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Sauberes Wasser durch freiwillige Kooperation

Die Wasserkooperation Stevertal hat bewiesen, dass sich durch gemeinsame Anstrengungen von Landwirten und Wasserwirtschaft die Pflanzenschutzmitteleinträge reduzieren lassen.

Lesezeit: 10 Minuten

Alles begann 1987 mit Atrazin. Um die Belastung zu reduzieren, wurde ein Anwendungsverbot im Trinkwassereinzugsgebiet auferlegt. Schnell kamen die Beteiligten aber zu dem Schluss, dass die Gründung einer freiwilligen Wasserkooperation der bessere Weg sei, als ein alleiniges Verbot mit Entschädigung.

Bereits 1990 schlossen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft den ersten Kooperationsvertrag mit dem Ziel, Maßnahmen für besseren Gewässerschutz zu erarbeiten, der beide Seiten zufriedenstellt. „Dieser Ansatz war zur damaligen Zeit völlig neu und innovativ“, betont der ehemalige Vorsitzende der Wasserkooperation Anton Holz. Denn die Kooperation gehörten zu den ersten überhaupt.

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Stausee liefert Trinkwasser

Das Einzugsgebiet der Stevertalsperre –also des Halterner Stausees – befindet sich im westlichen Münsterland (NRW) und unterteilt sich in zwei Teileinzugsgebiete: Die Stever entspringt in den Baumbergen. Sie verläuft durch mehrere Kommunen und wird von Nebenbächen gespeist, bis sie im Hullerner Stausee mündet. Dieser wiederum fließt in den Halterner Stausee.

Der Halterner Mühlenbach kennzeichnet das zweite Teileinzugsgebiet der Stevertalsperre. Er mündet direkt in den Halterner Stausee.

Vom Nordbecken dieses Stausees fließt das Wasser ins Südbecken. Für die Gewinnung des Trinkwassers pumpen die Wasserwerke es ab und leiten es in Versickerungsbecken. Die Halterner Sande haben eine exzellente Filtereigenschaft. Aus den Brunnen wird das ­Wasser dann wieder hochgepumpt. Das Trinkwasser besteht dann zu 70 % aus Oberflächenwasser und zu 30 % aus Grundwasser.

Rückstände im Trinkwasser

Pflanzenschutzmittelrückstände sind gerade für das aus Oberflächenwasser gewonnene Trinkwasser ein Problem, da Runoff- und Punkteinträge sich oft direkter auswirken als beim Grundwasser. Die Wasserwerke setzen Aktivkohle ein, um die Wirkstoffe zu binden und zu entfernen. Je nach chemischer Zusammensetzung gelingt das bei einigen Stoffen leichter, bei anderen weniger gut. Daher muss es das oberste Ziel sein, solche Einträge auf ein Minimum zu reduzieren.

„Um schon vor der Wasserentnahme mögliche Probleme zu erkennen, gibt es an den Zuflüssen zu den Talsperren Haltern und Hullern mehrere Probenahmestellen. Hier werden entweder durch automatische Probenehmer kontinuierlich Tagesmischproben oder an weiteren Messpunkten Stichproben gezogen“, erklärt Ulrich Peterwitz von Gelsenwasser AG, die aus ihrem Wasserwerk in Haltern am See pro Jahr 100 Mio. m3 Trinkwasser an die Verbraucher abgeben.

Während es vor 30 Jahren das ­Atrazin war, das Probleme bereitete, sind es in den vergangenen Jahren Wirkstoffe wie Terbuthylazin, Dimethenamid (Maisanbau) und Flufenacet (Getreidebau). Auch Nicosulfuron trat in einem Teilbereich in kritischen Konzentrationen auf. Das war umso problematischer, weil sich dieser Wirkstoff schlecht herausreinigen lässt.

Verlustpfade vom Acker

Im Einzugsgebiet der Stevertalsperre, also dem heutigen Kooperationsgebiet, liegen gut 51.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, davon sind 83 % Ackerflächen mit einem Maisanteil von 35 %. Wie auch anderswo, spielten Punkteinträge anfangs eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus bereitet Oberflächenabfluss und Erosion insbesondere im hängigen Gelände des Stevergebietes immer wieder Probleme.

Vor allem in Reihenkulturen, wie Mais, ist das Risiko dafür hoch. Eine weitere Quelle stellt Abdrift dar. All dies galt es in den Griff zu bekommen.

Gemeinsam für sauberes ­Wasser

Um dieses Ziel zu erreichen, hatten sich Wasserversorger und Landwirte mit der Gründung der Wasserschutzkooperation 1987 für den gemeinsamen Weg entschieden. Dieser sollte durch geeignete landwirtschaftliche Berater begleitet werden. So wollte man auf Basis der Freiwilligkeit die Pflanzenschutzeinträge reduzieren. „Der kooperative Gedanke hat hohe Akzeptanz in der Landwirtschaft,“ sagt Anton Holz, ehemaliger Kooperationsvorstand.

So sah es auch Landwirt Christian Große Gorgemann. Er nimmt mit seinem Schweine­mastbetrieb seit der ersten Stunde an der Kooperation teil. „Eine Kommunikation auf Augenhöhe mit der Wasserwirtschaft, in der alle Interessen ernsthaft wahrgenommen werden, war für uns die größte Motivation mitzumachen“, erzählt der Landwirt.

Dass das funktioniert hat, sieht auch Peter Wessels von den Stadtwerken Coesfeld so: „Die gute Kommunikation und die hohe Bereitschaft durch die Landwirte machen eine gute Kooperationsarbeit erst möglich.“

Aktuell haben sich von den 3.000 Betrieben im Gebiet 800 der Kooperation angeschlossen. Insgesamt umfasst das 65 % der landwirtschaftlichen Fläche. Treten die Landwirte der Kooperation bei, unterschreiben sie eine Erklärung, in der sie sich freiwillig verpflichten:

  • Punkteinträge zu vermeiden,
  • problematische Wirkstoffe möglichst nicht anzuwenden,
  • innovative Technik zu nutzen,
  • über die Pflanzenschutzmaßnahmen eine Ackerschlagkartei zu führen und
  • diese der Landwirtschaftskammer NRW zur Verfügung zu stellen.

„Das hat uns zu Anfang etwas Sorge bereitet. Schließlich leiten wir sensible Betriebsdaten weiter“, blickt Große Gorgemann zurück. Heute übermittelt er die Daten ohne Bedenken.

Damit die Verpflichtungen nicht einseitig bestehen, erhalten die Landwirte im Gegenzug kostenlose Pflanzenbauberatungen und Schulungen. Dafür ist seit 2017 Tobias Schulze Bisping von der Landwirtschaftskammer NRW verantwortlich. 

Beratung – elementar wichtig

Die Beratung ist ein wichtiger Baustein beim Gewässerschutz. Nur eine gute fachliche Beratung schafft Wissen und damit Verständnis für die Materie. „Durch die sehr gute Beratung und Infomails konnten wir – trotz des Verzichts auf so manche Wirkstoffe – unsere Acker­flächen sauber halten“, hebt Große Gorgemann hervor. „Gibt es Preisdifferenzen zwischen den Wirkstoffen oder Arbeitsverfahren, springt die Kooperation mit Zuschüssen ein.“

Ähnlich sieht es Landwirt Hubert Farwick: „Wir nehmen die Pflanzenbauberatung seit Jahren gerne in Anspruch.“ Die Familie Farwick bewirtschaftet 200 ha im Kooperationsgebiet. Der Betrieb ist spezialisiert auf Jungsauenvermehrung, welche einen Großteil der Arbeitskapazität bindet. Daher ist der Betrieb dankbar für die Unterstützung auf dem Acker. „Wir erhalten aktuelle Anbautipps und können gleich­­zeitig zum Gewässerschutz beitragen“, so der Landwirt. Die Mitarbeiter Antonius Elfering und Marcel Schulz nutzen das regelmäßige Pflanzenbaufax dann auch gerne für die Ausbildung der zwei Lehrlinge. Damit sensibilisiert der Betrieb schon früh das Bewusstsein für den verantwortungsvollen Umgang mit Pflanzenschutzmitteln.

Auch praxisnahe Demonstrationsversuche und Feldbegehungen gehören zum kostenlosen Angebot. „Für mich war die Teilnahme an innovativen Ackerbauverfahren oft sehr interessant“, zieht Christian Große Gorgemann Resümee. Ein weiterer Baustein neben der Beratung ist ein Maßnahmenangebot, aus dem jedes Kooperationsmitglied frei wählen kann. Den damit verbundenen höheren Aufwand entschädigen die Wasserversorger.

Maßnahmen – effektiv und gut umsetzbar

„Damit Maßnahmen wirken, müssen sie effektiv und gleichzeitig gut umsetzbar sein“, weiß Berater Schulze Bisping. Nur dann sind sie für alle Beteiligten sinnvoll. Vor allem die Runoff-Einträge von Maisherbiziden bei stärkeren Niederschlägen bereiten Probleme. Daher wird in der Beratung verstärkt auf Mulchsaat gesetzt, um die Infiltrationsleistung der Böden zu steigern. Auch die meisten Maßnahmen zielen darauf ab, den Abfluss von den Äckern in die Gewässer zu verringern.

Dazu zählen:

  • Förderung von 10 bis 20 m breiten Gewässerschutzstreifen,
  • Förderung der Strip Till-Maisaussaat in den Wasserschutzgebieten Coesfeld und Lette sowie
  • das Pilotprojekt „Reduktion der Nicosulfuroneinträge im Funnegebiet“.

Letzteres Projekt entstand, weil Nicosulfuronfunde bereits 2012 große Probleme bei der Trinkwasseraufbereitung im Wasserwerk Haltern bereiteten. Die Einträge stammten aus einem relativ kleinen Gebiet und waren im Wesentlichen auf die dortigen Standortgegebenheiten und die Witterung zurückzuführen.

„Daraufhin haben wir in dem Pilotprojekt den dortigen Landwirten angeboten, den Mehraufwand für andere Mittel zu entschädigen, wenn sie auf nicosulfuronhaltige Präparate verzichteten“, erläutert Berater Schulze Bisping den Projektansatz.

Belohnung durch Sonderförderungen

Auf gute Resonanz bei den Landwirten stoßen auch die Sonderförderprogramme. Diese werden aufgelegt, wenn die Wasserwerke im Jahr weniger als 100 t Aktivkohle einsetzen müssen. „Die im Wasserwerk verwendete Aktivkohlemenge ist sozusagen unsere Messlatte für die Wasserqualität in der Talsperre und für den Erfolg der Kooperation,“ sagt Ulrich Peterwitz von der Gelsenwasser AG.

„Immer dann, wenn wir finanzielle Mittel für Einsatz und Entsorgung der Aktivkohle einsparen und die Menge unterhalb der Zielgröße von 100 t pro Jahr bleibt, kommt das den Kooperationslandwirten zugute.“ Gefördert werden technische Investitionen. Viele von ihnen mit dem Ziel, Punkteinträge zu minimieren.

Im Jahr 2018 wurden beispielsweise lediglich 83 t Aktivkohle eingesetzt, sodass 2019 das Förderprogramm startete. Der größte Förderbaustein war die Bezuschussung moderner GPS-Technik in Pflanzenschutzgeräten, um die Überlappung zu minimieren (Parallelfahreinrichtung und automatische Teilbreitenschaltung).

Darüber hinaus investierten Landwirte in die kontinuierliche Innenreinigung, bei der die Restmengen kontinuierlich verdünnt und auf der behandelten Fläche ausgebracht werden. So lässt sich die Gefahr von Punkteinträgen durch unsachgemäße Reinigung größtmöglich reduzieren. Auch die Förderung von Spritzenwaschplätzen, die dazu beitragen, dass die Reinigung ohne Gefahr von punktuellen Einträgen über die Hofentwässerung stattfinden kann, ist begehrt.

Ein neuer Förderbaustein bezuschusst die Anschaffung von Maishacken zur mechanischen Unkrautregulierung im Mais. Der Pflanzenschutzmitteleinsatz lässt sich dadurch verringern, sofern die Witterung mitspielt und die Bodenverhältnisse eine mechanische Bekämpfung zulassen. Neu ist ebenfalls der Zuschuss zu einer elektronischen Füllstandsanzeige an der Feldspritze. So lassen sich Spritzbrühen auf den Liter genau ansetzen und unnötige Restmengen vermeiden.

Insgesamt wurden im Sonderförderprogramm 100.000 € ausgezahlt.Betriebsleiter Christian Große Gorgemann sieht insbesondere in den technischen Maßnahmen, wie der automa­tischen Teilbreitenschaltung oder der ­kontinuierlichen Innenreinigung, einen großen Nutzen, damit weniger Pflanzenschutzmittel in die Umwelt gelangen.

Neue Ideen ausprobieren

Um neue Ansätze in die Praxis zu bringen, legen Landwirte und Berater gemeinsam Demonstrationsver­suche an. Der Fokus im Jahr 2019 lag auf der Kombination aus mechanischer und chemischer Unkrautkontrolle. „Wir wollten Varianten finden, in denen beide Maßnahmen optimal aufeinander aufbauen und einen hohen Wirkungsgrad erreichen“, erzählt Berater Schulze ­Bisping. Durch die praxisnahe Anlage der Versuche können die Landwirte sich auf Feldbegehungen ein direktes Bild machen.

Erfolge sind messbar

Mehr als 30 Jahre Kooperationsarbeit können sich sehen lassen. Nach wie vor engagieren sich die Landwirte für den Gewässerschutz. Beratungsangebote, Gewässerschutzmaßnahmen und Sonderförderprogramme werden gut an­genommen. So stieg im Jahr 2019 die Fläche der Gewässerschutzstreifen von 12 auf 31 ha an. ­Hubert Farwick und Christian Große Gorgemann sehen in den Schutzstreifen einen doppelten Nutzen: „Sie helfen, die gesetzlichen Vorgaben beim Spritzen einzuhalten und es gelangen weniger unerwünschte Stoffe ins Gewässer.“

Die Wasserwerke konnten den Aktivkohleeinsatz mittlerweile auf ein Minimum zurückfahren. „Früher haben wir auch schon mal bis zu 1 200 t einsetzen müssen“, sagt Ulrich Peterwitz von Gelsenwasser AG. Im vergangenen Jahr war gar kein Einsatz notwendig. „Zwar trug auch die Trockenheit dazu bei, dass es kaum Runoff-Verluste gab, aber das alleine erklärt nicht den deutlichen Rückgang des Aktivkohleeinsatzes“, so Berater Schulze Bisping.

Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel für den Erfolg ist der Rückgang der Nicosulfuroneinträge durch das Sonderprogramm. Während 2012 eine Maximalkonzentration von 1 400 ng/l in der Funne gemessen wurde, waren es in den folgenden Jahren in der Regel Werte zwischen 30 und 80 ng/l.

Die Beratung sowie die Förderung von Spritzenwaschplätzen und der kontinuierlichen Innenreinigung haben dazu geführt, dass Punkteinträge im Kooperationsgebiet so gut wie nicht mehr vorkommen.

In Anbetracht dieser Leistungen wünscht sich Christian Große Gorgemann von dem Wasserversorger mehr positive Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf die Kooperation.

Denn trotz aller Erfolge stehen immer wieder neue Herausforderungen an. Mit dem Wegfall von Glyphosat werden die Landwirte auf andere Mittel zurückgreifen oder vermehrt auf mechanische Bekämpfung setzen müssen. Die zusätzliche Bodenbewegung kann aber zu mehr Erosion und Nitratschüben führen. So fasst auch Peterwitz die Situation zusammen: „Die Kooperation bringt Erfolge, aber die Arbeit bleibt.“

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