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Saatmais: Nur für Profis

Jedes Jahr säen deutsche Landwirte über 2,5 Mio. ha Mais. Das Saatgut dafür kommt u. a. aus Baden-Württemberg. Dort haben wir uns umgesehen und sind auf echte Spezialisten gestoßen.

Lesezeit: 12 Minuten

Im Maiswerk der ZG Raiffeisen e G in Heitersheim herrscht Hochbetrieb. Gabelstapler sausen über den Hof, Trecker kippen goldgelbe Maiskolben von ihren Anhängern in die rüttelnde Annahme, Lkw holen Spindeln und Lieschblätter ab. An sechs Tagen in der Woche. Den Überblick über das Treiben im Werk behält im wortwörtlichen Sinne Ekkehard Hipp, von seinem Büro aus im ersten Stock. Seit 13 Jahren leitet er das Maiswerk. „Mais ist hier schon immer gut gewachsen“, erklärt Hipp.

Tradition am Rhein

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Hier – das ist der südliche Oberrheingraben (siehe Übersicht), das einzige Gebiet in Deutschland, in dem seit 1958 Hybridmais vermehrt und aufbereitet wird. „Viele unserer Vermehrer machen das schon in der dritten Generation“, bestätigt Hipp.

Das Saatmaisgebiet in der Rheinebene ist durch den Kaiserstuhl, ein vulkanisches Gebirge, getrennt. Nördlich davon bauen die Vermehrer über die Südgetreide GmbH & Co. KG ca. 1 000 ha an. Südlich vom Kaiserstuhl, im Bereich vom Maiswerk Heitersheim, stehen 3 000 ha zur Verfügung. Das Klima begünstigt Sorten mit einer frühen Silo- bzw. Körnerreifezahl von 180 bis 270. Die gesamte Region produziert theoretisch ca. 20 % des deutschen Saatgutbedarfs. Theoretisch, denn die hier vermehrten Sorten sind vor allem für die kälteren Anbaugebiete wie Norddeutschland, Dänemark, England und die Benelux-Länder geeignet. Für den deutschen Markt stammt das Maissaatgut hauptsächlich aus Frankreich, Österreich, Ungarn und Rumänien.

„Wir verstehen uns als Vermittler und Dienstleister“, erklärt Hipp seine Rolle. Die Besonderheiten der Hybridmaisvermehrung beschreibt er schnell: „Mutter- und Vaterlinie sind durch die Inzucht sehr anfällig und es braucht viel Handarbeit bei der Entfahnung“. Die Züchter beauftragen das Maiswerk mit der Vermehrung von Hybridmais und die Landwirte bieten dem Maiswerk ihre Flächen an. Diese müssen auf jeden Fall beregnet sein und zwischen den verschiedenen Sorten, den sogenannten Isolationen, muss ein Abstand von mindestens 200 m liegen. „Sonst kommt es zu einer Fremdbestäubung, dann wird das Saatgut aberkannt“, erklärt Hipp.

Flächenpuzzle

Für die Saatgutanerkennung gibt es zwei Phasen. Während der Blüte überprüfen Anerkenner des Landwirtschaftlichen Technologiezentrums Augustenberg (LTZ) die Vermehrungsparzellen für die Feldanerkennung. Stehen z. B. zu viele stäubende Mutterpflanzen im Bestand, wird die Parzelle als Saatgut aberkannt. Dann bleibt nur, die Pflanzen als Körnermais zu ernten. Die zweite Phase, die Beschaffenheitsprüfung, kommt nach der Ernte: Von jeder Partie verschickt das Maiswerk Proben an das LTZ. Dort prüft man, ob die Partien die strengen Kriterien erfüllen: Die Keimfähigkeit und die Triebkraft müssen min. 90 % betragen, das Korngewicht zwischen 220 und 360 g liegen und der Anteil an Selbstungen und Auskreuzungen darf nicht über 2 % liegen. Dazu analysiert das LTZ die DNA der Proben per Elektrophorese. Die Vorgaben und die Vermehrungsflächen sichert das Maiswerk mit den Landwirten vertraglich ab.

In diesem Jahr haben sie 50 Maishybriden im Auftrag von verschiedenen Züchtern auf 2 450 ha vermehrt. Sorten und Fläche zusammenbringen, das ist die Aufgabe von Hipp: „Es ist wie ein Puzzle“. Das Basissaatgut, also die Vater- und Mutterlinien, bekommt das Maiswerk von den Züchtern und gibt es Mitte April nach Flächengröße an die Landwirte weiter.

Einer der 165 Landwirte, die Hybridmais vermehren, ist Volker Hess. Der 38-Jährige aus Hartheim in Baden-Württemberg hat in diesem Jahr 40 ha Saatmais angebaut. Mit dem Ertrag ist er zufrieden, 35 bis 50 dt Körner/ha (trocken) hat er geerntet – je nach Sorte. Über den Saatmais hat er schon viel vom Großvater, dann vom Vater gelernt. Zudem kennt der Landwirt seine Flächen genau. Auf seinen 65 ha hat der Rhein unterschiedliche Böden hinterlassen. Teilweise bis zu drei Bodenarten auf einer Fläche, so Hess. Es überwiege jedoch sandiger Lehm mit 30 bis 55 Bodenpunkten.

Viermal säen auf einer Fläche

Mitte April bis Anfang Juni sät Hess das Basissaatgut. Das System besteht jeweils aus sechs Reihen mit 75 cm Abstand, das sich dann wiederholt. Zunächst kommen vier Reihen der Mutterlinie in die Erde, zwei Reihen bleiben frei. In diese sät Hess später etwas enger drei Reihen von der Vaterlinie. „Wann das ist, sagt mir der Sortenpass“, erklärt er.

Den Sortenpass bekomme jeder Landwirt mit dem Basissaatgut. Dort sind jeweils für die beiden Elternlinien einer Sorte die regionalen Besonderheiten zu Saat, Düngung, Pflanzenschutz und Blüte hinterlegt. Versuche dazu führt das Maiswerk zusammen mit dem Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald durch. Getestet wird z. B. wie sensitiv die Elternlinien auf Herbizide und -mischungen reagieren. Für die Aussaat sagt der Sortenpass z. B., dass die erste Reihe der Vaterlinie in die Erde muss, wenn der Keimling der Mutterlinie 3 cm lang ist. „Die zweite Reihe des Vaters muss ich dann säen, wenn der erste Vater einen Keimling von 3 cm hat“, erklärt Hess weiter. Ebenso kommt die dritte Reihe des Vaters in die Erde. Insgesamt fährt Hess viermal über einen Acker. Bei der Muttersaat hängt er die beiden äußeren Kästen seiner 6-reihigen Sämaschine hoch. „Für die Vatersaat habe ich mir eine eigene Einzelkorndrille angeschafft“, sagt er sichtlich stolz. Bei dieser säen nur die beiden äußeren Kästen, die vier mittleren hat er abgebaut. So ist die Maschine auch deutlich leichter.

Beim Säen achtet der Landwirt auch auf die Bodenunterschiede. „Ich säe auf schnellwüchsigeren Schlägen den Mais etwas eher. Böden, die sich langsamer erwärmen, bestelle ich später“, erklärt Hess seine Strategie. Damit entzerrt er bewusst die Arbeitsspitzen bei z. B. der Entfahnung und der Beregnung. Gerade die Beregnung war in diesem Jahr zeitintensiv, von Ende Juni und bis Ende August hat Hess zehn- statt der üblichen fünfmal beregnet – wegen der Trockenheit. „Das hat schon an den Nerven gekratzt“, gesteht der Landwirt. Doch damit die Narbenfäden der Mutterlinie den windübertragenen Pollen der Vaterlinie aufnehmen können, braucht der Mais genügend Wasser.

Intensive Sonderkultur

„Das ganze Management dieser Sorten ist herausfordernd“, sagt Hess. Um den Heterosiseffekt in der Folgegeneration zu nutzen, sind die Mütter und Väter meist reine Inzuchtlinien. Damit haben sie einen kleinen Wurzelballen, sind etwas niedriger im Wuchs und auch anfälliger gegenüber Krankheiten, Schädlingen und Pflanzenschutzmitteln. Das ist im Unkrautmanagement besonders herausfordernd. Zugelassen sind zwar alle Maisherbizide. „Aber auf Sulfonylharnstoffe müssen wir komplett verzichten“, erklärt Hess. Das vertragen die Elternlinien nicht.

Auch Dicamba, gegen Ackerwinde, bringt er nur separat und ganz gezielt aus. „Das kratzt ganz schön, vor allem an den Vaterlinien“, so Hess weiter. Dann komme die Fahne schlecht heraus, der Pollen sei schlecht ausgebildet und die Pflanzen stagnierten im Wuchs. Gegen Beikräuter arbeitet Hess im Vorauflauf der Mutterlinie mit Gardo Gold. Im 4- bis 6-Blattstadium der Mutter legt er mit Laudis nach. Problematisch sind besonders Bingelkraut, Weißer Gänsefuß und Amarant. „Auch Landwasserknöterich und Ackerminze sind schwer in den Griff zu bekommen“, sagt Hess.

Probleme machen auch Schädlinge. Den Maiszünsler haben die Vermehrer ganz gut im Griff, zwei- bis dreimal bringen sie Trichogramma-Kapseln aus, also den natürlichen Feind, die Schlupfwespe. Schlimmer wiegt der Maiswurzelbohrer – von der aktuellen Anbauregelung gegen ihn sind die Saatmaisvermehrer auf Antrag ausgenommen. Aber auch das kann sich in jedem Jahr ändern. Die Herausforderungen bleiben.

Arbeitsspitze Entfahnung

Damit jede Linie just-in-time entfahnt wird, kontrolliert Hess seine Flächen täglich. Denn nur die Vaterlinien sollen die Narbenfäden der Mutter befruchten, daher muss man die Fahnen der Mutter entfernen, sobald sie erscheinen. Der Arbeitsaufwand ist groß: Per Hand entfahnt der Landwirt zusammen mit 20 Helfern aus Polen über zehn Tage lang. Pro Tag schaffen sie vier ha. In diesem Jahr hat Hess mit seinen Leuten ca. zehn Tage eher entfahnt als üblich, aufgrund des optimalen Witterungsverlaufs im Frühjahr. Früher oder später wird er maschinell entfahnen. „Der steigende Mindestlohn zwingt mich irgendwann dazu“, sieht Hess in die Zukunft.

Die maschinellen Entfahner laufen schon in der Region: Mit rotierenden Klingen schneidet man die Fahnenspitze der Mutterpflanzen ab, mehrmals hintereinander. Vor allem bei heterogenen Beständen oder bei kleinen oder späten Pflanzen im Bestand, muss man trotzdem durchlaufen und diese Fahnen per Hand ziehen. Da die Beregnung und die Frühkartoffelernte bei Volker Hess in das gleiche Zeitfenster fallen wie das Entfahnen, kann er die Maschine nicht selber fahren. Einen vertrauenswürdigen Fahrer hat er ebenfalls noch nicht gefunden. Denn: Schneidet man zu wenig von der Fahne weg, erkennt der Kontrolleur das Saatgut ab. Schneidet man hingegen zu viel, sinkt die Ertragsleistung der Mutterlinie.

Künftig könnten auch mehr steril gezüchtete Mutterlinien auf den Äckern stehen. Diese produzieren keine Pollen, das Entfahnen entfällt. „Auf 35 % der Fläche um Heitersheim standen in diesem Jahr sterile Linien“ erzählt Hipp vom Maiswerk. Auch Landwirt Hess hat solche Linien angebaut. Trotz der Arbeitserleichterung muss er mit seinen Leuten durch den Bestand. „Fremdpflanzen wie Unkraut oder Durchwuchsmais muss ich entfernen, sonst droht die Aberkennung“, führt er aus.

Ist die Blüte durch, häckselt Hess die Reihen der Vaterlinie mit einem Schlegelmulcher. Für die Humusmehrung lässt er das Grün auf dem Acker liegen und streut gleichzeitig die Untersaat aus, meist ein reines Weidelgras. Das bindet die Nährstoffe im Boden. In diesem Jahr hat Hess das Häckseln etwas nach hinten gezögert – die Verdunstungsgefahr war ihm zu hoch.

Schonende Ernte ...

Ist die physiologische Reife ereicht, bei einem Feuchtigkeitsgehalt < 40 %, steht die Ernte an. Sie dauert normalerweise von Anfang September bis Ende Oktober. „Wir teilen dem Landwirt mit, wann er die Kolben liefern muss“, erklärt Maiswerk-Leiter Hipp. „Um die Ernte muss er sich aber selbst kümmern“, so Hipp weiter.

In der Region gibt es vier Landwirte, die im Lohn bei den Vermehrern Kolben pflücken. Einer davon ist Patrick Klein. Mit sicherer Hand steuert der Landwirt seinen selbstfahrenden Bourgoin-Kolbenpflücker auf dem Acker: Durch die vierer Maisreihen rauf, wenden und wieder runter. Man fühlt sich ein bisschen wie in einem Mähdrescher, nur in einer kleineren Maschine. Manuell passt Klein das Mais-Gebiss an den Boden an, automatisch geht das nicht. Technische Weiterentwicklungen an den Pickern kommen nur langsam, denn am Markt gibt es nur noch einen Anbieter für diese Maschinen. Aber Kleins Erfahrung macht das wett, in das Saatmais-Geschäft ist auch er reingewachsen. „Mein Vater fuhr schon Picker, mit 16 habe ich das erste Mal selbst drauf gesessen“ erzählt der 34-Jährige. Der Selbstfahrer kann bis zu 20 ha am Tag pflücken. Meist erntet Klein aber weniger, denn die Auftragslage hängt vom Liefertermin der Landwirte ab.

Die Maschine pflückt die Kolben, entliescht sie mit zwei Fingerwalzen und sammelt sie im Bunker. Bei der Ernte hat der Kolben dann ca. 30 % Feuchtigkeit. Da die Kolben in diesem Jahr etwas trockener sind, hat Klein den Entliescher der Maschine vorsichtig eingestellt: Lieber mit ein paar Lieschblättern mehr ins Werk, als Körner auf dem Acker zu verlieren. „Die Kolben sind so trocken, dass die Körner bei zu starker Bearbeitung ausfallen“, erklärt Klein. Doch lose Körner, die im Werk angekommen, zählen nicht zum Saatgut.

Nach der Annahme im Werk entlieschen Fingerwalzen die Kolben komplett. Die Lieschblätter muss jeder Vermehrer wieder mitnehmen. Seit zwei Jahren bietet der örtliche Energieversorger an, die Lieschblätter abzuholen. Darauf setzt auch Landwirt Hess: „Das Abholen und auf dem Acker wieder ausstreuen ist ziemlich aufwendig“.

... bestes Saatgut

Noch vor dem Trocknen sortieren die Mitarbeiter die Maiskolben: Kolben mit Lieschblättern gehen zurück zu den Fingerwalzen, kranke Kolben fliegen raus. Nur eindeutig gesunde Kolben gehen in die Trocknung. Nach drei Tagen sind die Kolben trocken, mit einer Feuchte von 13,5 %. „Jetzt lassen sich die Körner ganz leicht abrebeln“, erklärt Ekkehard Hipp den Fachbegriff. Er hält zwei Kolben in der Hand und zeigt, wie einfach sich die Körner von der Spindel lösen. Im Werk übernimmt diese Aufgabe der Rebler. „Der Embryo im Korn ist erst jetzt unempfindlich genug gegen die Trennung von der Spindel“, so Hipp. Drischt man die Körner im nassen Zustand, leidet die Keimfähigkeit stark. Nach dem Rebeln wird das Saatgut vorgereinigt und eingelagert. Das LTZ muss das Saatgut anerkennen und freigegeben. Erst danach wird es im Maiswerk gebeizt, in die Tüten des Züchters verpackt und ab Dezember an die zentralen Züchterlager für die Aussaat 2019 versandt.

Dann werden auch die Vermehrer bezahlt, nach einem aufwendigen Solidaritätsprinzip. Am Ende behält Landwirt Hess einen höheren Gewinn als bei Silo- oder Körnermais. Doch auch der Aufwand ist deutlich größer. Einen Vergleich findet der Landwirt schwierig. „Saatmais ist eine Sonderkultur. Und dafür sind wir Profis“, sagt Volker Hess.

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So entsteht Saatgut für Ökomais

Im Jahr 2018 verkauften die Saatmaiszüchter ca. 80 000 Einheiten der Öko-Maissorten, meldet das Deutsche Maiskomitee (DMK). Zur Auswahl standen 67 Sorten.

Alle zeichnen sich durch eine frühe Reifezeit aus, die meisten sind Hybriden. Aktiv züchten nur wenige Züchter Öko-Maissorten. Viele Sorten kommen aus dem konventionellen Bereich. Wichtig sind vor allem eine sehr gute Jugendentwicklung und frisches Saatgut. Durch die Zucht der konventionellen Sorten kommen auch neue Öko-Sorten auf den Markt.

Seit 2014 müssen die Betriebe Öko-Saatgut verwenden, solange die Sorte verfügbar ist. Bis dahin war es den Betrieben erlaubt auch konventionelles, aber ungebeiztes Saatgut zu nutzen. Als Öko-Saatgut gelten Sorten, die in der letzten Vermehrungsstufe auf Öko-Flächen vermehrt werden. Ein Großteil des Saatguts wird in Österreich produziert, weniger auch in den Osteuropäischen Staaten.

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