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Bayern: Zu viel Abstand

Lesezeit: 5 Minuten

Die Windenergie stürzt nach Einführung der 10-H-Regelung in eine tiefe Krise, da es kaum noch geeignete Flächen für Windparks gibt. Anträge für neue Anlagen gibt es kaum noch.


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Bayern ist das größte Flächenland in Deutschland. Der Freistaat war beim Bundesländerranking der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) lange Zeit Spitzenreiter mit exzellenten Noten beim Ausbau der regenerativen Energien. Auch bei der Windenergie gab es deutliche Zuwächse.


Doch 2016 fiel Bayern auf den dritten Platz zurück. Bei der Nutzung und dem Wachstum der Windenergie gehört der Freistaat deutschlandweit sogar zu den Schlusslichtern.


Schuld ist insbesondere die neue Einstellung der Regierung zur Windenergie. Denn Bayern hat im Jahr 2014 die sogenannte 10-H-Regelung eingeführt. Sie besagt, dass ein Windrad baurechtlich nur noch privilegiert ist, wenn es einen Abstand von der zehnfachen Anlagenhöhe zur nächsten Wohnbebauung einhält. In Bayern lag die durchschnittliche Anlagenhöhe im Jahr 2016 bei 197 m (Turmhöhe plus Rotorradius). Das bedeutet einen Abstand zur Wohnbebauung von 1970 m.


Bereits bei den ersten Diskussionen um die Neuregelung zeigten Studien, dass höchstens 0,05% der Fläche in Bayern für die Windkraft infrage kommt. Berücksichtigt man öffentliche Belange und Windhöffigkeit der Standorte, bleiben nur 0,01% übrig. Aber die Argumente zeigten keine Wirkung. Selbst eine Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof im Jahr 2016 blieb erfolglos, die Richter sahen 10-H weitestgehend für rechtmäßig an.


Gemeinden handeln nicht:

Zwar bezieht sich 10-H nur auf privilegiertes Bauen im Außenbereich. „Windparks sind auch unabhängig von 10-H möglich, wenn die Standortgemeinde einen Bebauungsplan als Sondergebiet aufstellt“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Helmut Loibl aus Regensburg. Aber viele Gemeinden haben Angst vor Bürgerprotesten oder sind von der Landesregierung eingeschüchtert, so der Anwalt. Nur wenige hätten die Chance genutzt.


Eine andere Möglichkeit wäre, kleinere Anlagen zu bauen, um die nötigen Abstände zur Bebauung zu reduzieren. „Doch in der Regel sind Anlagen unter 140 bis 150 Metern nur bei hoher Windhöffigkeit wirtschaftlich“, sagt Loibl.


Damit sind die Befürchtungen der 10-H-Kritiker eingetroffen. Im Jahr 2014 gab es in Bayern noch 244 Genehmigungen für Windparks, 154 Anlagen wurden neu in Betrieb genommen. Schon im Jahr 2015 brach die Zahl der Genehmigungen auf 64 ein, die Zahl der gestellten Anträge sank auf 37. Zwar gingen noch 143 neue Anlagen ans Netz. Aber das waren Anlagen mit früheren Genehmigungen. Wer am 4. Februar 2014 eine vollständige immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorliegen hatte, durfte noch ohne 10-H bauen. Im Jahr 2017 gab es bis Ende September lediglich vier neue Genehmigungsanträge und sieben Genehmigungen.


Zudem hat die Regelung auch Windkraftgegner auf den Plan gerufen: Vor 10-H hätten keine Petitionen gegen Windkraft im Wirtschaftsausschuss des Bayerischen Landtags vorgelegen, nach Einführung sei die Zahl exponentiell gestiegen, zeigt u.a. eine Bachelorarbeit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf aus dem Jahr 2016.


Nachteile für Süddeutschland:

Die Situation verschärft sich mit dem neuen Ausschreibungssystem. Die ersten drei Runden im Jahr 2017 haben gezeigt, dass süddeutsche Windparks das Nachsehen haben. Rund 85% der Zuschläge gingen in die Nordhälfte Deutschlands. Um mithalten zu können, müssen Projektierer auf die leistungsstärksten und effizientesten Anlagen zurückgreifen. Aus diesem Grund werden derzeit auch längst nicht mehr alle genehmigten Anlagen gebaut. Denn selbst wenn ein Park wegen der Stichtagsregelung nicht unter 10-H fällt und dadurch Vorteile hat, sind seit der Planung mindestens drei Jahre vergangen. Die Vergütung ist seitdem erheblich gesunken.


Wirtschaftlicher für viele Parks wäre es, die Genehmigung zu ändern und höhere (und mittlerweile auch günstigere) Anlagen zu beantragen. Jeder Meter mehr Höhe steigert den Stromertrag um 0,5 bis 1%. Doch das wäre eine wesentliche Änderung der Genehmigung, wonach der Park dann wieder unter die 10-H-Regelung fallen würde und unter Umständen gar nicht mehr genehmigungsfähig wäre – ein Teufelskreis.


Regierung unter Druck:

Mit der Ablehnung der Windkraft gerät die Regierung unter Druck. Schon heute ist Bayern Stromimportland. Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie werden Erzeugungskapazitäten von 30 Milliarden kWh pro Jahr wegfallen. Dies entspricht etwa 35% des bayerischen Stromverbrauchs. „Wasserkraft, Biomasse und Photovoltaik leisten viel, aber ohne Windenergie an Land werden wir diese Lücke nicht schließen“, erwartet Raimund Kamm, Vorsitzender des Landesverbandes Bayern im Bundesverband Windenergie (BWE).


Der BWE setzt sich für einen höheren Korrekturfaktor bei der Vergütungsberechnung ein. Damit würden süddeutsche Windparks eine höhere Vergütung erhalten, um unterschiedliche Winderträge in den einzelnen Regionen auszugleichen. Der BWE wirbt zusätzlich dafür, dass die Betreiber der Anlagen direkte Lieferbeziehungen zu Gewerbe und Industrie aufbauen können. Dies würde in den verbrauchsstarken Wirtschaftszentren im Süden helfen, hofft der BWE.


Viele Arbeitsplätze:

DieArbeitsplätze dagegen schätzt die Regierung. 12000 Menschen arbeiten in der Windindustrie des Freistaates. Das Land hat beispielsweise kürzlich zusammen mit dem Bund ein Testzentrum für Großkugellager in Schweinfurt mit insgesamt 3 Mio. € gefördert. Die Tests sollen die Lebensdauer und Effizienz von Windkraftanlagen erhöhen. „Es ist schon paradox: Auf der einen Seite fördert die Regierung wie hier in Schweinfurt die Windindustrie, auf der anderen Seite hat sie mit dem 10-H den Windkraftausbau fast beendet“, sagt Hans-Josef Fell, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen.


Derzeit ist aber in Bayern politisch viel in Bewegung. „Wir setzen darauf, dass in der CSU Windkraftbefürworter wieder stärker werden. Denn auch aus Sicht der CSU würde viel dafür sprechen, wie die eigenständige Energieversorgung, Unabhängigkeit von Gasimporten, Stärkung des Mittelstandes und regionale Wertschöpfung“, zählt Kamm auf.


Auch die Opposition kritisiert die aktuelle Lage: „10-H muss weg. Die vier Anträge im Jahr 2017 sind jämmerlich. Bayern kann mehr,“ erklärt Martin Stümpfig, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Bayerischen Landtag.


Hinrich Neumann

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