Die Betreibergruppe ARGE Netz aus Schleswig-Holstein hat ein Erneuerbare- Energie-Kraftwerk mit hunderten Einzelanlagen geschaffen.
Sie haben einzelne Wind- und Biogasanlagen zu einem Kraftwerk zusammengeschaltet. Warum?
Grundmann: Als ARGE Netz vertreten wir über 320 Betreiber von regenerativen Anlagen. Wir wollen jetzt nicht mehr nur Strom produzieren und über Händler vermarkten, sondern Systemverantwortung übernehmen, z.B. um die Spannung und die Frequenz im Stromnetz konstant zu halten. Auch wollen wir gleichmäßig Strom produzieren, um damit z.B. Industriebetriebe zuverlässig beliefern zu können. Das ist mit einem Verbund von Anlagen einfacher. Ziel ist es, auf die Förderung verzichten zu können. Zudem wollen wir den Betreibern helfen, mit der Stromproduktion flexibler zu werden.
Warum das?
Grundmann: Schleswig-Holstein ist das Land, in dem erneuerbare Energien-Anlagen am häufigsten heruntergeregelt werden. Doch für die Energiewende brauchen wir jede Kilowattstunde Strom, die produziert werden kann. Darum müssen wir die Märkte Strom, Wärme und Verkehr stärker zusammenbringen. Auch müssen wir die Datenbereitstellung an die Netzbetreiber optimieren, damit diese besser planen können und Anlagen weniger häufig pauschal herunterregeln müssen. Hierzu haben wir mit dem Netzbetreiber Tennet den Austausch von Daten vereinbart. Die übermittelten Echtzeitdaten wie aktuelle Erzeugungsleistung, verfügbare Leistung, Windstärke usw. sollen dazu beitragen, dass Erzeugung und Netz besser synchronisiert werden. Der Übertragungsnetzbetreiber nutzt unsere Daten, um Hochrechnungen und Prognosen der Windleistung zu erstellen. Gleichzeitig können aber die Anlagenbetreiber die Daten nutzen, um ihre Stromproduktion zu analysieren und zu optimieren.
Es gibt bereits „virtuelle Kraftwerke“ von Stromhändlern auf dem Markt. Worin unterscheidet sich Ihr Verbund davon?
Grundmann: Stromhändler haben flexible Anlagen zu Einheiten von 5 MW zusammengefasst, was für die Teilnahme am Regelenergiemarkt nötig ist. Wir haben jedoch nicht nur die Regelenergie im Blick, sondern bieten eine echte Plattform für verschiedene Optionen. Den Strom wollen wir auch in Power-to-Heat-Anlagen, in Elektroylseuren zur Wasserstoffproduktion oder an Elektrotankstellen vermarkten.
Sind auch Biogasanlagen beteiligt?
Grundmann: Wir haben 1200 MW Leistung in dem Kraftwerk gebündelt und nehmen täglich neue Anlagen dazu. Wir schalten aktuell auch Biogasanlagen zu. Während überall flexible Anlagen wie Biogasanlagen gebündelt werden, um Regelenergiemärkte zu bedienen, haben wir erst fluktuierende Anlagen gebündelt und hier die wichtigen Echtzeitdaten verfügbar gemacht. Mit Biogasanlagen wollen wir jetzt für eine gleichmäßige Erzeugung sorgen.
Was haben Sie noch geplant?
Grundmann: Wir werden nicht nur am Regelenergiemarkt teilnehmen, sondern haben auch erste Stromverbraucher mit in das Kraftwerk eingebunden, die flexibel Strom abnehmen können. Das wollen wir ausbauen. Zudem sind wir an dem Projekt NEW 4.0 – Norddeutsche Energiewende beteiligt, um Schleswig-Holstein und Hamburg mit erneuerbaren Energien zu versorgen (siehe Beitrag ab Seite 110). Der Schlüssel der Energienwende liegt in einer stärkeren Digitalisierung und im besseren Datenaustausch. Mit unserem Kraftwerk haben wir hierfür den ersten Schritt getan.