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Bauern wehren sich gegen Wasserschutz mit der Brechstange

Im Schwalm-Eder-Kreis sollen auf 5.500 ha künftig massive Auflagen für die Flächenbewirtschaftung gelten. Viele Landwirte fürchten durch die neue Wasserschutzgebietsverordnung um ihre Betriebe.

Lesezeit: 5 Minuten

Beweidung: verboten; organische Düngung: de facto verboten; Leguminosenanbau: je nach Flächeneinstufung stark eingeschränkt bis verboten – die neuen Auflagen für das Wasserschutzgebiet (WSG) Haarhausen im Schwalm-Eder-Kreis drohen zum Berufsverbot für etliche Landwirte zu werden – zumindest in den Ortschaften bzw. Ackerfluren der engeren Schutzzone.

Das Regierungspräsidium Kassel hat nämlich einen Verordnungsentwurf zur Neufestsetzung des WSG erarbeitet, der es in sich hat und auch überregional seinesgleichen sucht, berichten Norbert Klapp, Stefan Strube und Ralf Desel vom Regionalbauernverband (RBV) Kurhessen im Gespräch mit dem Wochenblatt.

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5.500 ha in drei Zonen

Das Wasserschutzgebiet im Südwesten der Kleinstadt Borken soll deutlich größer werden als bislang und die Bewirtschaftung nur noch unter strengen Auflagen möglich. Betroffen davon sind rund 200 Betriebe mit insgesamt etwa 5.500 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche.

Im Umkreis um die Wassergewinnungsstellen (Tiefbrunnen) sind verschiedene Schutzzonen mit abgestuften Bewirtschaftungsauflagen vorgesehen. Außerdem wurde für jedes Flur stück eine sogenannte Nitrat austragungs gefährdungsstufe (NAG-Stufe) ermittelt, aus der sich erhebliche Ver- und Gebote ergeben. Weil diese am jeweiligen Flurstück festgemacht sind, kommt es vor, dass in einer Bewirtschaftungseinheit mehrere NAG-Stufen kartiert wurden, für die u nterschiedliche Auflagen gelten, gibt Stefan Strube zu bedenken. Das ist aber bei Weitem nicht das einzige Problem, weiß der RBV-Geschäftsführer.

Massive Auflagen

Ein Blick in den Verordnungsentwurf zeigt, was die Bauern unter anderem erwartet:

  • Künftig sind jährliche N min -Bodenp roben von jedem Schlag Pflicht. Bei etwa 35 € je Probe (inklusive Probenziehung) kommen da auf Betriebe mit vielen kleineren Flächen schnell mehr als 1.000 € pro Jahr an Zusatzkosten zu.
  • Die organische Düngung wird massiv eingeschränkt. Je nach WSG-Zone und NAG-Stufe verlängern sich die Wirtschaftsdünger-Sperrfristen deutlich. In Zone III dürfen Äcker der NAG-Stufe 4 und 5 beispielsweise vom 1. August bis zu 31. Januar nicht mit Gülle gedüngt werden. In Zone II ist die organische Düngung sogar generell verboten (Ausnahme Gründüngung und Fertigkompost).
  • Zusätzlich zu den längeren Sperrzeiten gibt es Obergrenzen für die Wirtschaftsdüngermenge von maximal 120 bis 80 kg N/ha. Schon mittlere Viehhaltungsbetriebe müssen deshalb künftig G ülle oder Mist an andere Betriebe außerhalb des WSG abgeben.
  • Der Leguminosen-, Raps- und Zwischenfruchtanbau wird stark reglementiert. Zahlreiche Fruchtfolgen sind nicht mehr möglich. Unter anderem darf im Herbst nach Körnerraps kein Winterweizen, Roggen und keine Triticale angebaut werden.
  • In Zone III ist die Weidehaltung nur mit Einschränkungen möglich, in der Zone II ist sie generell verboten. Das steht im Widerspruch zu den gesellschaftlichen Forderungen nach mehr Tierwohl, Licht, Luft und Bewegung. Extensive Grünlandstandorte drohen zu verbuschen und ökologisch wirtschaftende Betriebe können ihre Verbandsauflagen nicht mehr einhalten. Ihnen droht ein Verlust des Ökostatus.
  • Ohne Weidehaltung, organische Düngung und mit stark eingeschränktem Leguminosenanbau wird zudem kaum ein Landwirt auf biologische Erzeugung umstellen können. Es fehlt ihm schlicht an Möglichkeiten, die Pflanzen zu ernähren.

Zweifelhafte Ausweisung

Angesichts dieser Auflagen- und Beschränkungsflut sorgen sich die Landwirte um ihre Betriebe und deren Weiterentwicklung. Eine Entschädigung für die Beeinträchtigungen gibt es nämlich nach Wasserhaushaltsgesetz nur für mit „der Bodenbewirtschaftung verbundene Nachteile“, erklärt RBV-Geschäftsführer Ralf Desel.

Auf den wirtschaftlichen Einbußen durch das Beweidungsverbot oder die Nichtausbringung von Wirtschaftsdünger drohen die Betrieb also sitzen zu bleiben! Auch der zusätzlich zu schaffende Güllelagerraum, den zahlreiche Landwirte durch die längeren Sperrfristen benötigen, fällt nicht unter „Bodenbewirtschaftung“ und wird daher nicht bezahlt.

Über den Regionalbauernverband haben sie deshalb eine umfangreiche Stellungnahme mit Einwänden gegen den Verordnungsentwurf erarbeitet. Dieser wurde Anfang Januar durch Norbert Klapp als RBV-Vorsitzendem persönlich beim Regierungspräsidium (RP) Kassel abgegeben. In der Stellungnahme kritisieren die Landwirte unter anderem die sehr umfangreiche Ausdehnung des neuen Wasserschutzgebietes. Offenbar wurde hier der Vorsorgegedanke überstrapaziert, wenn die Gebietskulisse dreimal so groß ist wie die in Gutachten ermittelte Grundwas-ser-Neubildungsfläche (also das „unterirdische Einzugsgebiet“), bemängeln Klapp, Strube und Desel das Vorgehen der Behörden.

Außerdem vermissen sie eine konkrete Ursachenanalyse unregelmäßig auftretender, überhöhter Nitratwerte: „Wir sprechen hier über ein ehemaliges Braunkohle revier“, geben sie zu bedenken. Da habe sicherlich nicht nur die landwirtschaftliche Bewirtschaftung des Oberbodens einen Einfluss auf die Grundwasserqualität.

Die Bauern im Schwalm-Eder-Kreis wollen die drastischen Bewirtschaftungsauflagen jedenfalls nicht hinnehmen. Sie setzen nach Prüfung ihrer Einwände durch die Behörde auf einen Erörterungstermin in den nächsten Wochen. „Sollte das keine grundlegenden Entlastungen bringen, beschreiten wir aber auch den Rechtsweg und lassen die Verordnung vor Gericht überprüfen“, zeigen sich die Landwirte kämpferisch.

Für die Betriebe stehe schließlich zu viel auf dem Spiel. „Außerdem befürchten wir, dass die neue Verordnung gewissermaßen Schule macht“, erklärt Norbert Klapp: „Wenn das hier so durchgeht, ist das womöglich die Muster vorlage für weitere neue Schutzgebietsverordnungen in Hessen, aber auch in Westfalen oder Niedersachsen.“

Kooperation als Lösung?

Da hilft es auch wenig, dass der zuständige Wasserverband Fritzlar/ Homberg eine Kooperationsvereinbarung erarbeiten lässt, der später dem Vernehmen nach alle betroffenen Landwirte beitreten können. Die dort festgelegten Regelungen sollen dann für eine Laufzeit von vermutlich etwa drei bis sechs Jahren die Ge- und Verbote der WSG-Verordnung ersetzen – mit beiderseitigem Kündigungsrecht.

Diesem „Friedensangebot“ trauen die RBV-Verantwortlichen jedoch nicht so recht: Die Kooperationsvereinbarungen gelten schließlich nur für wenige Jahre. Eine in der vorliegenden Fassung verabschiedete neue WSG-Verordnung benachteiligt die Landwirte in der Region jedoch vermutlich für Generationen. Dieses Regelwerk darf deshalb so nicht kommen, mahnen Klapp, Strube und Desel: „Es gefährdet die Existenz etlicher Fami-lienbetriebe!“

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