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Prof. Tscharntke über Streifen für mehr Artenvielfalt

Prof. Tscharntke berichtet über einen Versuch, bei dem ein Nebeneinander schmaler Felder mit vielen Rändern entsteht. Für diesen Streifenacker wurden abwechselnd Weizen und Raps in Streifen angebaut.

Lesezeit: 4 Minuten

Der Streifenanbau auf den Feldern ist eine alte Anbaumethode. Wissenschaftler der Universitäten Kiel und Göttingen vermuten darin jedoch eine Lösung für moderne Probleme.

Herr Tscharntke, zusammen mit Kollegen der Universitäten Göttingen und Kiel begleiten Sie das Projekt Streifenanbau. Was steckt hinter der Idee?

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Prof. Tscharntke: Mehr Vielfalt auf den Äckern soll die Biodiversität von Insekten und Vögeln steigern. Diese Diversifizierung soll zudem den Schädlingsdruck verringern und Bienen sowie ihre Bestäubungsleistung fördern. Die Idee stammt von Dr. Gunnar Breustedt, Landwirt und Privatdozent der Uni Kiel. Er wollte mit begrenzten Kosten auf einem konventionell wirtschaftenden Betrieb einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten.

Wie funktioniert diese Diversifizierung auf dem Acker?

Tscharntke: Anstelle eines großen Feldes entsteht ein Nebeneinander schmaler Felder mit vielen Rändern. Für diesen Streifenacker (strip intercropping) wurden auf großen, konventionell bewirtschafteten Ackerflächen abwechselnd Weizen und Raps in Streifen angebaut. Das funktioniert mit automatischen Lenksystemen zentimetergenau und kostengünstig. Mit 12 bis 36 m haben die Streifen die Arbeitsbreite des Düngerstreuers bzw. der Pflanzenschutzspritze auf den Betrieben. Pro Feld gibt es mindestens vier Paar Streifen. Ihre Ränder können den Insekten als Orientierung dienen und auch eine komplementäre Ernährung ermöglichen. Schwebfliegen sollen z.B. vom Rapsblüten-Angebot profitieren, um dann ihre Eier an die zahlreichen Getreideblattlaus-Kolonien im angrenzenden Weizen abzulegen. So gibt es Nahrung für die erwachsenen Schwebfliegen in Form von Pollen und Nektar wie auch Blattläuse als Nahrung für die räuberischen Larven.

Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

Tscharntke: Die Vorstudie erfolgte 2019 und ergab schon überraschend positive Ergebnisse. Die Streifenäcker wurden von rund doppelt so vielen Vogelarten wie die Raps- und Weizen-Reinkulturen auf demselben Betrieb genutzt. Dazu zählten Feldlerche, Turmfalke, Rohrweihe, Schafstelze, Wiesenpieper, Dorngrasmücke, Mauersegler, Mehlschwalbe, Feldsperling, Heckenbraunelle und Rauchschwalbe.

Zudem gab es auf den Streifenäckern zur Hauptblüte sehr viel mehr Wildbienen – besonders solitäre Sandbienen – als in der Rapsreinkultur. Insgesamt fanden sich 50% mehr Insektenarten in den Streifenäckern als in den Reinkulturen. Besonders interessant ist, dass der Weizen auf den Streifenäckern nur halb so viele Blattläuse aufwies, dafür aber mehr Laufkäfer. Das entspricht der allgemeinen Erwartung, dass so eine Diversifizierung den Schädlingsdruck deutlich senken kann.

Die Untersuchungen führen Sie in dieser Saison fort. Wer ist daran beteiligt?

Tscharntke: Dr. Breustedt hat elf Landwirte aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen gewonnen. Zudem ist er an mich herangetreten, um die erhoffte Wirkung wissenschaftlich zu belegen. Zusammen mit Kollegen analysieren wir die Artenvielfalt, deren Funktionen sowie die Kosten und Erträge für die beteiligten Landwirte. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt unterstützt die Studie finanziell.

Was schlussfolgern Sie aus den ersten Ergebnissen für die Praxis?

Tscharntke: Die Anlage von Streifenäckern ist eine attraktive, kostengünstige Maßnahme zur Diversifizierung in der Landwirtschaft. Sie erfolgt auf Produktionsflächen und bedeutet somit keinen Flächenverlust zugunsten von naturnahen Lebensräumen. Die eventuellen Mehrkosten für den Streifenanbau sind in vielen Fällen als vergleichsweise gering einzuschätzen. Die Vorteile in puncto Förderung der Artenvielfalt und der Funktionen wie die Schädlingskontrolle, lassen sich in der Höhe durchaus mit denen durch Umstellung auf ökologischen Landbau vergleichen – hier aber ohne größere Ertragsverluste. Streifenanbau ist dennoch keine alleinige Lösung. Strukturelemente, vor allem Ackerrandstreifen und Hecken, sind ebenso wichtig und sollten bei Agrarumweltprogrammen berücksichtigt werden.

Wo gibt es noch Probleme?

Tscharntke: Ein Feld mit Streifen ist aufwendiger zu bewirtschaften als eine Reinkultur. Zudem ist auch bei großer Sorgfalt des Landwirts mit Ertragsverlusten in der Fruchtfolge von 2 bis 5% zu rechnen. Die Kosten unterscheiden sich wahrscheinlich stark zwischen den Betrieben. Sie hängen von vielen Faktoren ab. Entsprechend müssen sich Landwirte auf die neue Bewirtschaftung einstellen (z.B. auf eventuelle Herbiziddrift bei Wind) und Praxiserfahrung sammeln. Die großen Vorteile für die Artenvielfalt sollten diesen Mehraufwand aber rechtfertigen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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