparen muss. Nur: Ohne veränderte Anbausysteme ist das Wolkenkuckucksheim.

Fruchtfolgen würden entweder Mais-lastiger werden oder angesichts offener Märkte Ausgleichsmittel benötigen. Letztere sind zwar prinzipiell in der SUR angesprochen, aber in der Realität nicht vorhanden bzw. müssten aus einer Gemeinsamen Agrarpolitik kommen, die frühestens 2028 startet. 25 % wäre dagegen ein Ziel, mit dem der Ackerbau wohl klarkäme.

Die Indikatoren

Die Formel heißt „Reduktion in Menge und Risiko“. Der von der EU-Kommission verwendete „Harmonisierte Risiko-Indikator“ (HRI) kombiniert die Wirkstoffmengen mit vier Risikofaktoren. Falls Glyphosat europaweit verboten wird, wäre allein damit wegen der vergleichsweise hohen Verbrauchsmengen in den bisherigen Bezugsjahren 2011 – 2013 und einem hohen Risikofaktor das Reduktionsziel in Deutschland fast erreicht.

Man könnte sagen: Prima, dann machen wir das so! Fachlich problematisch ist es trotzdem. Auch die Bezeichnung von Substitutionskandidaten als „gefährlich“ ist nicht begründet. Es gibt wohl relativ noch bessere Mittel, aber absolut gefährlich muss ein Substitutionskandidat deshalb nicht sein.

Zweierlei Maß

Das Risiko bzw. die „Gefährlichkeit“ von Pflanzenschutzmitteln sollte im Zulassungsprozess geklärt werden. Man kann diesen weiter verschärfen. Aber warum jetzt eine zweite Dimension in Form von Reduktionszielen und Anwendungsverboten in sensiblen Gebieten? Und warum soll der Ökolandbau dabei quasi Narrenfreiheit genießen?

Fazit

In den letzten Jahren hat sich eine schon fast fundamentalistische Ablehnung des chemischen Pflanzenschutzes und gleichzeitig eine Überhöhung des Ökolandbaus herausgebildet. Beides ist die Grundlage der neuen Pflanzenschutz-Verordnung.

Das Schlimme dabei: Bei massiven Folgen für die Landwirtschaft werden die eigentlichen Ziele kaum erreicht. Selbst eine deutliche Verminderung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes würde weniger auf Gesundheit, Klimaschutz und Biodiversität einzahlen, als das unterstellt wird.

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