Im Frühjahr war Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit der Vorstellung seiner Pläne für ein „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz" bei Landwirten und Fachverbänden gar nicht gut angekommen. Auch in den Monaten danach änderte sich trotz des aufgenommenen Beteiligungsverfahrens an der ablehnenden Haltung nichts, dafür gab es zu viele Kritikpunkte: Zu bürokratisch, zu viel Ordnungsrecht und meist von der Verbotsseite gedacht, statt gemeinsame Lösungen mit der Landwirtschaft zu suchen.
Am Mittwoch hat Bundeslandwirtschaftsminister das „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ vorgestellt. Es liest sich in Teilen deutlich versöhnlicher als das Diskussionspapier, das vor einigen Monaten vorgelegt worden war. Von der dort aufgeführten Forderung nach einer weiteren Reduzierung des Glyphosateinsatzes ist beispielsweise keine Rede mehr. Der Wirkstoff taucht im gesamten Dokument gar nicht mehr auf. Özdemir zufolge ist das auch nicht nötig, denn zu Glyphosat bestehe nun kein weiterer Regelungsbedarf mehr.
Keine Pflanzenschutzsteuer
Das Reduktionsziel für chemische Pflanzenschutzmittel – Halbierung des Einsatzes bis 2030 gegenüber der Referenzmenge des Zeitraums 2011 bis 2013– ist hingegen weiterhin Teil des Programms. Doch auch hier gibt man sich nicht mehr so rigoros wie zuvor. Statt pauschal die Hälfte der Einsatzmengen jedes Mittels zu streichen, soll es vielmehr um den Gesamteinsatz gehen. In die Bilanzierung fließen laut dem BMEL Agrarumweltmaßnahmen ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ebenso ein wie der Ökolandbau.
Berücksichtigt werden soll neben der Giftigkeit von Stoffen künftig auch, dass bestimmte Pflanzenschutzmittel leichter durch alternative Verfahren zu ersetzen sind als andere. Eine Pflanzenschutzsteuer zählt jedoch (vorläufig) nicht zum Instrumentenkasten. Die Einführung einer solchen Abgabe hält Özdemir in dieser Legislaturperiode für „nicht besonders realistisch“. Für die Zukunft will er die Umsetzung der Pflanzenschutzsteuer allerdings auch nicht ausschließen.
Und auch keine Verbote
Vorerst setzt das BMEL im „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ jedoch auf Kooperation, Förderung, Beratung und Innovation statt auf Verbote oder ordnungsrechtliche Vorgaben. Nach eigener Darstellung folgt das BMEL dabei maßgeblich den Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), die Auswirkungen von Pflanzenschutzmaßnahmen auf Umwelt, Artenvielfalt und Gesundheit so gering wie möglich zu halten und resiliente Agrarökosysteme zu schaffen – ganz im Sinne eines integrierten Pflanzenschutzes.
Özdemir: Unser Weg heißt Zusammenarbeit
Özdemir legte bei der Vorstellung des Programms besondere Betonung auf die kooperative Ausrichtung des Programms: „Unser Weg zu einem nachhaltigen Pflanzenschutz heißt: Zusammenarbeit, wirtschaftliche Anreize und landwirtschaftliche Vernunft. Ich bin überzeugt, dass wir ein Programm mit Maß und Mitte gefunden haben. Mit unserem Dreiklang aus Innovation, Kooperation und Alternativen unterstützen wir unsere Landwirtschaft dabei, den beschrittenen Weg zur Pflanzenschutzmittelreduktion fortzusetzen.“
Der Agrarminister verweist auf existierende Vorbilder für den Ansatz des BMEL-Programms: Der Niedersächsische Weg und das Biodiversitätsstärkungsgesetz in Baden-Württemberg. Mit denen sei die Beteiligung und enge Einbindung der unterschiedlichen Interessengruppen erfolgreich gelungen.
Chemischer Pflanzenschutz soll möglich bleiben
Chemischer Pflanzenschutz soll laut Özdemir im Übrigen auch in Zukunft möglich sein. Das aktuelle Jahr hat ihm zufolge mit dem heftigen Schadpilzbefall gezeigt, dass der Mitteleinsatz eben manchmal notwendig ist, wenn man stabile Erträge haben will. Agrarchemie müsse aber immer am Ende stehen, wenn alle anderen Mittel versagt haben.
Um das möglich zu machen, strebt das BMEL im Zukunftsprogramm einen „Dreiklang“ an:
Innovationen sollen helfen, den Bedarf für chemische Mittel zu verringern.
Mit Kooperationen von Landwirtschaft und Naturschutz und durch Vorgaben der GAP soll Artenschutz gestärkt werden, nicht zuletzt durch die Schaffung von Rückzugsflächen für Biodiversität in der Agrarlandschaft.
Durch eine bessere Verfügbarkeit alternativer Produkte soll Pflanzenschutz auf eine breitere Basis gestellt werden.
Die konkreten Maßnahmen:
Integrierten Pflanzenschutz stärken, dazu Weiterentwicklung des Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) und Modernisierung der Grundsätze der guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz
Anbaudiversifizierung ermöglichen und Züchtung resistenter Sorten unterstützen
Öko-Landbau bis 2030 auf 30 % ausbauen
Verbreitung agrarökologischer Ansätze fördern
Kooperativen Naturschutz stärken und Rückzugsflächen für Tiere und Pflanzen in der Agrarlandschaft schaffen – dazu sollen in der GAP neue Modelle entwickelt werden
Praxisverfügbarkeit biologischer Pflanzenschutzverfahren verbessern
Prognosemodelle und Entscheidungshilfen kontinuierlich weiterentwickeln
Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel verbessern
Forschung und Innovationen fördern und Wissenstransfer in die Praxis stärken
Modellregionen und Modellbetriebe ausbauen
Unabhängige Beratung stärken, Bildungsangebot weiterentwickeln
Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen sollen 2026 eine Zwischenevaluation durchlaufen. Für 2031 ist eine abschließende Bewertung geplant.