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"Schädlinge sind die Polizei der Natur"

Landwirt Peter Hilfiker führt seinen 40-ha-Betrieb mit Mutterkuhhaltung in der Schweiz bereits seit über 20 Jahren aus Überzeugung nach biologischen Richtlinien. Können konventionell wirtschaftende Betriebe etwas aus seinen Erfahrungen lernen?

Lesezeit: 6 Minuten

Mehr Dünger, mehr Spritzmittel und immer schwerer zu bearbeitende Böden. Für Landwirt Peter Hilfiker aus Rothrist in der Schweiz war irgendwann Schluss mit lustig. "Im konventionellen Ackerbau habe ich immer mehr Dünger und Hilfsstoffe einsetzen müssen, um den gleichen Ertrag zu erzielen", sagt der Biobauer. Das sei der Hauptgrund für die Umstellung auf Bio 1998 gewesen.

Der gelernte Maschinenbauer hat den Betrieb 1985 als 26-Jähriger nach dem Tod des Vaters übernommen. Den viehlosen Ackerbaubetrieb bewirtschaftete er zunächst im Nebenerwerb. Für die Auslastung der eigenen Maschinen hat er im Lohn für drei weitere Betriebe als Dienstleister gewirkt. Als die Direktzahlungsverordnung mindestens 50 % Eigenbewirtschaftung verlangte, konnte er das Land von den drei Betrieben 1993 dazupachten. Mit dem Zukauf einer Mutterkuhherde wurde der Hof zum Vollerwerbsbetrieb.

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Die richtige Entscheidung

Auf 25 ha baut er Biogemüse wie Karotten, Blumenkohl, Broccoli, Spinat, Bohnen und Erbsen an. "Als wir umgestellt haben, haben uns die Nachbarbetriebe ausgelacht", erinnert sich der Landwirt. Heute ist er noch überzeugter, dass er damals genau die richtige Entscheidung getroffen hat. Landwirte hätten in den vergangenen Jahren vergessen, was die Natur alles kann. "Wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir etwas ändern müssen. Die Böden sind in einem schlechten Zustand. Humusaufbau ist angesagt", sagt Hilfiker.

Oft lese er, dass ein pestizidfreier Anbau nicht möglich sei. Die über 6500 Biobetriebe in der Schweiz beweisen das Gegenteil. Biogemüse gehört sicher zu den schwierigeren Kulturen. "Eine gesunde Pflanze wird nicht vom Schädling gefressen", sagt der Biolandwirt. Ein aktiver Boden sei die Basis zum Erfolg.

Humusgehalt bis zu 3.5 %

Bei ihm habe es nach der Umstellung fünf bis sechs Jahre gedauert, bis sich der Boden daran gewöhnt hat wieder selber zu arbeiten. Indikator Nummer eins für einen intakten Boden sei der Humusgehalt. Bei einem zu tiefen Humusgehalt kann sich der Boden nicht mehr regenerieren. Je mehr Humus ein Boden hat, desto mehr Wasser und Nährstoffe kann er speichern. Da seien auch trockene Jahre, wie im vergangenen Jahr, besser zu überstehen.

Die Böden von Hilfiker weisen im Durchschnitt einen Humusgehalt von 3 bis 3,5 % auf. Dieser könnte nach seiner eigenen Zielvorstellung noch höher sein. In fünf Jahren überträgt Hilfiker den Hof an seinen Sohn. "Den Betrieb möchte ich ihm mit dem gleichen Humusgehalt übergeben, wie ich ihn übernommen habe."

Hilfikers Anbautipps

1. Keimfäden des Unkrauts zerstören

Je kleiner die Unkräuter, desto einfacher sind sie zu bekämpfen. Haben sie schon Wurzeln gebildet, muss die Maschine mit mehr Druck arbeiten.

Die Gefahr ist groß, dass auch Kulturpflanzen zerstört werden. "Wenn man früh genug striegelt, bevor das Unkraut sprießt, kann man bereits 90 % des Unkrauts vernichten", sagt Hilfiker. Bei Bohnen fährt er beispielsweise schon drei Tage nach der Aussaat mit dem Striegel durch. So seien bereits über 90 % der Keimfäden zerstört, bevor die Bohnen nach fünf Tagen aus der Erde kommen.

2. Pfluglos arbeiten

Hilfiker empfiehlt, so oft wie möglich auf den Pflug zu verzichten. In der oberen 8-cm-Bodenschicht seien Mikroorganismen, die Luft brauchen und organisches Material verarbeiten. Wird der Boden tief umgepflügt, ist dies für die Bodenlebewesen kritisch. Wenn zudem durch das Pflügen Pflanzenreste auf 25 cm Tiefe umgekehrt werden, können diese nicht verrotten. Sie verfaulen dort und ziehen dann wieder Schädlinge wie Schnecken an.

3. Vielfältige Fruchtfolge

"Wenn Sie Windhalm im Getreide haben, stimmt die Fruchtfolge nicht", ist der Landwirt überzeugt. Oft werde zu viel Wintergetreide in der Fruchtfolge angebaut. Hilfiker fährt eine achtjährige Fruchtfolge, da er Erbsen nur alle acht Jahre anbauen kann. Es folgen Bohnen, Karotten, Blumenkohl und Co. Zur Erholung des Bodens baue er in seiner Fruchtfolge zweimal Winterweizen an mit einer nachfolgenden Gründüngung.

4. Getreide striegeln

Beim konventionellen Getreideanbau könne ganz auf Spritzmittel verzichtet werden. Der Biobauer kenne viele konventionelle Landwirte, die bereits ihr Getreide striegeln lassen und nicht mehr spritzen. Ein ausschlaggebendes Argument sei hier auch der Kostenfaktor. Ein Striegeldurchgang koste ungefähr 100 CHF/ha. Mit zwei Striegeldurchgängen sei das Getreidefeld sauber. Bei Wintergetreide sollten Landwirte so bald wie möglich, spätestens jedoch Anfang März, das erste Mal mit dem Striegel übers Feld.

5. Stillstand nach Ernte nutzen

Nach der Getreideernte passiere auf dem Acker oft zwei Monate nichts. Zu der Zeit sind jedoch am meisten Sonne und beste Bedingungen für eine nächste Kultur. Biolandwirt Hilfiker empfiehlt, hier eine Gründüngung einzusäen. Effekt: Der Boden regeneriert sich und baut Humus auf.

6. Untersaat

Nach der Aussaat seien vor allem die ersten drei Wochen entscheidend. Die Kultur müsse so groß sein, dass das Unkraut keine Konkurrenz mehr ist. Das Beikraut habe auch sein Gutes, es schützt den Boden vor Regen und Sonne. Deshalb probiert Hilfiker eine spezielle Untersaat aus. Es gibt neue Mischungen mit Weidelgras und verschiedenen Kleearten, die wie ein Rasen nur bodenbedeckend wachsen.

Der Biolandwirt hofft, dann nicht mehr hacken zu müssen. Bei der Mischung sei es wichtig, dass sie nur langsam wächst und sich so keine Konkurrenz zur Pflanze aufbaue.

7. Ampfer besiegen

Jede Pflanze ist eine Zeigerpflanze. Die Wurzel des Ampfers geht tief in den Boden und nimmt dort Stickstoff auf. Bei einer Umstellung auf Bio dauert es womöglich Jahre, bis der schnell lösliche Stickstoff im Unterboden aufgebraucht ist und der Ampfer verschwindet. "Bei dem wenigen Ampfer, den wir noch haben, ist es selbstverständlich, dass wir Samenständer entfernen und, wenn wir Zeit haben, auch stechen", sagt Hilfiker.

Kooperation mit Nachbarn

Mit zwei Nachbarbetrieben, die ebenfalls Biogemüse anbauen, arbeitet der Betrieb Hilfiker seit Langem zusammen. Beispielsweise teilen sich die Betriebe die polnischen Mitarbeiter, die Maschinen oder das Kühlhaus. Um Streitigkeiten untereinander aus dem Weg zu gehen, werden alle Dienstleistungen und Mieten untereinander in Rechnung gestellt. Zusammen bewirtschaften sie ungefähr 130 ha.

Bio fordert Selbststudium

Im Bioanbau gab es vor 20 Jahren wenig Berater oder Studien. Der Biobauer war gefordert, Dinge selbst auszuprobieren. Aber genau das mache den Beruf spannend. Vor allem seine über 20 Jahre Erfahrung, der regelmäßige Besuch von Seminaren und Fortbildungen sowie der Austausch mit anderen Biobauern, auch im Ausland, helfe ihm im Arbeitsalltag enorm. Hilfiker fände es schön, wenn in der Landwirtsausbildung über die natürlichen Abläufe in der Natur und im Boden mehr «das vergessene Wissen » unterrichtet würde. Vorbeugen sei besser und einfacher als Heilen.

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