Unser Autor:
Lars Beke-Bramkamp
Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Bezirksstelle Hannover
Während der Vegetationsperiode läuft der Einsatz von Wachstumsreglern im Getreide oft standardisiert nebenher. Doch um den Ertrag der Hauptkultur ausreichend abzusichern, gilt es, die bestehenden Einflussparameter genau abzuwägen. Denn in den letzten Jahren wurde die Vegetationszeit häufig von Wetterextremen bestimmt.
Rückblick aufs letzte Jahr
Besonders in Erinnerung bleibt das Anbaujahr 2023/2024, in dem ein beträchtlicher Teil des Winterweizens aufgrund der ergiebigen Niederschläge in vielen Regionen ab Mitte Oktober nicht mehr bestellt werden konnte.
Zudem gab es viele Getreidebestände mit einem schwach ausgebildeten Wurzelsystem – das musste beim Wachstumsreglereinsatz berücksichtigt werden. Im letzten Herbst 2024 ließ sich das meiste Wintergetreide hingegen ohne größere Probleme aussäen. Aktuell stehen die Bestände deshalb je nach Saatzeitpunkt gut entwickelt da.
Trotzdem ist es wichtig, mit Fingerspitzengefühl an den bevorstehenden Wachstumsreglereinsatz heranzugehen. Einige Faktoren können Sie selbst beeinflussen, wie z. B. die Sortenwahl oder die Düngungsintensität.
Die größte Unbekannte bleibt allerdings die Witterung; sie stellt den Landwirt immer wieder vor neue Herausforderungen – auch beim Einsatz der Wachstumsregler. Das Anlegen eines Spritzfensters hilft, die Wirksamkeit der Maßnahme zu kontrollieren. Zudem gibt es Aufschluss darüber, ob noch weitere Behandlungen notwendig sind.
Gibt es neue Produkte?
Eine Entwicklung zeigt sich sehr deutlich: Der Markt der Wachstumsregler wird immer unübersichtlicher. Zulassungen für neue Wirkstoffe gibt es zwar nicht. Trotzdem kommen immer wieder neue Präparate auf den Markt, die bekannte Wirkstoffe enthalten. Eine Auswahl verschiedener Produkte zeigt die Übersicht 1.
Bei der Wahl des passenden Präparats ist zu beachten, dass bei Mitteln mit dem gleichen Wirkstoff oft unterschiedliche Zulassungen bzw. verschiedene Indikationen vorliegen.
Berücksichtigen Sie dies auch bei der Dokumentation der Maßnahme. Beachten Sie bei den Empfehlungen, dass man statt z. B. Calma 1 : 1 andere Trinexapac-haltige Produkte einsetzen kann. Dasselbe gilt für Camposan Extra und Cerone 660.
Winterweizen: 1-Knotenstadium ist wichtigster Termin
Beim Winterweizen kommt es – letztlich wie bei allen Getreidearten – darauf an, die Pflanze im unteren Stängelbereich zu stabilisieren.
Besonders bei langstrohigen und lageranfälligen Sorten, kombiniert mit hohen Bestandesdichten, ist ein rechtzeitiger Wachstumsreglereinsatz notwendig; erst recht, wenn hohe Düngungsintensitäten bzw. Böden mit hoher N-Nachlieferung dazukommen. Deshalb ist das 1-Knoten-Stadium der wichtigste Termin, um das Wachstum der Pflanze zu regulieren. Denn zu diesem Zeitpunkt lässt sich die Pflanze im unteren Stängelbereich stabilisieren. Zu einem späteren Termin ist das nur noch bedingt möglich.
Welche Rolle die Sortenwahl für einen standfesten Weizenbestand spielt, zeigt die Übersicht 2. Sie stellt die Halmlängen und Lagerneigung verschiedener Winterweizensorten in den niedersächsischen Landessortenversuchen 2024 dar. Die Versuche umfassen die Ergebnisse von 18 Standorten.
Durch eine erhöhte Lagerneigung fielen hier KWS Imperium, LG Optimist und KWS Donovan auf. Viele andere Sorten konnten in den Versuchen hingegen durch ihre Standfestigkeit überzeugen. Darunter waren auch längere Sorten, wie z. B. KWS Emerick, Exsal, SU Fiete und SU Tammo.
Besonders auf guten Standorten mit hoher N-Nachlieferung ist die Lagergefahr oft hoch. Hier gilt es, richtig einzukürzen.
Winterweizen: Die Strategie über die Saison
Vor allem auf gut versorgten Standorten sollte man die Aufwandmengen im BBCH 31 nicht zu stark reduzieren. Denn hier reagiert die Kultur nur mit geringen Ertragseinbußen; umgekehrt ist hier aber das Lagerrisiko höher.
Beachten Sie die Witterung im weiteren Verlauf bis BBCH 39 und planen Sie ggf. eine Maßnahme mit Medax Top + Turbo als „Notbremse“ ein.
Auf den leichteren Böden ist mehr Fingerspitzengefühl gefragt. Gerade auf Standorten mit unsicherer Wasserversorgung und dort, wo standfeste Sorten angebaut werden, reicht oft eine Maßnahme in BBCH 31 aus (mit zum Beispiel 0,5 l je ha CCC 720 + 0,2 l/ha Calma bzw. ein vergleichbares Trinexapac).
Bei hohem Lagerrisiko zeigte das Produkt Prodax als Zumischpartner in Versuchen bessere Ergebnisse beim Einkürzen als ein Trinexapac. Dieses Produkt lässt sich zum Beispiel mit 0,3 bis 0,5 l/ha Prodax und 0,5 bis 1,0 l/ha CCC 720 kombinieren.
Je nachdem wie die Witterung weiterhin verläuft und je nach Lagergefahr im Bestand, kann man anschließend in BBCH 37/39 mit Medax Top moderat nachkürzen.
Die Übersicht 3 zeigt verschiedene Möglichkeiten zur Wuchsregulierung im Winterweizen über den Verlauf der Vegetationsperiode.
Das gilt es in der Wintergerste zu beachten
Bei der Wintergerste sind die Einflussfaktoren ähnlich wie beim Winterweizen. Mit höherer Lagerneigung fielen in den Landessortenversuchen 2024 besonders die Sorten SY Galileoo und Esprit auf. Achten Sie bei der Gerste auch auf eine gute Strohstabilität. Hierbei sind die Sorten SU Midnight, Avantasia, SU Virtuosa und KWS Orbit anfälliger. Zusätzlich muss man bei der Gerste die unterschiedliche Neigung der Sorten zum Ährenknicken beachten. Hier zeigen Avantasia, SY Galileoo und SU Virtuosa häufiger abgeknickte Ähren.
Die Standardempfehlung für die Wintergerste in BBCH 31/32 ist eine Mischung aus 0,2 bis 0,4 l/ha Calma (oder vergleichbares „Trinexapac“) kombiniert mit 0,3 bis 0,4 l/ha Ceron 660 (siehe Übersicht 4, Seite 76).
Alternativ kann man bei kühleren Temperaturen auf den besseren Standorten 0,4 l/ha Medax Top + 0,4 l/ha Turbo oder 0,3 bis 0,5 l/ha Prodax verwenden (anstelle der Mischung von Cerone 660 und zum Beispiel Calma). Das garantiert eine etwas stärkere bzw. sicherere Einkürzung.
Eine Nachbehandlung in BBCH 49 ist in wüchsigen Beständen und bei Sorten, die stark zum Ährenknicken neigen, notwendig. Planen Sie in diesem Fall eine Anwendung von Camposan Extra mit 0,3 bis 0,5 l/ha ein. Diese Behandlung sollte aber vor dem Ährenschieben abgeschlossen sein. Denn andernfalls besteht die Gefahr, dass die Ähren in den Blattscheiden steckenbleiben.
Auf guten Standorten mit ausreichend Wasser und hoher Stickstoffnachlieferung ist in der Regel eine Doppelbehandlung notwendig. Auf leichteren Standorten und bei unsicherer Wasserverfügbarkeit empfiehlt es sich, die Aufwandmengen in BBCH 31 etwas zu reduzieren. Hier reicht gegebenenfalls eine Maßnahme aus.
Roggen und Triticale vorsichtig kürzen
Winterroggen steht oft noch auf ertragsschwächeren und trockenen Böden. Hier ist es besonders wichtig, vorsichtig mit den Wachstumsreglern umzugehen. Auf den 14 Standorten unserer Landessortenversuche unterschieden sich die Sorten nur geringfügig bei den Halmlängen und der Lagerneigung vor der Ernte. Etwas weniger lageranfällig waren in den Versuchen KWS Baridor und SU Erling. Wenn es die Bedingungen erlauben, kann man beim Winterroggen auf eine Einkürzung verzichten.
Bei längeren Sorten und auf Standorten mit besserer Wasserversorgung kann ein Einsatz von 0,3 l/ha CCC 720 plus 0,2 l/ha Calma (oder einem vergleichbaren „Trinexapac“) allerdings die Standfestigkeit absichern. Planen Sie je nach Situation gegebenenfalls eine Nachkürzung ein. Die Übersicht 5 zeigt verschiedene Einkürzungsmöglichkeiten für den Roggen – je nach Lagerrisiko.
Bei der Triticale ist die Strategie ähnlich wie im Winterroggen. Lageranfälligere Triticale-Sorten sind zum Beispiel Lombardo, Lumaco und Bicross. Da diese Getreide oft auf Standorten mit organischer Düngung angebaut wird, ist eine erste Maßnahme in BBCH 31 sinnvoll. Mit 0,4 l/ha CCC 720 + 0,2 l je ha Calma kann man die Standfestigkeit auf Böden mit organischer Düngung absichern. Denn zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht absehbar, wie die Organik wirkt und wie viel Stickstoff im Vegetationsverlauf nachgeliefert wird.
Reicht eine Einmalbehandlung in BBCH 31/32 nicht aus, können Sie bis zum BBCH-Stadium 39 mit 0,3 bis 0,5 l/ha Camposan Extra nachkürzen. Verschiedene Möglichkeiten zur Wuchsregulierung in der Triticale zeigt ebenfalls die Übersicht 5.
Fazit
Die Witterung bleibt die große Unbekannte und verlangt vom Landwirt eine genaue Beobachtung der Situation. Sie gibt Aufschluss darüber, ob eine Wuchsregulierung im Getreide nun notwendig ist oder nicht.
Der richtige Einsatzzeitpunkt mit einer Aufwandmenge, die zur Witterung passt, ist oft wichtiger als das eigentliche Produkt. Generell verstärken eine starke Sonneneinstrahlung und hohe Temperaturen die Wirksamkeit.
Zudem werden Wachstumsregler oft in Tankmischungen mit Herbiziden, Fungiziden oder Flüssigdüngern ausgebracht. Das führt häufig zu einer stärkeren Wirkung, teils auch zu einer schlechteren Verträglichkeit. Beachten Sie das bei Tankmischungen und passen Sie die Aufwandmenge an.
Ein Spritzfenster hilft ihnen, ihre Wachstumsreglerstrategie zu überprüfen. Zudem erlaubt es Rückschlüsse, ob noch eine weitere Maßnahme notwendig ist.