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Wirkstofffunde – ein Problem für Wasserwerke?

Mit hochgenauer Spurenanalytik lassen sich Wirkstoffe in Wassereinzugsgebieten finden. Das Herausfiltern ist aufwendig und teuer. Über Lösungsansätze sprachen wir mit einem Experten.

Lesezeit: 5 Minuten

Prof. Dr. Ing. Frieder Haakh, Stuttgart (Baden-Württemberg)

Herr Prof. Haakh ist Technischer ­Geschäftsführer beim „Zweckverband Landeswasserversorgung“. Das Unternehmen liefert Trinkwasser für rund drei Millionen Einwohner im Versorgungsgebiet. Er engagiert sich beim Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) für den Gewässerschutz, ist ­Mitglied des „Runden Tisches“ mit den ­Pflanzenschutzmittelherstellern und hält Vorlesungen zum Thema „Grundwassererkundung, – erschließung und -management“ für Bau- und Umweltingenieure an der Universität Stuttgart.

Spuren von Pflanzenschutzmittel­wirkstoffen können in Gewässer ge­langen. Welche Wirkstoffe und/oder ­Abbauprodukte („Metabolite“) von Pflanzenschutzmitteln sind im Wassereinzugsgebiet Ihres Wasserwerks am häufigsten zu finden?

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Haakh: Wir finden in den Oberflächengewässern in unseren Wasserschutzgebieten Glyphosat, Metolachlor, Tebu­conazol, Nicosulfuron, Dimethenamid, Metconazol, MCPA und Dicamba. Über dem Grenzwert im Grundwasser liegen nach wie vor Desethylatrazin, Metabolite von Metolachlor und ­Metazachlor, Chloridazon, Desethylterbuthylazin, Desisopropylatrazin und möglicherweise noch viel mehr, wenn wir wüssten, was genau wann und wo gespritzt wird.

Hat es in den letzten 10 bis 15 Jahren eine Verschiebung der Funde hin zu mehr Abbauprodukten und weniger Wirkstoffen gegeben? Wie haben sich die Fundzahlen in dieser Zeit insgesamt entwickelt?

Haakh: Wir untersuchen das Wasser regelmäßig auf 128 Wirkstoffe und Metaboliten und finden auch mehr Stoffe. Das hat aber auch mit der Entwicklung der Spurenstoffanalytik zu tun, wo wir in den einstelligen Nanogramm pro Liter-Bereich und zusätzlich zu polareren Substanzen vorgestoßen sind. Deswegen finden wir insgesamt mehr als vor 10 oder 15 Jahren.

Ob mehr gespritzt wird, wissen wir nicht genau, weil das Landwirt­schaftsministerium eine landesweite Statistik verweigert, sodass diese ­wichtigen Daten nicht vorliegen.

Führen die Extremwetterlagen mit ­verstärkten Starkregenfällen zu ­höheren Wirkstoffeinträgen?

Haakh: Starkregenfälle gab es in den letzten Jahren nicht – wir hatten seit dem Jahr 2018 eine ausgesprochene Trockenperiode mit geringer Grundwasserneubildung. Sollten die klimawandelbedingt zu erwartenden ­Starkniederschläge aber auftreten, ist Ihr Szenario gerade bei den ­geringen Deckschichtenmächtigkeiten in unseren Karsteinzugsgebieten durchaus realistisch.

Wie aufwendig ist es, die gefundenen Stoffe herauszufiltern und mit welchen Methoden geht das?

Haakh: Die gängigste Methode ist die Aktivkohlefiltration. Dabei bestimmt der Schadstoff deren Standzeit und Wirksamkeit. Für Aktivkohle bezahlen wir mehrere Hunderttausend Euro im Jahr. Bei bestimmten Wirkstoffen oder Metaboliten bräuchten wir eine Nanofiltration, dann sprechen wir allerdings über 0,5 bis 1,0 € oder mehr je Kubikmeter.

Bei der Aufbereitung von Ober­flächenwasser nutzen wir Ozon und ­Aktivkohle. Allerdings können bei der Ozonung aus Pestizidrückständen auch neue, toxikologisch relevante Stoffe entstehen. Tolylfluanid ist hierzu ein Beispiel. Das heißt: Auch unterhalb des Grenzwertes können Probleme auftreten. Deshalb ist es grundsätzlich keine gute Idee, Pestizide – und vor ­allem Herbizide – in Trinkwassereinzugsgebieten zu spritzen, selbst wenn sie eine Zulassung haben.

Welche Ansätze gibt es, um die Wirkstoffeinträge im Wassereinzugsgebiet zu minimieren? Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Wasserwirtschaft?

Haakh: In Baden-Württemberg gilt die Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung, kurz SchALVO. Diese enthält landesweite Vorgaben. Die Wasserversorger haben in der Regel keinen direkten Kontakt mit den Landwirten. Der wirksamste Ansatz, um Wirkstoffeinträge zu minimieren, ist immer noch der Verzicht – also Ökolandbau!

Welche Maßnahmen führen die Landwirte durch und welche Effekte ließen sich damit bislang erzielen?

Haakh: Wird der Grenzwert gerissen, dann müssen die Landwirte nach SchALVO auf diesen Wirkstoff in diesem Wasserschutzgebiet verzichten. Dann ist der Schaden für alle aber bereits maximal: Die Landwirtschaft verliert einen Wirkstoff, der Wasserversorger muss teuer aufbereiten und der Trinkwasserkunde zahlt die Zeche. Besser wäre ein Ampelkonzept, das vor der Grenzwertüberschreitung ansetzt.

Leider führen auch nicht alle Landwirte Maßnahmen gemäß dem Fachrecht durch. So gibt das Pflanzenschutzgesetz im Rahmen des Integrierten Pflanzenschutzes vielen Maß-nahmen Vorrang vor dem chemisch-synthetischen Pflanzenschutz – verkürzt: „jäten vor spritzen“. In der Realität wird jedoch gleich gespritzt. Auch die amtliche Beratung missachtet Herstellerempfehlungen wie den Anwendungsverzicht auf bestimmte Wirkstoffe in Karstgebieten. Der Effekt ist: In 60 % aller Rohwasserentnahmestellen landesweit finden wir Rückstände von Pflanzenschutzmitteln.

Gibt es Förderungen für bestimmte Maßnahmen, die Sie als Wasserversorger mit den Landwirten im Rahmen ­einer Kooperation vereinbaren?

Haakh: Wir haben aktuell ein Förderprojekt zur Umstellung auf Ökolandwirtschaft am Start. Gefördert werden sollen umstellungswillige Betriebe während der Umstellungsphase. Mit ca. 35 % Ökolandbau in unseren Einzugsgebieten hätten wir sowohl das Pflanzenschutzmittel- als auch das Nitratproblem gelöst. Davon würden auch die konventionell wirtschaftenden Betriebe profitieren, weil damit die Landwirtschaft aus der Schusslinie kommt.

Welche Ziele wollen Sie zusammen mit Ihren Kooperationspartnern in den nächsten Jahren erreichen? Gibt es konkrete Maßnahmenpläne dafür?

Haakh: Wir wollen erst gar keine ­Pestizidprobleme entstehen lassen. Die Förderung von Ökolandbau ist eine Maßnahme, Datentransparenz eine weitere.

Wichtig ist, dass die Landwirtschaft die Verantwortung für ihre Emissionen übernimmt. Wenn kein Wirkstoff mehr über dem Grenzwert liegt, kann er erhalten bleiben. Dann kämpft der Wasserversorger nicht mit Grenzwertüberschreitungen, die Landwirtschaft steht nicht als Brunnenvergifter am Pranger und der Bürger bekommt günstig bestes Trinkwasser – eine Win-win-Situation für alle. Aber dazu gehört eben Transparenz, auch bei dem, was wann wo und wie viel gespritzt wird. Aber genau hier mauert die Landwirtschaftsverwaltung, weil sie die Herausgabe der Daten EU-rechtswidrig verweigert – das haben mittlerweile alle vier Verwaltungsgerichte in Baden-Württemberg festgestellt.

Mit dem Obrigkeitsdenken von gestern werden wir diese Probleme nicht lösen, da sind viele Landwirte schon viel weiter, das sehen wir an unseren Pächtern. Kein Landwirt hat ein Interesse an einer Umweltbelastung und dem damit verbundenen Schmuddelimage.

Als Ziel sehen wir eine gemeinsame Verantwortung für unsere Einzugsgebiete ohne Grenzwertüberschreitungen mit einem funktionierenden Früherkennungs- und Problemlösungssystem und mit vertrauensbildender Transparenz für den Bürger bei den Immissions- und Emissionsdaten.

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