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Prof. Kogel zum RNA-basierten Pflanzenschutz

Der RNA-basierte Pflanzenschutz ist ein neues Verfahren zur Schädlings- und Krankheitskontrolle. Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel von der Uni Gießen erklärt, wie es funktioniert.

Lesezeit: 4 Minuten

top agrar: Im Pflanzenschutz fallen immer mehr Wirkstoffe weg. Einige Krankheiten, wie z.B. Ramularia in Gerste, werden künftig kaum noch kontrollierbar sein. Mit dem sogenannten RNA-basierten Pflanzenschutz hat die Wissenschaft nun ein neues Verfahren gegen bestimmte Erreger entwickelt. Wie funktioniert es und gegen welche Krankheitserreger wirkt es?

Kogel: Als Fachleute sehen wir mit großer Sorge, dass den Landwirten immer weniger wirksame Mittel zur Verfügung stehen. In der Wissenschaft müssen wir auf diese politikgetriebenen Entwicklungen reagieren. Bislang basieren alternative Verfahren meist auf biologischen Extrakten oder nützlichen Organismen. In einigen Kulturen wirken sie zwar gut, für den breit aufgestellten Ackerbau – das muss man klar sagen – reichen sie jedoch nicht. Wie brauchen also neue Ideen.

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RNA-basierte Verfahren können ein Mittel sein, die Situation mittelfristig etwas zu entschärfen. Dabei machen wir uns ein biologisches Phänomen zunutze: Lebewesen, wie auch Insekten und Pilze, haben im Laufe der Evolution natürliche Mechanismen entwickelt, sich gegenüber eindringender doppelsträngier Ribonukleinsäure, wir sagen dazu dsRNA, zu schützen. Weil viele Viren dsRNA besitzen, ist es für alle Wirtsorganismen wichtig, diese Viren möglichst effizient abzufangen, indem sie deren dsRNA zerstören.

Der zugrunde liegende molekulare Mechanismus heißt RNA-Interferenz und dessen Entdeckung wurde im Jahr 2006 mit dem Nobelpreis für Medizin an die amerikanischen Wissenschaftler Craig Mello und Andrew Fire honoriert.

Im Pflanzenschutz nutzen wir diesen natürlichen Mechanismus, indem wir ausgewählte dsRNA verwenden, die gegen Schadinsekten und mikrobielle Krankheitserreger, wie Schadpilze und Viren, wirksam ist. Kurz gesagt, führt die Aufnahme von dsRNA im Schadorganismus dann zu einer gezielten Inaktivierung wichtiger Stoffwechselfunktionen und damit zu einer wirksamen Kontrolle der Pflanzenkrankheit.

Dies beruht darauf, dass wir dsRNA wählen, die komplementär – also sequenzgleich – zu wichtigen natürlichen RNAs des zu bekämpfenden Organismus ist. Dann baut der Schadorganismus in einer Immunreaktion nicht nur die applizierte dsRNA ab, sondern gleichzeitig auch – für ihn fatal – seine eigenen RNAs, welche dieselbe Sequenz wie die dsRNA aufweisen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass der zu bekämpfende Organismus sich selbst zerstört. Das Verfahren ist demnach hochspezifisch und sehr effizient.

Wann ist die Methode in etwa praxisreif?

Kogel: Einzelne Produkte mit diesem Wirkprinzip sind schon auf dem Markt. Das sind beispielsweise Mittel gegen bestimmte Insektengruppen. Daher bin ich sehr optimistisch, dass die Markteinführung auch in Europa sehr bald erfolgen kann.

Allerdings steckt die Anwendung im Bereich der durch Pilze hervorgerufenen Krankheiten noch im Laborstadium. Aber wir finden gute Effekte gegenüber einigen Gruppen von Krankheitserregern, wie z.B. dem Grauschimmelerreger Botrytis oder dem Welkeerreger Verticillium. Es gibt einen enormen Vorteil von dsRNA gegenüber den meisten anderen uns zur Verfügung stehenden Mitteln: So lässt sich dsRNA gegen sehr unterschiedliche Schadorganismen einsetzen und ist schnell sowie kostengünstig verfügbar – vorausgesetzt, die Wissenschaft hat alle grundlegenden Fragen geklärt.

Wie würde eine Behandlung in der Praxis aussehen? Sind es eher Beiz- oder Spritzapplikationen?

Kogel: Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten des Einsatzes: Einerseits wäre eine direkte Applikation auf die Pflanzen mittels Spritzbehandlungen oder Beizungen sehr gut möglich. Andererseits – und das ist dann bei uns wieder problematisch – könnte die Pflanzenzüchtung in relativ kurzer Zeit Pflanzen zur Verfügung stellen, die von sich aus dsRNA bilden und damit immun gegen Insekten und Krankheitserregern wären.

Für einen Wissenschaftler, der sich intensiv damit beschäftigt, ist es nicht verwunderlich, dass die mit biotechnologischen Methoden hergestellten Pflanzen sehr viel bessere Resultate bei der Krankheits- oder Schädlingsbekämpfung zeigen, als Sprühapplikationen oder Beizungen.

Wie ist das Verfahren einzuordnen – eher biologisch oder gentechnisch? Wie stehen die Chancen, dass die Methode in Deutschland zugelassen wird?

Kogel: Zu erwarten ist, dass direkte Applikationsverfahren in Deutschland bzw. Europa bald zugelassen werden. Denn es handelt sich um ein biologisches Verfahren, da RNA in allen Organismen in hoher Menge vorhanden ist.

Mittels modernen Pflanzenzuchtverfahren hergestellte Pflanzen, die selbst dsRNA produzieren und damit resistent gegen Schadorganismen sind, scheinen für deutsche Landwirte hingegen leider wohl noch in ferner Zukunft. Nach der jetzigen Rechtsauffassung handelt es sich um Pflanzen, die dem Gentechnikgesetz unterliegen. Auch wenn die Vermarktung dieser Pflanzen aus Sicht der Wissenschaft ein sehr kluger Weg wäre, der den Landwirten substanziell helfen könnte, bewegt sich da nach meiner Einschätzung in nächster Zeit nur wenig.

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