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Verzicht auf Pflanzenschutz auf Kosten der anderen?

Die Forderung, in den fruchtbarsten Regionen der Erde auf nahezu 50 % Ertrag zu verzichten, sei ethisch und moralisch nicht vertretbar. Das führt uns der Ukraine-Krieg gerade deutlich vor Augen.

Lesezeit: 13 Minuten

Unser Autor: Prof. Dr. Joseph-Alexander Verreet,Universität Kiel

Der Sektor Landwirtschaft ist die Grundlage für den Wohlstand unserer Zeit. Die Menschen mit ausreichend Nahrung zu versorgen wird wegen der steigenden Weltbevölkerung und den zunehmenden Krisen zu den größten Herausforderungen der nächsten 100 Jahren zählen. Darüber hinaus wird die Landwirtschaft auch die zunehmende Futtermittelversorgung, die Rohstoffnachfrage und Energieversorgung befriedigen müssen. Damit haben die Anforderungen an die praktische Landwirtschaft weltweit extrem zugenommen.

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Dieser Artikel ist bereits im Dezember 2020 erschienen, als die Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften) eine ökologischen Wende forderte, die unweigerlich Ertrag kosten wird. Angesichts des Ukrainekrieges, hat sich die Thematik schneller verschärft, als gedacht: Die stockenden Weizenausfuhren eines der wichtigsten Exportländern und die stark angestiegenen Getreidepreise heizen das Hungerrisiko in Teilen der Welt, die zugleich gerade häufig unter starken Dürren leiden, zusätzlich an.

Mehr Menschen haben Hunger

Bereits am Welternährungstag 1997 wie auch am Welthungertag 2020 wiesen Experten auf die Situation hin, dass durchgehend nahezu 800 Mio. Menschen, davon 190 Mio. Kinder, auf der Welt unterernährt sind.

Nach Schätzungen der FAO (Food and Agriculture Organisation) wird die Bevölkerung in 2020 auf annähernd 8 Mrd. und im Jahr 2050 auf 10 Mrd. Menschen ansteigen. Die recht genauen Prognosen der FAO sagen im Detail bis 2050 voraus, dass die Bevölkerung Asiens um 25% auf 5,3 Mrd., Nord- und Südamerikas um 29 % auf 1,2 Mrd., Afrikas um 141% auf 2,5 Mrd. steigen und in Europa um 3 % auf 716 Mio. abnehmen wird.

In Summe bedeutet dies für die Nahrungsmittelversorgung aller Menschen in 2050, dass sich die pflanzliche Nahrungsmittelproduktion auf den vorhandenen Flächen verdoppeln muss.

Hinzu kommt, dass mit dem in industriell aufstrebenden Ländern wachsenden Wohlstand, der Energiebedarf und der Fleischkonsum deutlich zunehmen. Die Veredlung von tierischem Protein durch pflanzliche Futtermittel führt zu einem steigenden Futtermittelbedarf, was sich wiederum zu einem konkurrierenden Flächenbedarf entwickelt. Gleichzeitig nimmt aber das für die Nahrungsmittelproduktion verfügbare Ackerland pro Kopf ab.

Durch die Abnahme der Erdölreserven steigt zudem der Bedarf an alternativen Energierohstoffen an. Der prognostizierte Klimawandel wirkt sich darüber hinaus auf die Ertragsleistung aus. Es sind vermehrt Ernteverluste durch widrige Wetterbedingungen zu erwarten. Insgesamt resultiert daraus eine erhöhte Konkurrenz der Anbauflächen um Nahrung, Futter, Bioenergiepflanzen und Faser.

Zwei Wege zu mehr Nahrung

Um im Jahr 2050 alle Menschen ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen, bedarf es der Anstrengungen aller – aber besonders der Länder und Regionen, in denen bereits Überfluss herrscht. Sie haben das Know-how und die Ressourcen, effizient und umweltschonend zu produzieren.

Das Überleben und das Wohlergehen der zukünftigen Generationen ist primär von einer ausreichenden und gesunden Ernährung abhängig. Der Beitrag der Landwirtschaft liegt damit in der Nahrungsmittelproduktion. Um den steigenden Bedarf zu sichern sind zwei Wege möglich:

  • Erweiterung der Flächen durch bisher landwirtschaftlich nicht genutzte Flächen.
  • Steigerung der Produktion auf den bereits genutzten Flächen.

Die Erweiterung der Anbauflächen stößt schnell an Grenzen, weil dies zu Lasten natürlicher Biotope (z.B. Regenwälder in den Tropen) geht. Bei den verfügbaren, landwirtschaftlich nutzbaren Flächen variieren die Produktionsvoraussetzungen wie Bodenfruchtbarkeit und Klimabedingungen deutlich. Weltweit betrachtet nimmt die durch Regen sowie künstlich bewässerte landwirtschaftliche Nutzfläche aufgrund der weltweiten Industrialisierung, Versiegelung und der Bodenerosion ständig ab. Es gilt daher, die vorhandenen Kulturflächen so effizient wie möglich zu nutzen, wobei ökologische Anforderungen unbedingt zu berücksichtigen sind.

Wer kann die Nahrung liefern?

Weltweit existieren lediglich drei sogenannte Hochleistungsstandorte, die durch die Kombination aus hervorragender Bodengüte (Einstufung Skala bis 100) und dem erforderlichen Klima (sogenannte feuchte Mittelbreiten) gewährleisten, dass das genetisch fixierte Ertragspotenzial unserer pflanzlichen Hochleistungssorten ausgeschöpft werden kann. Dazu zählen: der Corn Belt in den USA, Europa und Teile Chinas.

Ökologisch stellen diese feuchten Mittelbreiten ein ausgesprochenes Gunst-klima dar. Sonneneinstrahlung, Niederschläge sowie höchste Bodenzahlen ermöglichen Spitzenerträge. Weltweit sind weitere Regionen mit sehr guten Böden existent, jedoch stellt hier der fehlende Niederschlag den limitierenden Faktor dar. Diese Konstellation, die der Klimawandel noch verschärft, führt dazu, dass in vielen Anbauregionen nur extensiv produziert wird und im schlimmsten Falle in bestimmten Regionen (z.B. Afrika) eine ausreichende Produktion pflanzlicher Nahrungsmittel gar nicht mehr zu gewährleisten ist.

Begrenzte Fläche

Das theoretische Potenzial der Erdoberfläche liegt inklusive Bergen, Gletschern und Wüsten bei 13 Mrd. ha.

Davon sind 5 Mrd. ha landwirtschaftliche Nutzfläche (37,3%), 3,8 Mrd. ha Wald und Steppe (28,4%) sowie 4,3 Mrd. ha Wüste und Berge (32,1%). Die 5 Mrd. ha landwirtschaftliche Fläche verteilen sich auf 3,55 Mrd. ha Weideland und 1,45 Mrd. ha Ackerfläche. Von der Ackerfläche werden aber nur 260 Mio. ha zur Nahrungsmittelproduktion genutzt. Auf 1030 Mio. ha werden Futtermittel erzeugt, auf den restlichen 155 Mio. ha Substrate für Bioenergie und Fasern.

Im Jahre 2000 ernährte eine Ackerfläche von 1,45 Mrd. ha mit Pflanzenschutzmaßnahmen eine Weltbevölkerung von 6,13 Mrd. Menschen. Ohne Pflanzenschutz wäre bereits eine mehr als doppelt so hohe Gesamtfläche von 4 Mrd. ha erforderlich. Das hätte eine umfangreiche Inkulturnahme von Grenzflächen, also Flächen, die weniger für eine landwirtschaftliche Nutzung geeignet sind, wie Grünland, Wald oder die Prärie, erforderlich gemacht.

In 2025 wäre ohne Pflanzenschutz bei einer Weltbevölkerung von 8 Mrd. Menschen ein Flächenbedarf von insgesamt 5,9 Mrd. ha erforderlich, welcher eine zusätzliche Inkulturnahme von Grenzflächen nach sich ziehen würde. Dies würde die Gleichgewichte von Biozönosen erheblich verändern und eine nicht überschaubare Veränderung des Klimas auf unserem Globus nach sich ziehen sowie den prognostizierten negativen Klimazustand erheblich verstärken.

Die mit der Inkulturnahme häufig einhergehende Brandrodung ist schon heute für ca. 18 % des Klimawandels verantwortlich. Das ist bedeutender als die weltweite Industrieproduktion und auch als das weltweite Transportwesen.

Mit der wachsenden Weltbevölkerung und zunehmenden Industrialisierung verschiebt sich die Pro-Kopf zur Verfügung stehende Ackerfläche. Im Jahr 1950 mit einer Weltbevölkerung von 2,5 Mrd. Menschen sowie einer Ackerfläche von 1,3 Mrd. ha, standen für die Pro-Kopf-Nahrungsmittelversorgung 0,53 ha zur Verfügung; in 2050 mit annähernd 10 Mrd. Menschen und 1,5 Mrd. ha Ackerfläche wird die Fläche 0,16 ha betragen.

Der Trend der zunehmenden Bodenversiegelung und der Bebauung bester Ackerböden ist dabei überaus bedenklich. Sich diesem Problem nicht zu stellen, könnte für kommende Generationen ein Vermächtnis bedeuten, das mit zerstörten oder stark geschädigten Böden und einem Mangel an freier Fläche für Land- und Forstwirtschaft sowie Erholungszwecke einhergeht.

Dabei verändert sich auch die Landwirtschaft an sich. Ernährte 1950 ein Landwirt in Deutschland ca. zehn Menschen, so ernährt er heute etwa 140 Menschen. Das ist eine enorme Leistung der hoch entwickelten Landwirtschaft.

Maßnahmen im Pflanzenschutz, Pflanzenbau, insbesondere Biotechnologie, Bewässerung und Düngung werden weiterhin eine entscheidende Rolle für den Erhalt der globalen Selbstversorgung aber auch der Umwelt einnehmen. Daher müsste die Weltgemeinschaft in den ökologisch präferiertesten Weltanbauregionen mit modernstem Know-how eine erhebliche Ertragssteigerung zur Versorgung der Weltbevölkerung anstreben.

Klimawandel verschärft die Lage

Klimawandel hat es seit Entstehung der Erde gegeben und wird es auch weiterhin geben. Afrika war in gewissen Zeiten der Evolution der fruchtbarste Kontinent. Hier herrschten begünstigende Klimabedingungen für das pflanzliche Wachstum vor, sodass dort letztlich die Entstehung des Menschen seinen Ursprung fand.

Laut Intergovernmental Panel on Climate Change wird es weltweit zu einem weiteren Temperaturanstieg kommen. Dies wiederum bedeutet für Afrika, Südamerika, Teile Asiens und Australien in Zukunft, dass Niederschlag noch mehr zum limitierenden Anbaufaktor wird. Das wird die Ertragsleistungen in einigen Weltregionen um bis zu 45 % reduzieren. Diese Entwicklung in Zusammenhang mit der teils stark steigenden Bevölkerung in einigen Regionen, werden mit großer Sicherheit zu weiter zunehmenden Migrationsströmungen führen.

In Europa dagegen wird bei einem Temperaturanstieg von 3°C und einem um 14% verringerten Niederschlag bei zunehmender CO2-Wirkung der Ertrag geringfügig steigen bzw. gleich bleiben.

Bedeutung des Pflanzenschutzes

Ziel der Phytomedizin ist es, eine wirtschaftlich und ökologisch verantwortliche Erzeugung von Nahrungsmitteln in ausreichender Menge und hoher Qualität sicherzustellen und die weltweiten Verluste auf dem Acker und im Lager durch Viren, Bakterien, Pilze, Schädlinge und Unkräuter möglichst gering zu halten.

Pflanzenschutz dient primär dazu, das genetisch fixierte Ertragspotenzial von Kulturpflanzen zu sichern. Er soll damit Schäden vorbeugen und stellt eigentlich kein Mittel zur Steigerung, sondern zur Sicherung der Erträge dar.

Unsere Kulturpflanzen, die die klassische Pflanzenzüchtung hinsichtlich der Merkmale Ertrag, Nährstoffeffizienz und Qualität als Hochleistungssorten über Jahrhunderte selektiert hat, stellen Kunstgebilde ohne evolutionäre Erfahrung dar. Höherer Ertrag geht immer auch auf Kosten der Widerstandsfähigkeit. Daher sind Kulturpflanzen anfälliger als Wildpflanzen. Letztere sind durch die lange evolutionäre Koexistenz mit Krankheitserregern angepasst, ihr Ertrag und ihre Verwertbarkeit sind jedoch wiederum deutlich geringer.

Darüber hinaus hängen hohe Ertragsleistungen von Witterung und Düngung ab. Als Folge intensiv geführter Bestände treten verstärkt Krankheiten, Schädlinge sowie Unkräuter als Parasiten und Nahrungskonkurrenten auf. Pflanzenschutz-maßnahmen sollen damit einhergehende Ertragsverluste verhindern.

Wie stark eine Epidemie durch Schaderreger ausfällt, hängt vornehmlich von der Witterung ab. Die Mikroorganismen haben in der Evolution ganz unterschiedliche, aber spezifische Ansprüche an die übergeordnete Steuerungsgröße Witterung gebildet. Werden diese in einer Vegetationsperiode erfüllt, kommt es zur Epidemie mit entsprechend resultierender hoher Schadensdynamik. Werden diese nicht erfüllt, bleibt sie aus.

Sinn und Zweck moderner Forschung ist es, Parameter der erregerspezifischen Ansprüche exakt zu analysieren, um entsprechend genaue Prognosen einer Epidemie tätigen zu können, sodass sich Erreger zielgenau bekämpfen lassen. Da Epidemien standort- und jahresspezifisch mitunter erheblich variieren, sind moderne Prognosemodelle ein sehr wichtiges Instrument, um den chemischen Pflanzenschutz zielgenau in der epidemiologisch sensibelste Phase einzusetzen und ihn somit auf das unbedingt notwendige Maß abzustimmen.

Fokus auf Weizen

Weizen ist die wichtigste Nahrungsmittelkultur. Die weltweite Weizenproduktion würde bei völligem Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz 413 Mrd. t betragen, was 49,6% der erreichbaren Ertragsleistung entsprechen würde.

Mit den aktuellen Pflanzenschutzmaßnahmen lassen sich zusätzlich 183 Mrd. t erzielen. Dennoch treten trotz dieser Maßnahmen jährlich Ertragsverluste von 238 Mrd. t auf. Anders ausgedrückt: jährlich gehen trotz Pflanzenschutzmaßnahmen 29% einer erreichbaren Produktionsleistung durch Schadwirkungen von Pathogenen, Viren, Schadtieren und Unkräutern verloren.

Dabei bestehen zwischen den Anbauregionen deutliche Unterschiede darin, wie effizient Pflanzenschutz die Produktion sichert und dementsprechend wie viel Ertragsverluste durch Pflanzenschutzmaßnahmen abgewendet werden. In Nordwesteuropa vermeiden Landwirte knapp 72% des Schadpotenzials durch Pflanzenschutz, in Ostasien lag der Prozentsatz bei 53%, in Nordamerika bei 42%, in Australien bei 35% und Südostasien sowie in der ehemaligen GUS (Russland) lag er dagegen bei weniger als 30%. Diese Unterschiede sind zurückzuführen auf:

  • das Zulassungsdefizit moderner Pflanzenschutzmittel,
  • fehlerhafte Anwendungsterminierungen,
  • qualitativ schlechterer Applikationsverfahrenstechniken,
  • fehlender Kapitalkraft und
  • insbesondere auf einen geringeren Ausbildungsstand des Anwenders.

Know-how bringt Effektivität

In Deutschland und in anderen europäischen Ländern hat die Ausbildung von Agrarwissenschaftlern und Landwirten einen hohen Stellenwert. Dies ist in gleichzeitigem Interesse des praktischen Landwirtes und im erweiternden Sinne auch von Verbrauchern und Umwelt. Da der Landwirt in seinem Verantwortungsbereich über die Indikation sowie den Zeitpunkt und die Aufwandmenge eines Pflanzenschutzmittels entscheidet, ist die Wissensvermittlung von entsprechendem Know-how unverzichtbar.

Daher ist es nicht nachvollziehbar, dass gerade viele Bundesländer die Stellen in der Offizialberatung für Landwirtschaft reduzieren und teils sogar ganz abschaffen.

Das weltweite Lösungskonzept, um den chemischen Pflanzenschutz auf das notwendige Maß zu begrenzen, lautet: Integrierter Pflanzenbau, Integrierter Pflanzenschutz. Im deutschen Pflanzenschutzgesetz ist der Integrierte Pflanzenschutz definiert als eine Kombination von Verfahren, bei denen unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschränkt wird.

Durch eine geschickte phytosanitäre Gestaltung des Anbausystems (Sortenwahl, Fruchtfolge, Bodenbearbeitung) lässt sich die jährlich und standortspezifisch variierende Epidemie- und Schadensdynamik um bis zu 70% reduzieren, sodass der chemische Pflanzenschutz mit Hilfe moderner Modelle und Methoden auf das notwendige Maß abgestimmt werden kann.

Der Integrierte Pflanzenschutz stellt die Kür der Phytomedizin dar. Alle Faktoren der Schadensbegrenzung sind demnach auszunutzen, um die Schaderreger unter der Schadensschwelle zu halten. Die chemischen Maßnahmen haben auch im Integrierten Pflanzenschutz seine Bedeutung. Sie stehen aber nicht am Anfang der verfügbaren Bekämpfungsmöglichkeiten, sondern an deren Ende.

Am Beispiel der Kartoffel lässt sich verdeutlichen, dass es bei vollständigem Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz und bei gleichzeitig begünstigenden Witterungsbedingungen auch immer zu Totalverlusten kommen kann. Derartige Ausfälle sind dem heutigen Verbraucher unbekannt.

Vom Exporteur zum Importeur

Die Szenarien, die mit einer Reduktion des Pflanzenschutzes einhergehen sind dahingehend mit Sorge zu sehen, dass wenn Deutschland auf Pflanzenschutz verzichten sollte, wir bei einem derzeitigen Nettoexport an Weizen von fast 6 Mio. t zum Nettoimporteur in Höhe von 14 Mio. t wechseln würden. Der daraus resultierende virtuelle Landimport (zusätzlich benötigte Fläche) bedeutet automatisch Hunger für 250 Mio Menschen in Dritt- und Schwellenländern.

Die EU ist der größte Brotgetreideproduzent der Erde (ohne Körnermais) und hat mit Abstand die höchsten Hektarerträge bei Getreide auf der Erde. Auf geringer Fläche wird eine große Menge produziert. Der durchschnittliche Weizenertrag von Deutschland liegt um das 2,5-fache über dem der USA. In Summe beträgt die Getreideproduktion der EU ca. 280 Mio. t bei einem Selbstversorgungsgrad von 123 %. Wenn ganz Europa auf Pflanzenschutz verzichten sollte, würde daraus 30 bis 40 % weniger Ertrag resultieren und der Weltmarktpreis für Getreide würde unmittelbar nach oben treiben.

Deutschland und der EU würde das wegen der gegebenen Kaufkraft mittelfristig kaum Probleme bereiten. Es ginge eindeutig zu Lasten von Dritt- und Schwellenländern. Die EU als derzeitiger Nettoexporteur an Weizen von 50 Mio. t müsste Weizen in Höhe von 90 Mio. t importieren, was unmittelbar Hunger für 1,4 Mrd. Menschen in Dritt- und Schwellenländern bedeuten würde. Für den Importbedarf wäre eine zusätzliche Flächen von 20 Mio. Hektar erforderlich. Eine derartige Fläche steht aber weltweit nicht zur Verfügung. Entsprechend würden die Weizenpreise weiter ansteigen. Diese in Deutschland bzw. der EU herbeigeführte politische Maßnahme ginge ausschließlich zu Lasten der Dritt- und Schwellenländer.

Würden die OECD-Staaten im Gegenzug ihren Fleischkonsum um 30% verringern, könnte dies 30 Mio. ha Ackerfläche (2% der weltweiten Ackerfläche) freisetzen. Die reduzierte Fleisch-nachfrage der OECD-Staaten würde global zu niedrigeren Fleischpreisen führen, die Nachfrage nach Futtermitteln sowie deren Preise würden global sinken. Daraufhin würde jedoch der Fleischkonsum in den Entwicklungsländern steigen.

Prognosen für 2050

Die FAO schätzt den weltweiten Bedarf an Weizen in 2050 auf 1 Mrd. t, die erreichbare Produktionsleistung liegt bei 850 Mio. t. Der Einfluss des Klimawandels auf die weltweite Erntemenge macht jedoch lediglich eine Gesamtertragsleistung in Höhe von 590 Mio. t wahrscheinlich.

Die in den industrialisierten Weltregionen diskutierte Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes um bis zu 50% bis hin zu einem vollständigen „ban of pesticides“ (vollständigem Verzicht) wird die Sicherung der Welternährung mit allen daraus resultierenden Konsequenzen verschärfen.

Daher müsste die Weltgemeinschaft in den ökologisch begünstigten Anbauregionen mit modernstem Know-how eine Ertragssteigerung anstreben, um die Weltbevölkerung besser zu versorgen. Wenn Deutschland, eine industrialisierte Region mit besten präferiertesten ackerbaulichen Potenzialen, aufgrund seiner Kaufkraft den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stark reduziert und geringere Erträge und Qualitäten bis zu 40% in Kauf nimmt, wird dies ausschließlich zu Lasten der ohnehin schon ärmeren Weltregionen mit weitreichenden Konsequenzen gehen.

Pflanzenschutz kann zu einem Produktivitätswachstum beitragen und ist somit ein wichtiger und notwendiger Faktor zur Sicherung der Welternährung. Dabei widersprechen sich eine hohe Produktivität und Nachhaltigkeit nicht. Die Zukunft wird auch für den konventionellen Pflanzenschutz eine große Herausforderung darstellen und kann nur durch erhebliche Innovationen bewältigt werden.

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