Neue, aber noch nicht veröffentlichte Ergebnisse der LfL Bayern bescheinigen der Verdünnung von Rindergülle mit Wasser eine emissionsmindernde Wirkung. Die so verdünnte Gülle dürfen Landwirte nun in Bayern bis zu einem TS-Gehalt von 4,6 % weiterhin mit Breitverteilern auf Acker und Grünland ausbringen. Für andere Güllearten gilt die Ausnahmeregelung nicht.
Helmut Döhler von DöhlerAgrar forscht seit Jahrzehnten zum Thema Gülle-Emissionen. Wie ordnet er die Kehrtwende der Landesregierung ein?
Herr Döhler, Sie haben Güllearten im Hinblick auf die Emissionshöhe und die emissionsmindernde Wirkung untersucht. Was waren die Ergebnisse?
Döhler: Generell ist es so, dass übliche Rindergülle mit 8 bis 10 % Trockensubstanz (TS) deutlich höhere Ammoniakverluste (NH3) aufweist als Schweinegülle. Das liegt vor allem am Fließverhalten. Während Rindergülle aufgrund des hohen TS-Gehalts und darin befindlicher Schleimstoffe zähflüssig ist, ähnelt Schweinegülle mehr dem Fließverhalten von Wasser. Deshalb infiltriert Schweinegülle besser in den Boden und die Verluste sind geringer.
Von Rindergülle wissen wir, dass selbst bei niedrigen Temperaturen der NH3-Verlust bei 30 bis 40 %, bei hohen Temperaturen oft über 50 % liegt.
Mit welchen Methoden arbeiten Sie bei der Erfassung der Emission?
Döhler: Wir arbeiten in unserem Beratungs- und Forschungsunternehmen mit drei verschiedenen Methoden zur Bestimmung von Ammoniakverlusten: einmal mit einer wissenschaftlich exakten Methode im Feld unter Praxisbedingungen, in einer Klimakammer im Labor unter standardisierten Bedingungen und mit einer Messhaube in Echtzeit, mit der wir Landwirten und Nichtlandwirten bei Vorführungen und auf Feldtagen die Emissionen vor Ort zeigen können.
Sind die Laboruntersuchungen in die Praxis übertragbar?
Döhler: Sehr gut sogar – das haben Vergleichsuntersuchungen mit unserer Praxismethode gezeigt. Die Ergebnisse von Minderungsmaßnahmen sind sehr ähnlich.
Zu welchen Ergebnissen kamen Sie bei der Verdünnung mit Wasser?
Döhler: Für Rindergülle gibt es von mir bereits Untersuchungen aus den 1980er-Jahren unter standardisierten Bedingungen. Wir haben im Verlauf der letzten Jahre dazu noch einmal eine weitere Versuchsserie gemacht (siehe Übersicht). Alle Verdünnungen haben wir bei Temperaturen von 5, 15 und 25 °C getestet. Bereits eine Verdünnung von 1: 0,5 führt sehr eindeutig zu geringeren Emissionen von knapp 30 %. Das heißt, dass auf einen Kubikmeter Gülle 0,5 m3 Wasser kommt. Meine Ergebnisse aus den 1980ern werden damit voll bestätigt.
Welchen Einfluss hatte der Grad der Verdünnung auf die emissions-mindernde Wirkung?
Döhler: Mit einer Verdünnung auf 1 : 1 lassen sich die Emissionen nur geringfügig weiter absenken. Erst bei einer Verdünnung von 1 : 2 gibt es einen deutlicheren Effekt und die Emissionen gehen etwa auf die Hälfte zurück. Jedoch verdreifacht sich die auszubringende Güllemenge.
Ab welchem TS-Gehalt ist der Effekt vergleichbar mit dem einer streifenförmigen Ausbringung?
Döhler: Der TS-Gehalt nimmt durch die Verdünnung auf 1 : 0,5 von 9,2 auf 5,3 % ab. Bei 1 : 1 lag der TS-Gehalt bei 4,65 % – zufällig genau bei dem Wert der bayerischen Regelung. Die NH3-Minderung bei der Verdünnung von 1 : 0,5 ist bereits mit der Schleppschlauchausbringung auf Acker vergleichbar. Um auf Grünland eine adäquate Minderung von 40 % zu erreichen, bedarf es des Schleppschuhs. Dann wäre aber im Umkehrschluss eine Verdünnung von 1 : 1 mit Wasser notwendig.
Warum ist der Effekt bei einer Verdünnung von 1 : 0,5 so groß und bei 1 : 1 vergleichsweise gering?
Döhler: In der Rindergülle bilden sich nach kurzer Lagerzeit durch die Gärprozesse Gasblasen aus Kohlendioxid, organischen Säuren und Methan. Die Gülle hat einen fast schaumartigen Charakter. Diese Gase werden bereits bei der geringen Wasserzugabe gelöst, auch die Schleimstoffe sind weniger klebrig, die Gülle wird sofort fließfähiger, sie läuft schneller von Pflanzen ab und versickert schneller im Boden. Auch der pH-Wert senkt sich bereits mit der geringen Wasserzugabe, was die Emissionen ebenfalls verringert.
Sind ähnliche Effekte bei Schweinegülle und Gärresten zu erwarten?
Döhler: Versuche zur Verdünnung von Schweinegülle haben wir nur einmal durchgeführt. Die Tendenz war ähnlich: je TS-ärmer sie sind, desto geringer sind die Verluste. Das Emissionsniveau bei Schweinegüllen mit etwa 5 % TS ist dann jedoch so gering, dass die Verdünnung wahrscheinlich wenig bringen wird. Weitere Versuche sind mir dazu nicht bekannt.
Bei Gärresten ist es komplexer. Wir wissen aus eigenen Untersuchungen, dass bei Vergärung von reiner Rindergülle sich das Emissionsverhalten der entstehenden Gärreste nicht wesentlich verändert. Anders ist das, wenn Biomasse dazu kommt. Bei diesen Gärresten können die Verluste noch höher als bei Rindergülle sein. Verdünnungsversuche sind mir auch hier nicht bekannt.
Was leiten Sie aus Ihren Ergebnissen ab? Ist es sinnvoll, dass die Politik die Breitverteilung von Rindergülle bis zu einem TS-Gehalt von 4,6 % zulässt?
Döhler: Aus Sicht der Emissionsminderung ist das begründet. Das wissen wir faktisch seit 30 bis 40 Jahren. Eine solche Regelung kommt auch den praktischen Entwicklungen entgegen. Wir haben ja durch die Zunahme an offenen Laufhofflächen in der Rinderhaltung einen Trend zu mehr Wasser in der Rindergülle. Allerdings muss man sich auch im Klaren sein, dass dies die Minderungsmaßnahme mit den höchsten Kosten ist. Die auszubringende Güllemenge verdoppelt sich in etwa. Und es bleibt die Frage, wie der TS-Gehalt nachgewiesen werden kann?
Für den Nachweis des TS-Gehaltes war die Güllespindel im Gespräch …
Döhler: Bei den Untersuchungen, die ich kenne, war die nicht genau genug bzw. unbrauchbar für eine gescheite Messung.
Unabhängig von der fachlichen Grundlage zu NH3-Emissionen – wie stehen Sie persönlich zu der neuen Regelung, die auch von Baden- Württemberg übernommen wird?
Döhler: Vorsichtig ausgedrückt, empfinde ich das als sehr unglücklich, dass zu einem Zeitpunkt, da fast alle Landwirte auf bandförmige Ausbringung umgestellt haben, nun eine Ausnahmeregelung für die Beibehaltung von Breitverteilern kommt. Noch dazu, weil die Qualität der Breitverteiler in der Regelung nicht definiert wird. Das gibt berechtigte und zugleich unnötige Unruhe unter den Landwirten.
Geschickter wäre es gewesen, die Düngeverordnung frühzeitig etwas präziser und technologieoffener zu gestalten. Denn die Minderungswirkung von TS-armer bzw. verdünnter Gülle sowie der Ansäuerung, war damals schon bekannt. Man war offenbar froh, mit der bandförmigen Ausbringung eine kontrollierbare Emissionsminderungsmaßnahme definiert zu haben.
Was sind Ihre Befürchtungen?
Döhler: Wir werden jetzt wohl wieder Diskussionen führen, ob der Breitverteiler bezüglich der Verteilungsgenauigkeit, Windanfälligkeit und der Möglichkeit zum Grenzstreuen zukünftig das Mittel der Wahl für eine präzise Düngung ist.
Nach dem was gerade passiert, scheint es fast so, als werde das Rad neu erfunden …
Döhler: Ja, das stimmt. Die Untersuchungen von vor fast 40 Jahren sind jedermann zugänglich, und dass dünnere Rindergülle weniger emittiert als dickere, ist mindestens seit 30 Jahren international bekannt. Nach dem was wir bisher über diese kürzliche Innovationsforschung zu NH3-Emissionen wissen, ist das erst einmal nicht mehr als „alter Wein in neuen Schläuchen“.
Wie nehmen Landwirte in Ihrem Umfeld die neue Regelung auf?
Döhler: Die meisten haben auf Schleppschlauch- und Schleppschuhsysteme umgestellt, viele auch in Eigenmechanisierung. Die Landwirte wissen die Vorteile hinsichtlich Längs- und Querverteilungsqualität, Grenzstreuen und Emissionsminderung zu schätzen und reagieren überwiegend mit Kopfschütteln über diese Regelung.
Vielen Dank für das Gespräch!