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UBA im Fokus

Warum sind deutsche Spritzmittelregeln so anders als bei den Nachbarn?

Warum gibt es in Deutschland weniger oder schärfere Zulassungen als in vergleichbaren EU-Ländern? Das liegt auch an der starken Position und dem Selbstverständnis des Umweltbundesamtes. Zwei Beispiele

Lesezeit: 5 Minuten

Es gibt viele überzeugte Gegner des chemischen Pflanzenschutzes, vor allem gebündelt in den Umwelt- und Ökoverbänden. Aber es gibt nur einen, der zugleich mächtig ist: das Umweltbundesamt (UBA). Seine Aufgabe ist es, Umweltinteressen gegenüber den wirtschaftlichen Interessen von Pflanzenschutz-Industrie und Landwirten zu vertreten.

Eine solche „Arbeitsteilung“ erscheint auf den ersten Blick nicht nur legitim, sondern auch sinnvoll.

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Warum ist das UBA dennoch für viele, die im und mit Pflanzenschutz tätig sind, ein rotes Tuch?

Grundsätzlich erfolgen Auseinandersetzungen nicht auf Augenhöhe. Das UBA hat eine einzigartige Stellung im Zulassungsprozess, die es so in der Welt kein zweites Mal gibt: Es ist „Einvernehmensbehörde“. Nur „Benehmensbehörden“ dagegen sind das Bundesamt für Risikobewertung (BfR), zuständig u. a. für Rückstände, und das Julius-Kühn-Institut (JKI), das die Wirksamkeit bewertet.

Das heißt konkret: Ohne die UBA-Unterschrift kann das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) kein Pflanzenschutzmittel zulassen, jedenfalls nicht regulär. Das UBA ist eine dem Bundesumweltministerium (BMU) unterstellte Behörde. Gerade in den letzten Jahren ist es im politischen Dauerstreit zwischen Landwirtschafts- und Umweltministerium von Landwirtschaftsseite vielfach als dessen verlängerter Arm wahrgenommen worden.

Es gibt kein „Gegengewicht“, das etwa die Produktionsinteressen der Landwirte vertritt. Das BVL ist es jedenfalls nicht: Es gehört zwar zum Bundeslandwirtschaftsministerium, seine Entscheidungen sind aber durch das notwendige Einvernehmen mit dem UBA indirekt vom BMU abhängig.

Der „Fall Conviso“

Das UBA ist durchaus in der Lage, über scheinbar kleine Details ganze Produktionsverfahren zu verhindern. Ein Beispiel ist die Kombination der Wirkstoffe Foramsulfuron und Thiencarbazone-Methyl. Zusammen mit einer dagegen toleranten Zuckerrübensorte bieten sie unter dem Namen Conviso Smart eine Lösung gegen hartnäckige Rübenunkräuter.

Sollte sich die Ertragsleistung der Conviso-Sorten in Zukunft verbessern, wäre das System auch generell eine Alternative gegenüber den sehr wacklig gewordenen Nachauflauf-Behandlungen, mit oder ohne Hacke.

Conviso ist jetzt in Deutschland mit 0,25 l/ha in einer oder je 0,125 l/ha in zwei Behandlungen zugelassen. Damit kann man es für die Flächenspritzung vergessen: Es wirkt nicht ausreichend und begünstigt damit zudem die Selektion resistenter Unkräuter. Nur in Kombination mit der Bandspritzung bietet sich eine Möglichkeit, wobei danach kein weiteres Herbizid eingesetzt werden darf.

Unterschiedliche Maßstäbe

Aber wie kommt es, dass in Frankreich, Belgien oder Österreich die wirksame Flächenspritzung mit 1 l/ha zugelassen ist und in Deutschland nicht? Letzteres verstößt gegen das EU-Pflanzenschutzrecht, genauer: gegen das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung im Rahmen der zonalen Zulassung.

Bekanntlich sind die EU-Länder auf drei Zonen verteilt. Belgien und Österreich gehören wie Deutschland zur Zone 2. Ein Mittel, das dort angemeldet und zugelassen ist, müsste ohne Weiteres eine nationale Zulassung auch in Deutschland bekommen.

Das UBA sieht allerdings auch innerhalb dieser Zonen unterschiedliche Standards der Umweltbewertung. Und ist der Meinung, Deutschland solle an der Spitze des Schutzniveaus marschieren. Dem Vernehmen nach haben höhere Maßstäbe im Bereich der Ökotoxizität bei Wasserorganismen zu einer strengeren Bewertung des Conviso geführt – und damit zu einer geringeren Aufwandmenge.

Zwei Positionen stehen sich damit unvereinbar gegenüber, weil sie unterschiedlichen Logiken folgen: Das UBA reklamiert den letzten Stand von Wissenschaft und Technik in der Analytik, die anmeldenden Firmen orientieren sich am EU-Recht.

Der „Fall Biodiversität“

Noch nicht ausgestanden ist die vom UBA angestrebte Biodiversitätsauflage, die schon 2019 die Gemüter bewegte. Zur Erinnerung: Das UBA hatte versucht, die Neu- oder Wiederzulassung von Pflanzenschutzmitteln mit Biodiversitätsmaßnahmen zu verknüpfen. Das zielte in erster Linie auf Herbizide, aber auch auf die meisten Insektizide und einige Fungizide.

Auch dies ein nationaler Alleingang, offenbar nach dem Motto: „Wenn wir schon über das Greening keine 10 % Biodiversität auf die Fläche bekommen, versuchen wir es halt auf anderem Wege.“ Daraufhin konnte das BVL 18 Mittel nur befristet wieder zulassen, woraufhin einige Hersteller klagten. Die „Biodiversität“ erschien dem Verwaltungsgericht Braunschweig als zu schwacher Begriff. Es entschied gegen das UBA unter anderem mit der Begründung, die negativen Effekte seien nicht anerkannt zu bewerten und es fehle eine Rechtsgrundlage für solche Ausgleichsflächen.

Aktuell versucht das UBA, die Sache mit der Formulierung „Nichtzielarthropoden und Nichtzielpflanzen“ fortzuführen. Für juristische Laien ist das alles sehr verwirrend. Jedenfalls hängt weiterhin die Zulassung von Mitteln im BVL fest und führt möglicherweise in Zukunft zu neuen Klagen gegen die Zulassungsbehörde.

Fazit

Ein Ausgleich von Produktions- und Umweltbelangen ist richtig und wichtig. Und es wäre falsch, allein das Umweltbundesamt für alle Schwierigkeiten im chemischen Pflanzenschutz verantwortlich zu machen. Wo aber Bekämpfungsmöglichkeiten schneller wegpurzeln als neue Lösungen entstehen, ist es schwer verständlich, warum nicht wenigstens auf EU-Ebene einheitliche Zulassungsbedingungen herrschen, wie sie das Pflanzenschutzrecht vorsieht. Nationale Alleingänge sind hier der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

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