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Wie geht es weiter im Ackerbau, Prof. Bahrs?

So wie es ist, wird es nicht bleiben. Die Produktionssysteme müssen stabiler werden und die Gesellschaft hat immer neue Ansprüche. Was tun? Und wo liegen neue Chancen? Antworten gibt Enno Bahrs.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Fragen an Prof. Dr. Enno Bahrs von der Universität Hohenheim stellte Thomas Preuße, DLG:

Welche Trends von außen werden unseren Ackerbau in den nächsten Jahren ganz besonders bestimmen?

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Prof. Bahrs: Der voranschreitende Klimawandel sowie der zunehmende Biodiversitätsverlust werden den zukünftigen Ackerbau ebenso prägen wie das weiter zunehmende Bevölkerungswachstum und die damit verbundene globale Ressourcenbeanspruchung. Auch deswegen wird der gesamtgesellschaftliche Wunsch noch weiter verstärkt, eine nachhaltigere Bewirtschaftung in der Landwirtschaft umzusetzen.

Daraus erwächst wiederum ein stärkerer Druck auf vertikale Integrationen in den beteiligten Wertschöpfungsketten, um Nachhaltigkeit messbar sowie dokumentierbar zu gestalten und somit auch an der Ladentheke das erforderliche Vertrauen zu gewinnen.

Und welche Entwicklungen innerhalb der Landwirtschaft sehen Sie?

Prof. Bahrs: Die Landwirtschaft muss neben Anpassungen an die externen Megatrends die Herausforderung eines weiter voranschreitenden Strukturwandels annehmen, mit z. T. deutlichem Hofnachfolger- und Mitarbeitermangel. Davon könnte zwar die Tierhaltung stärker betroffen sein als der Ackerbau.

Allerdings sollte ein nachhaltiger Ackerbau auf ausreichend Wirtschaftsdünger aus der Tierhaltung im Sinne einer zukünftig noch bedeutenderen Kreislaufwirtschaft zurückgreifen können, was mit zunehmend viehlosen Betrieben fraglich erscheint. Gleichzeitig wird die Landwirtschaft aufgrund des zunehmenden Mangels an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen noch kapitalintensiver. Allein deswegen wird eine hochwertige Aus- und Weiterbildung noch wichtiger.

Wer bestimmt eigentlich heute unsere Bewirtschaftung? Der Landwirt selbst oder Politik, Öffentlichkeit, NGOs?

Prof. Bahrs: Alle gemeinsam bestimmen die Landwirtschaft. Teile der Öffentlichkeit und NGOs bestimmen die Landwirtschaft gegenwärtig vermutlich stärker als in der Vergangenheit. Es kann deshalb für Landwirte ein Vorteil sein, gesellschaftliche Trends mitzudenken, wenn sie dabei erkennen, dass es nicht einfach eine Modeerscheinung ist, die schnell wieder vergeht, sondern ein echter Trend vorhanden ist.

Dabei war der Einsatz moderner Technologien, die auf den Betrieb abgestimmt sind und die sich rechnen, bislang in der Regel kein Fehler und wird es zukünftig ebenfalls nicht sein. Auch das wird den Zukunftslandwirt auszeichnen, wenngleich diese Eigenschaft auch in der Vergangenheit schon bedeutend war.

Wo liegen die größten Zielkonflikte zwischen gesellschaftlichen Wünschen und der Realität auf den Betrieben?

Prof. Bahrs: Zunächst stellt sich die Frage, welche gesellschaftlichen Wünsche gemeint sind. Die an der Ladentheke, die in Social Media oder, oder ...

Allein diese stimmen bereits nicht immer überein, woraus sich bereits zahlreiche Zielkonflikte ergeben. Sie lassen sich zwischen Fleischverzehr und vegan, Naturschutz sowie Intensivlandwirtschaft oder Selbstversorgung und globalem Handel verorten.

Unabhängig davon sind einige gesellschaftliche Wünsche mit einer hohen Arbeitsintensität verbunden, die aus Kostengründen und wegen fehlender Arbeitskräfte in der Regel nicht geleistet werden können.

Was verschiebt sich durch die aktuellen Entwicklungen 2022/23 gerade?

Prof. Bahrs: Ich würde nicht von Verschiebungen sprechen, sondern von Veränderungen, die schon vor 2022/23 begonnen haben und durch die Pandemie sowie den Krieg in der Ukraine stärker angeschoben wurden. Neben dem gesellschaftlichen Wunsch einer nachhaltigeren Bewirtschaftung zählt dazu auch das wieder geschärfte Bewusstsein einer ausreichenden (Selbst-)Versorgung mit Biomasse, auch für ein postfossiles Zeitalter. Die zunehmende Verstädterung beschleunigt dabei einzelne Veränderungen, aber auch Zielkonflikte, weil die damit zusammenhängende Unkenntnis landwirtschaftlicher Abläufe vielfach einer stärker modernisierten Landwirtschaft entgegensteht.

Was spricht angesichts der aktuellen Preisabstände noch für den Ökolandbau oder für Zwischenformen?

Prof. Bahrs: Auch der konventionelle Landbau wird wieder schlechtere Zeiten im Vergleich zum Ökolandbau sehen. Alle Landbauformen, egal ob ökologisch, konventionell oder auch Zwischenformen haben jeweils ihre Vor- und Nachteile. Idealerweise sollten sie im Sinne der Nachhaltigkeit ganzheitlich bewertet werden, unabhängig von konventioneller oder ökologischer Produktion, und somit dem Verbraucher/ innen die Möglichkeit eines objektiveren Vergleichs bieten.

Davon sind wir noch weit entfernt. Dies sollte jedoch die Zukunft sein, weil jeder Standort dann individuell seine Nachhaltigkeitsvorteile im Zusammenspiel mit den jeweiligen Betriebsleiterprofilen ausspielen könnte. Die gegenwärtigen Vermarktungsoptionen ermöglichen dies allerdings nur unzureichend.

Eine Nachhaltigkeitsbewertung müsste den Verbrauchern/innen die Entscheidung erleichtern, günstig oder vertrauenswürdig einzukaufen. Wenn dabei der Markt die Nachhaltigkeit der Produktion zukünftig nicht angemessen honoriert, muss der Staat diese Rolle übernehmen, wenn wir eine Übernutzung unseres Planeten vermeiden möchten. Mit einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbewertung wäre dies zukünftig besser möglich, als es gegenwärtig der Fall ist.

Für den Ackerbau ohne chemischen Pflanzenschutz gibt es 130 €/ha. Viel zu wenig und viel zu unsicher, sagen viele Landwirte. Was sagen Sie?

Prof. Bahrs: Jeder muss für sich entscheiden, ob das Angebot in Höhe von 130 €/ha passend ist. Es wird Landwirte geben, deren Einstellung und Standort mit seinen möglichen Produktionsstrukturen zu diesem Angebot passen, und für viele Landwirte wird es nicht passen. Einigen dieser Landwirte, die meinen, dass es nicht passt, würde ich jedoch raten, sich darin zumindest im Kleinen auszuprobieren – mit oder ohne Prämie.

Der Einsatz des chemischen Pflanzenschutzes wird zukünftig herausfordernder werden, weil Landwirte ein höheres Maß an Transparenz bei ihrem Einsatz von Betriebsmitteln zeigen müssen, aber auch weil immer weniger Wirkstoffe zur Verfügung stehen werden. Entweder weil sie keine Zulassung mehr haben und/oder sich einstellende Resistenzen den Wirkstoff stetig unwirksamer werden lassen.

Sie leiten ein großes Projekt zu genau diesem Thema. Können Sie schon ein paar Erkenntnisse verraten?

Prof. Bahrs: In diesem vom BMBF unter dem Dach der „Agrarsysteme der Zukunft“ finanzierten Projekt versuchen wir, ein auf einzelne Standorte abgestimmtes Anbausystem ohne Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel, aber mit Einsatz von Mineraldüngern zu entwickeln.

Dabei ist bereits trotz bislang weniger Versuchsjahre erkennbar, dass eine gute Aus- und Weiterbildung der Landwirte – mit dem Wissen um die natürlichen Interaktionen im Ackerbau und ihrer Nutzbarmachung im Einklang mit verfügbaren modernen Technologien – einen erfolgreichen nachhaltigen Anbau mit erheblich weniger chemischem Pflanzenschutz realisierbar macht.

Zum Teil sogar mit komplettem Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz. Aber nicht für jeden Landwirt und für alle Standorte wird der dauerhafte Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz eine Option sein.

Viele sehen in der „Digitalisierung“ den Schlüssel für die Zukunft. Was davon verspricht besonders viel Erfolg?

Prof. Bahrs: Die weitere Digitalisierung ist einer von mehreren Schlüsseln für eine wettbewerbsfähige bzw. nachhaltigere Landwirtschaft. Sie ist notwendig, aber nicht hinreichend. Gut ausgebildete und motivierte Landwirte sind eine wesentliche Voraussetzung, um moderne bzw. innovative digitalisierte Technologien einsetzen zu können, die gleichzeitig einen angemessenen rechtlichen Rahmen benötigen.

Dabei ist auch nicht unwichtig, wem die digitalisierten Daten gehören, wer Zugriff darauf hat und welche Mitbestimmungsmöglichkeiten Landwirte dabei haben – auch unter Berücksichtigung der Sicherheit individueller digitalisierter Daten.

Muss gerade in Regionen mit kleineren Betrieben die Bewirtschaftung völlig neu organisiert werden?

Prof. Bahrs: Im Wesentlichen sind die Voraussetzungen einer möglicherweise noch notwendigeren überbetrieblichen Arbeitserledigung im Ackerbau gegeben, insbesondere in kleiner strukturierten Regionen. Abseits individueller Aktivitäten einzelner Landwirte mit überbetrieblicher Arbeitserledigung für andere Berufskollegen sind die Strukturen mit Lohnunternehmen und Maschinenringen bereits vorhanden.

Zu ihnen werden sich neue Akteure aus den vor- und nachgelagerten Bereichen mit Dienstleistungsangeboten zur Komplettübernahme einzelner Produktionsaktivitäten hinzugesellen. Sie könnten dann z. B. den vollständigen Pflanzenschutz (u. a. in Zusammenarbeit mit Lohnunternehmen) übernehmen.

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