Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Maisaussaat Stilllegung 2024

topplus Kommentar

Prof. Schönberger: "Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln hat klare Grenzen"

Pflanzenschutzmittel werden nur zugelassen, wenn sie die Umwelt nicht schädigen. Umso unverständlicher ist es für Fachleute, dass die EU-Kommission die Mittel schlecht redet und reduzieren will.

Lesezeit: 5 Minuten

Ein Kommentar von Prof. Dr. Hansgeorg Schönberger. Er gründete 1986 das private Beratungsunternehmen N.U. Agrar GmbH. Als Dozent und Berater ist er europaweit tätig.

Was Pflanzenschutz können soll und was nicht, ist klar definiert. So beschreibt der Nachhaltige Aktionsplan Pflanzenschutz (NAP) den Integrierten Pflanzenschutz folgendermaßen:

Das Wichtigste zum Thema Ackerbau dienstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

„Aufgabe des modernen Pflanzenschutzes ist, Schäden an Nutzpflanzen und die Belastung des Erntegutes durch Schaderreger, Unkräuter oder andere Einflussfaktoren zu verhindern oder zu mindern. Die dafür eingesetzten Verfahren dürfen jedoch kein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt darstellen. Vielmehr sollen sie natürliche Regelmechanismen der Agrarökosysteme erhalten.“

Das europäische und das deutsche Pflanzenschutzrecht gewährleisten, dass nur Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht werden, die auf ihre Umweltauswirkungen geprüft wurden. Die Umweltprüfung in Deutschland erfolgt im Rahmen des Zulassungsverfahrens durch das Umweltbundesamt.

Trotzdem heißt es in einer Mitteilung der EU-Kommission hinsichtlich der Farm-to-Fork-Strategie im Mai 2020: „Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft führt zur Verschmutzung von Böden, Gewässern und der Luft.“ Die Kommission wird – so wörtlich – weitere Maßnahmen ergreifen, um bis 2030 den Einsatz von und das Risiko durch chemische Pestizide insgesamt um 50 % und den Einsatz von Pestiziden mit höherem Risiko ebenfalls um 50 % zu verringern.

Schlag ins Gesicht der Behörden

Das Papier der EU vom 20.05.2020 ist ein Schlag ins Gesicht der Zulassungsbehörden. Denn haben diese ihre Aufgaben ernst genommen, ist eine Belastung der Umwelt mit schädigenden Pflanzenschutzmitteln bei sachgemäßer Anwendung nicht zu erwarten. Dann ist das EU-Papier reiner Populismus und eine Verbeugung vor den NGO (Nicht­regierungsorganisationen) und deren Meinungsmache.

Bei dem Ziel der EU bleiben obendrein viele wichtige Fragen offen: Wie soll die Forderung nach einer Halbierung der Pflanzenschutzmittel erfüllt werden? Durch Halbierung der Aufwandmengen oder durch weniger häufige Anwendungen? Auf welche Ausgangsdaten bezieht sich die Forderung?

Generell ist auch Folgendes zu bedenken: Jeder Eingriff in einen Organismus hat Nebenwirkungen, die mehr oder weniger häufig und stark auftreten. Ein aktuelles Beispiel dazu sind die Impfungen gegen COVID-19. Greifen wir in diesem Zusammenhang den Gedankengang des EU-Papiers auf, müssten wir die Impfdosis halbieren, um die Nebenwirkungen zu reduzieren.

Im Umkehrschluss hieße das für den Pflanzenschutz: Wenn eine Halbierung der Mengen möglich wäre, ohne dass Einbußen an Ertrag und Qualität zu erwarten sind, haben die Landwirte bislang viel zu viel gespritzt.

Gegen diese Theorie spricht allerdings, dass die maximalen Aufwandmengen durch die Zulassungsbehörden festgelegt werden. Zudem neigen die Landwirte von sich aus schon dazu, die Mengen abhängig von der Situation zu reduzieren. Der Spielraum für Mittel­reduktionen ist geringIn der Praxis ist der Spielraum für eine weitere Reduktion daher gering – das gilt insbesondere bei Insektiziden und Herbiziden.

Der Aufwand an Herbiziden kann eingeschränkt werden, wenn der Unkrautbesatz innerhalb des Schlages lokalisiert werden kann und man dort eine Teilflächenbehandlung durchführt. Allerdings ist dabei zu vermeiden, dass die Samenbank im Boden immer mehr aufgefüllt wird. Durch mechanische Verfahren der Unkrautbekämpfung bleibt immer noch ein Restbesatz an Unkräutern und -gräsern übrig, der das Samenpotenzial im Boden ansteigen lässt.

Und übrigens: Die von der EU propagierte mechanische Unkrautkon­trolle hat auch Nachteile, z. B. hinsichtlich einer höheren CO2-Emission im Vergleich zum Herbizideinsatz oder der Störung von Bodenbrütern.

Die Anwendung von Fungiziden lässt sich durch Fruchtfolgegestaltung, intensivere Bodenbearbeitung und Sortenwahl reduzieren. Das erfordert aber eine exakte Terminierung und damit die intensive Beobachtung der Entwicklung von Krankheiten. Eine Differenzierung der Aufwandmengen innerhalb eines Schlages ist möglich, sofern kurativ wirkende Mittel zur Verfügung stehen.

Leben auf Kosten anderer

Aber: Wenn der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln doch mit unerträglichen Nebenwirkungen verbunden ist – wie es in der Farm-to-Fork-Strategie der EU steht – dann müssen Pflanzenschutzmittel konsequenterweise ganz abgeschafft werden. Das gilt dann auch für die Bio-Produktion: Wenn diese richtig ist, müssen 100 % der Betriebe auf Bio umstellen – und nicht nur 25 %, wie die EU ankündigt.

Warum fordert aber keiner den Totalverzicht auf Pflanzenschutzmittel oder gleich 100 % ökologischen Anbau? Die Antwort: Weil wir damit unsere Bevölkerung nicht satt bekommen. Zudem würde unsere Wirtschaft den Bach runtergehen, da wieder mehr Menschen in der Landwirtschaft arbeiten müssen, um Unkräuter zu jäten und Schädlinge abzusammeln.

In der Konsequenz werden wir dann 40 % unserer Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt kaufen. Da aber die weltweit zur Verfügung stehende Fläche begrenzt ist, muss die Produktion in Drittländer unter den dort wesentlich empfindlicheren ökologischen Bedingungen intensiviert werden. Das nennt man Ökoimperialismus: „Heile Welt zu Hause zulasten anderer.“ Die Frage ist: Wollen wir das wirklich?

Hinweis: Gastkommentare geben nicht in allen Bereichen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen sie dann, wenn wir sie für einen interessanten Diskussionsbeitrag zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft halten. Wie stehen Sie dazu? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar unten.

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.