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Rote Gebiete – warum gibt es Unterschiede?

Die roten Gebiete sind ausgewiesen. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift hat hierfür einheitliche Rahmenbedingungen geschaffen. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen den Ländern.

Lesezeit: 8 Minuten

Die Bundesländer haben die Binnendifferenzierung fast vollständig vollzogen. Schaut man genau hin, fällt auf, dass sich dabei die roten Gebiete in den einzelnen Ländern unterschiedlich stark verändert haben.

Teils zeigen sich für Landwirte, die an Ländergrenzen wirtschaften, irritierende Bilder: Sind Schläge oder auch ganze Gebiete in einem Land als nitratbelastet eingestuft, kann das Nachbarland zu anderen Ergebnissen kommen. Woran liegt das? Lässt es sich alleine durch standortspezifische Faktoren begründen?

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AVV soll’s einheitlich machen

Damit die Bundesländer die roten Gebiete einheitlich ausweisen, hat die Bundesregierung im November 2020 eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift (AVV) erlassen. Darin sind die Anforderungen an die Vorgehensweise definiert. Damit gibt die AVV einen Rahmen vor. Gleichzeitig gibt es innerhalb dieses Rahmens verschiedene Punkte, die dazu führen, dass die Länder mit unterschiedlichen Methoden oder Daten arbeiten können.

Immissionsbasierte Abgrenzung der Gebiete

Ausgangspunkt bei der Ausweisung der roten Gebiete sind die Nitratmesswerte der Grundwassermessstellen. Erstmals gelten für die Messstellen durch die AVV einheitliche Anforderungen.

Ist ein Grundwasserkörper aufgrund der Messergebnisse als gefährdet eingestuft, erfolgt in einem weiteren Schritt eine Gebietsabgrenzung innerhalb des Grundwasserkörpers. Da Grundwasserkörper Ausmaße von bis zu 1.250 km2 haben können, waren früher auch z.T. große Bereiche ohne Gefährdung rot.

Die nun nach AVV geregelte, differenziertere Betrachtung ordnet die Flächen stärker den betroffenen Messstellen zu. Diese Differenzierung der Flächen innerhalb eines Grundwasserkörpers hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie stark sich die roten Gebiete verändern. Die Länder können dabei hinsichtlich dieser Abgrenzung zwischen verschiedenen Verfahren wählen:

  1. Regionalisierungsverfahren
  2. Eine Abgrenzung nach hydrologischen und/oder hydraulischen Kriterien.

Zusätzlich besteht die Möglichkeit, Wasserschutzgebiete gesondert zu betrachten. Davon machen u.a. Hessen und Bayern Gebrauch. Die einzelnen Verfahren können die Länder isoliert oder auch kumulativ anwenden.

Das Regionalisierungsverfahren ist ein standardisiertes statistisches Modell und in der Anlage 2 der AVV detailliert beschrieben. Um das Modell zu kalibrieren, wird auf vergleichsweise viele weitere Messpunkte, sogenannte Stützmessstellen, zurückgegriffen. Dadurch führt das Regionalisierungsverfahren, unter der Voraussetzung ausreichend vorhandener Messstellen, zu einer recht genauen Abgrenzung.

Die Einteilung nach hydrogeologischen Kriterien in der Verwaltungsvorschrift ist nicht weiter beschrieben und damit vergleichsweise offen gehalten. Im Grundsatz geht es aber darum, Gebiete mit vergleichbarer Untergrundbeschaffenheit zu bestimmen, um daraufhin die Gebiete von belasteten und unbelasteten Messstellen voneinander abzugrenzen. Oft stehen aber wenig umfassende Daten zur Verfügung, um die Grundwasserkörper noch differenzierter hydrogeologisch einzuteilen. Daher sind die so abgegrenzten Bereiche in der Regel gröber gefasst als beim Regionalisierungsverfahren.

Während ein Großteil der Länder das Regionalisierungsverfahren angewendet hat, setzen u.a. Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hessen auf Variante zwei der Differenzierung. Wobei Niedersachsen zukünftig ebenfalls das Regionalisierungsverfahren anstreben will. Dazu muss das Land jedoch weitere Messstellen schaffen.

Da die folgende Modellierung auf diese Flächenabgrenzung aufbaut, ist sie zunächst der Grundstein für die Flächengröße.

Modellierung – wie viel Stickstoff verträgt eine Fläche?

Sind die Flächen auf Basis der Messwerte abgegrenzt, kommt ein weiterer Ansatz zum Tragen. Mithilfe einer Modellierung wird der maximal tolerierbare N-Saldo ermittelt, der auf einer Fläche zulässig ist, damit rechnerisch sichergestellt werden kann, dass der Wert von 50 mg Nitrat pro Liter Sickerwasser unterhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht nicht überschritten wird.

Bei der aktuellen erstmaligen Ausweisung gilt noch die Regelung, dass bei einem maximal tolerierbaren N-Saldo von unter 20 kg N/ha dieser aufgrund boden-klimatischer Besonderheiten auf 20 kg N/ha festgesetzt werden darf. Dies wird sich 2024 aber ändern.

Gegen den maximal tolerierbaren N-Saldo wird der rechnerische N-Saldo aus N-Zufuhr und N-Abfuhr gestellt. Übersteigt dieser den maximal tolerierbaren N-Saldo, gelten diese Flächen als Bereiche mit hohem Emmissionsrisiko. Ist er geringer, werden die Flächen „grün“, auch wenn die Nitratgehalte im Grundwasser die Vorgaben der DüV überschreiten.

Die AVV erlaubt auch die Einbeziehung einzelbetrieblicher Daten der landwirtschaftlichen Betriebe, unter der Voraussetzungen, dass eine elektronische Erfassung und Weiterverarbeitung gegeben ist. Da die Berechnung der tatsächlichen N-Salden in der Regel auf Gemeindeebene erfolgt, um sie dann auf die Feldblöcke herunterzubrechen, wird es aber in den meisten Fällen nicht möglich sein, einzelne Betriebe herausrechnen zu lassen. Die einzelbetrieblichen Daten können vielmehr dazu beitragen, ein detailliertes Bild für die jeweilige Gemeinde zu erbringen und so dem tatsächlichen Nährstoffaufkommen näher zu kommen.

Knackpunkt des Ansatzes ist nicht nur der tatsächliche N-Saldo – denn gute Betriebe schaffen es durchaus, N-Überhänge von 20 bis 40 kg N/ha zu erreichen. Problematisch wird es aber, wenn der maximal zu tolerierende N-Saldo deutlich darunter liegt. Denn Salden unterhalb 20 kg N/ha sind in der Landwirtschaft kaum zu erreichen.

Auf die Daten kommt es an

Die anzuwendenden Methoden sind durch die AVV klar beschrieben. Bei den einfließenden Daten kann es in den Ländern jedoch Unterschiede im Umfang und in der Aktualität geben.

Der maximal tolerierbare N-Saldo berechnet sich nach folgender Formel:

Entscheidend für das Ergebnis sind zwei Faktoren: die Sickerwasserrate und die Denitrifikation. Beide hängen stark von den Boden- und Klimabedingungen der Region ab.

Je höher die Sickerwasserrate, desto größer der Verdünnungseffekt. Fällt dieser in Trockenregionen mit niedriger mittlerer Sickerwasserrate gering aus, kann das schnell dazu führen, dass der NLWmax Werte unter 20 kg Nitrat/ha erreicht. In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise lässt sich der Unterschied in den maximal tolerierbaren N-Salden zwischen West (ca. 50 kg N/ha) und Ost (ca. 30 kg N/ha) maßgeblich auf die Sickerwasserrate zurückführen, da im Osten des Landes weniger Niederschläge fallen als in den westlichen Landesteilen.

Während der Parameter Sickerwasserrate für die Regionen relativ einheitlich zu bestimmen ist, gestaltet es sich mit der Einflussgröße Denitrifikation schon etwas schwieriger.

Die Denitrifikation im Boden lässt sich berechnen. Sie hängt u.a. vom Bodentyp und der Verweildauer des Sickerwassers ab. Sie wird anhand regionaler Bodenkarten spezifisch abgeleitet. Somit variiert das Denitrifikations-potenzial einzelner Boden-Klima-Regionen. Neben den standörtlichen Gegebenheit können aber auch die Aktualität und Genauigkeit des Daten- und Kartenmaterials der Länder zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Ableitung führen.

Das Denitrifikationspotenzial, welches immer in die Formel einbezogen wird, ist das innerhalb der durchwurzelbaren Zone, also in 0 bis maximal 2 m. Bedeutende Relevanz hat dies bei stauwasserbeeinflussten Böden mit viel organischer Substanz.

Darüber hinaus eröffnet die AVV aber auch die Möglichkeit, das Denitrifikationsvermögen in der ungesättigten Zone unterhalb des Wurzelraumes einzubeziehen. Sachsen-Anhalt als Beispiel plant diesen Punkt zu berücksichtigen, da der Nitratabbau in den mächtigen Deckschichten im Lössgebiet beträchtlich sein kann. Allerdings liegt die dafür nötige Typisierung der Deckschichten aktuell noch nicht vor. Auch die LfU in Bayern teilt auf Anfrage mit, dass die Datengrundlage für eine regionale Ausdifferenzierung nicht vorliegt.

Länder wie beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern sehen grundsätzlich von diesem Vorgehen ab. Zum einen liegt auch hier die nach AVV erforderliche Datenbasis bisher nicht vor. Zum anderen befürchtet man, dass so unter Umständen das natürliche Denitrifikationspotenzial verbraucht werden könnte.

Je nach Region kann das Einbeziehen dieser Denitrifikationspotenziale erheblichen Einfluss auf die Bewertung der Nitrataustragsgefährdung haben.

Maßstab macht Unterschied

Ein weiterer Faktor ist, dass in den Ländern unterschiedliches Kartenmaterial vorliegt. Zum Beispiel definiert die AVV einen Maßstab von 1:250000 als Mindestanforderung für die Bodenkarten. Diese Karten liegen bundeseinheitlich vor. Es ist der kleinste gemeinsame Nenner.

Dieser Maßstab führt zu einer gewissen Generalisierung, da er eine Beschreibung größerer zusammenhängender Gebiete vornimmt. Einige Länder verfügen aber bereits über detaillierte Karten im Maßstab 1:50000 oder 1:25000. Daraus können unterschiedliche Daten und Ergebnisse resultieren.

Ostdeutscher Verbund

Damit es nicht zu extremen Verwerfungen an den Ländergrenzen kommt, haben sich Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im Vorfeld der Binnendifferenzierung fachlich ausgetauscht. Es ging darum, die verschiedenen Fachkompetenzen und Erfahrungsschwerpunkte in den einzelnen Ländern bestmöglich zu nutzen und den boden-klimatischen Besonderheiten möglichst gerecht zu werden.

Gebiete alle vier Jahre neu

Die AVV sieht vor, dass die Länder alle vier Jahre jeweils zum 31. Dezember die Ausweisung ihrer roten Gebiete überprüfen und wenn notwendig anpassen müssen. Dabei fließen die bis zum 31. Dezember des Vorjahres erhobenen Daten ein. Sie sollen nicht älter als 48 Monate sein. Dies gilt sowohl für Messwerte als auch für die Modellierungsdaten. Wie stark die Länder von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, einzelbetriebliche Daten für die Berechnung des tatsächlichen N-Saldos heranzuziehen, bleibt abzuwarten.

Wie auch immer die einzelnen Länder vorgehen, für die Landwirte heißt es, dass sich alle vier Jahre die Gebietsausweisung ändern kann. Ziel ist es, die Daten- und Modellgrundlage immer weiter zu verbessern.

Bis es aber zur ersten Überprüfung 2024 kommt, bleibt abzuwarten, wie die EU in den nächsten Wochen das aktuelle Vorgehen der Länder bei der Gebietsausweisung beurteilt. Auf Anfragen von top agrar teilte die Pressestelle des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft mit, dass die Aufarbeitung der Ergebnisse aus den einzelnen Ländern derzeit durch die Bundesregierung zusammengefasst und dann noch einmal mit den Ländern abgestimmt würden.

Anschließend erfolge die Übermittlung der Unterlagen an die EU-Kommission. Die Kommission wird dann mit der Bundesregierung die Details erläutern. Es bleibt zu hoffen, dass Brüssel nicht noch weitere Verschärfungen fordern wird.

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