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Zuviel Wirtschaftsdünger: „Die Politik muss sich bewegen!“

Die Veredlungszentren produzieren zu viel Wirtschaftsdünger. Tierhalter, Nährstoffhändler und Ackerbauern fordern von der Politik, dass Dokumentation und Bau von Lagerstätten erleichtert werden.

Lesezeit: 9 Minuten

Für den neuen top agrar-Ratgeber "Wirtschaftsdünger" sprachen wir mit Stefan Klaus, Schweinehalter aus Nutteln; Frank Sowa, Ackerbauer aus Lüchow-Dannenberg; Heinrich Tabeling, LWK Niedersachsen; Karin Martens, Maschinenring Lüchow; Ingrid und Josef Mählmeyer, Lohnunternehmen Mählmeyer aus Steinfeld; Wilhelm Schepers, LWK Niedersachsen.

Niedersachsen ist das Agrarland Nummer eins. Wie viel Wirtschaftsdünger muss jährlich aus den Veredlungshochburgen abtransportiert werden?

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Schepers: Laut Nährstoffbericht lag der Export an Wirtschaftsdüngern aus der Weser-Ems-Region im Jahr 17/18 bei ca. 2,8 Mio. t. Das entspricht gut 32 000 t Stickstoff (N). Davon sind rund 17 000 t N in die Ackerbauregionen Niedersachsens gegangen. Trotzdem hielten nicht alle Landkreise die Obergrenze von 170 kg N pro ha ein.

In welche Regionen gehen die Wirtschaftsdünger?

Schepers: Einen Großteil nehmen Landwirte in der Leine-Weser-Region und in den ostniedersächsischen Landkreisen Gifhorn, Lüchow-Dannenberg und Uelzen auf. Darüber hinaus erreichen vorwiegend Geflügelmist, aber auch Gülle und Gärreste die benachbarten Bundesländer Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Ein kleiner Teil geht nach Thüringen.

Wer nimmt den Wirtschaftsdünger ab?

Martens: In der Regel sind es Ackerbauern ohne eigene Tierhaltung. Aktuell fragen bei uns aber auch verstärkt Betreiber von Biogasanlagen nach Wirtschaftsdüngern. Das hat mehrere Gründe: Zum einen verlieren viele Biogasanlagenbetreiber ihre Güllelieferanten, weil immer mehr Veredler aus der Produktion aussteigen. Auf diese Lieferanten sind sie aber angewiesen, um den Güllebonus halten zu können. Zum anderen fehlt vielen Besitzern von Biogasanlagen durch die Trockenheit Mais. Sie fragen deshalb verstärkt Hühnertrockenkot als alternativen Inputstoff nach.

Ich bin Tierhalter und möchte Gülle abgeben: Wo melde ich mich?

Martens: Tierhalter können sich z. B. bei uns als zertifiziertem Nährstoffhändler melden. Bei einem Neukunden nehmen wir zuerst die Daten des Betriebes sowie Gülleart und die abzugebende Güllemenge auf. Meine Aufgabe besteht dann darin, einen passenden Abnehmer zu finden.

Klaus: Bei uns im Betrieb setzen wir auf langfristige Direktbeziehungen. Ich kümmere mich daher größtenteils selbst um die Abgabe meiner Nährstoffüberschüsse. Den Vorteil sehe ich darin, dass Gülle und Transport aus einer Hand kommen. Mit der eigenen Vermarktung habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Die eigene Organisation lohnt sich für uns auch deshalb, weil ich jedes Jahr über 400 Lkw-Ladungen Gülle abgebe.

Worauf kommt es an, wenn man als Tierhalter Gülle abgibt?

Klaus: Entscheidend sind Offenheit, Zuverlässigkeit und ein enger Austausch mit den Geschäftspartnern. Ich kenne viele meiner Abnehmer persönlich. Dadurch kann ich sicherer und langfristiger planen, da ich weiß, was meine Abnehmer wünschen. Selbstverständlich ist für mich, dass ich meinen Partnern die Produkte liefere, die ich angekündigt habe. Wenn wir zum Beispiel die Lieferung von Mastschweinegülle vereinbart haben, kann ich nicht nährstoffarme, dünne Sauengülle abgeben. Eine gute Vertrauensbasis ist in diesem Geschäft das A und O.

Knackpunkt bei der Abgabe von Wirtschaftsdüngern ist oft der Transport. Wie weit fahren Sie?

Mählmeyer: Als Lohnbetrieb bieten wir Transport und Ausbringung aller Wirtschaftsdünger im Paket an. Wir fahren dabei fast nur mit Tankaufliegern. Unsere Erfahrung zeigt, dass bei Strecken von 120 km das Maximum einer Transportkette erreicht ist. Bei größeren Entfernungen wird die Logistik zu kompliziert und zu teuer. Das Problem ist, dass zwischen der Befüllung des ersten und letzten Tankwagens zu viel Zeit vergeht. Wenn wir 13 Lkw in der Transportkette einsetzen müssen, fährt der letzte Wagen erst über zwei Stunden später los.

Klaus: Wir liefern den Großteil unserer Gülle bis 100 km Entfernung per Tankauflieger. Bei größeren Distanzen von bis zu 250 km setzen wir einen Kombiliner ein. Auf der Rückfahrt nimmt der Fahrer dann Futtergetreide für mit uns kooperierende Futtermühlen mit. So schließen wir den Nährstoffkreislauf.

Erfolgt der Transport überwiegend zum Feldrand oder wird häufiger zwischengelagert?

Mählmeyer: Über 90 % unserer Fahrten gehen just-in-time zum Feldrand. Zwischenlager befüllen wir nur selten. Das liegt unter anderem an den höheren Kosten. Gülle einmal in ein Zwischenlager zu pumpen und vor der Ausbringung wieder zu entnehmen, kostet rund 3 € pro m3 zusätzlich. Wir können die direkte Belieferung grundsätzlich gut leisten, man darf aber die Wahrnehmung der Bevölkerung nicht vergessen, wenn ein Lkw nach dem anderen am Feld ankommt.

Warum wird so wenig Gülle im Winter transportiert und nicht zwischengelagert, das wäre doch viel entspannter?

Schepers: Das Hauptproblem sind die hohen planungsrechtlichen Anforderungen an das Bauen im Außenbereich. Einzelbetriebe können laut § 35 einen Güllebehälter nur dann im Außenbereich bauen, wenn die Größe zum betrieblichen Nährstoffbedarf passt und ein funktionaler Zusammenhang besteht. Schwierig wird es auch, wenn mehrere Landwirte ein gemeinsames Lager bauen wollen. Das geht nur, wenn die Mitglieder der GbR ihre Flächen in die Gesellschaft einbringen. Die Probleme mit dem Baurecht wären aber lösbar, wenn sich die Politik bewegen würde.

Mählmeyer: Ein weiteres Problem ist, dass viele Tierhalter in den letzten Jahren selbst Lagerkapazitäten geschaffen haben. Warum sollten sie jetzt Geld für die Zwischenlagerung in einem fremden Behälter zahlen?

Dürfen Nährstoffvermittler Lagerstätten im Außenbereich bauen?

Martens: Nein, weil es sich dann in der Regel um ein gewerbliches Bauvorhaben handelt. Aus meiner Sicht muss der Gesetzgeber den Bau von Lagerbehältern im Außenbereich schnellstens erleichtern. Beispielsweise sollte die Privilegierung beim Bau von Güllebehältern auch dann rechtlich anerkannt werden, wenn sich mehrere Landwirte in einer Gesellschaft zusammenschließen oder mit Händlern gemeinsam Lagerstätten errichten.

Die überbetriebliche Gülleabgabe muss dokumentiert werden. Wie hoch ist der bürokratische Aufwand?

Mählmeyer: Die Lieferscheine zu erstellen ist an sich kein großes Problem. Auch die elektronische Eingabe der Daten funktioniert mittlerweile gut, allerdings halte ich die Bearbeitungsfrist von vier Wochen in Niedersachsen für zu kurz. Das eigentliche Problem liegt aber ganz woanders.

Was meinen Sie?

Mählmeyer: Das Problem ist die verpflichtende Deklaration, die in der Düngeverordnung geregelt ist. Wenn der Abgeber z. B. im Dezember Proben zieht, erhält er erst drei oder vier Wochen später das Laborergebnis. Als Vermittler gebe ich diese Werte an den interessierten Aufnehmer weiter. Wenn dieser dann bei der Ausbringung z. B. im April selbst Proben zieht, sehen die Ergebnisse häufig ganz anders aus.

Das liegt u. a. an den unvermeidbaren Lagerverlusten. Im Endeffekt führt das dazu, dass die Analysewerte von Abgeber und Aufnehmer nicht zusammenpassen. Der Abgeber liefert mehr Stickstoff über die Gülle als der Aufnehmer tatsächlich bekommt.

Also muss die Politik auch hier dringend nachbessern?

Martens: Ja, die unvermeidbaren Lagerverluste müssen bei der überbetrieblichen Gülleabgabe berücksichtigt werden dürfen. Das ist für die Betriebe extrem wichtig, weil sie mit den tatsächlich abgegebenen bzw. ausgebrachten Nährstoffwerten in der Düngebedarfsermittlung und im Nährstoffvergleich kalkulieren müssen. Eine andere Lösung wäre, wenn die Angaben im Lieferschein nachträglich angepasst werden dürften. Das Problem muss die Politik jetzt dringend anpacken.

Die Ermittlung der Nährstoffgehalte im Labor kostet Zeit. Gibt es schnellere Alternativen?

Sowa: Ja, der NIRS-Sensor hat Potenzial. Beim Abpumpen der Gülle aus dem Stall könnten die ersten Messungen erfolgen. Bei der Übergabe in den Lagerbehälter wird dann erneut gemessen. Vor der Ausbringung erfolgt die dritte Messung. Für jede Messung könnte dann ein Lieferschein mit Messergebnis erstellt werden. So erhält man zu jeder Zeit die genauen Nährstoffgehalte.

Mählmeyer: Dafür müssten sich aber zuerst die Gesetze ändern. Entscheidend ist, dass die Kontrollbehörden das NIRS-Verfahren anerkennen. Auch hier muss die Politik ihre Hausaufgaben machen. Allerdings entstehen auch hohe Kosten, wenn alle Fahrzeuge damit ausgestattet werden müssen.

Klaus: Wir haben auch überlegt, dass NIRS-Verfahren einzusetzen. Wegen der bislang fehlenden offiziellen Anerkennung in den meisten deutschen Bundesländern haben wir die Idee aber erst einmal auf Eis gelegt. Hinzu kommt, dass die Messwerte bei Standardgülle zwar gut passen, bei Mischgülle sind die Abweichungen aber noch zu hoch.

Herr Sowa, Sie sind Ackerbauer im Raum Lüchow-Dannenberg. Wie stehen Sie zum Thema Wirtschaftsdünger?

Sowa: Ich sehe den Einsatz von Wirtschaftsdünger in Ackerbaubetrieben sehr positiv. Zum einen nehmen wir Nährstoffe zurück, die wir als Futter in die Veredlungsregionen geschickt haben. Zum anderen liefert Gülle auf unseren leichten und sandigen Böden die fehlende organische Substanz. Dadurch verbessern sich die Wasserhaltekapazität und das Bodenleben. Zusätzlich werte ich meinen Acker mit Spurenelementen auf.

Machen sich diese Vorteile sofort bemerkbar?

Sowa: Nein, der Boden braucht mindestens drei bis fünf Jahre, bis die positive Wirkung des organischen Düngers wirklich zum Tragen kommt. Darüber muss man sich im Klaren sein. Ein bisschen Geduld braucht man als Ackerbauer schon.

Gülle wirkt anders als Mineraldünger. Wie stellen Sie die optimale Pflanzenverfügbarkeit sicher?

Sowa: Wir können auf unseren leichten Standorten Gülle zeitig im Frühjahr ins Getreide fahren und setzen dann Nitrifikationshemmer ein. Dadurch beugen wir Auswaschungsverlusten vor. Wir düngen immer nur so viel Wirtschaftsdünger, dass wir bei Bedarf noch mit Mineraldünger nachlegen können. So können wir auf die jeweilige Witterung besser reagieren.

Steigt dadurch der Arbeitsaufwand?

Sowa: Ja, ein guter Pflanzenbauer sieht aber auch die Vorteile, die eine Kombination aus Wirtschafts- und Mineraldünger hat. Am Ende wird es ihm sein Boden danken.

Klaus: Wir empfehlen unseren Kunden, sich Stück für Stück an die richtige Höhe der Gülleabgabe innerhalb einer Kultur heranzutasten.

Wissen Aufnehmer immer, welche Gülle bzw. Nährstoffe sie bekommen?

Mählmeyer: Die oft fehlende Homogenität ist ein Problem, das wir lösen müssen. Problematisch ist das vor allem in Betrieben, in denen wir die Gülle aus dem Stall saugen. In diesen Betrieben kann die erste Lkw-Ladung ganz andere Nährstoffgehalte aufweisen als die zweite. Hier sollten die Abgeber überlegen, wie sie die Homogenität der Gülle unter dem Stall optimieren können. Gärsubstrate hingegen sind meist sehr homogen, weil die Betreiber ihre Behälter gut aufrühren.

Sehen Sie in der Aufbereitung von Gülle eine Lösung für das Verteilungsproblem?

Mählmeyer: Die Aufbereitung ist teuer. Je nach Ausgangslage fressen sie den Transportkostenvorteil schnell wieder auf. Zudem darf man separierte Produkte nicht am Feldrand lagern und sie lassen sich schlechter ausbringen.

Sowa: In meinen Augen spricht mehr für den Einsatz von flüssigem Wirtschaftsdünger. Er zieht schneller ein und braucht weniger Wasser für die Umsetzung. Auf der anderen Seite hätte organischer Dünger in Granulatform den Charme, dass die Inhaltsstoffe einheitlicher sind.

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