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Die Biosicherheit per App checken

Lesezeit: 7 Minuten

Es gibt viele Eintrittspforten für Krankheits- und Seuchenerreger in den Bestand. Mithilfe einer neuen App können Sie die Risikobereiche für Ihren Betrieb individuell ausloten.


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Schutzimpfungen sind in vielen Fällen ein hervorragendes Instrument, um die Schweine vor Infektionen zu schützen und den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren. Impfen allein reicht jedoch meist nicht. Um den Schweinebestand gesund zu erhalten, müssen Management, Biosicherheit und Impfungen optimal ineinandergreifen.


Diese Erfahrung hat auch Mäster Nils Thun aus Tappendorf in Schleswig-Holstein gemacht. Der 28-Jährige führt gemeinsam mit seinen Eltern Marion und Hans-Jürgen Thun westlich von Neumünster einen spezialisierten Ackerbau- und Schweinemastbetrieb mit 4500 Mastplätzen. Im Sommer übernimmt der junge Landwirt, der in Osnabrück Agrarwissenschaften studiert und anschließend ein DLG-Traineeprogramm absolviert hat, den Betrieb.


Probleme schaukelten sich auf.

Dass die Thuns ihr Handwerk verstehen, zeigen die guten biologischen Leistungen. Die täglichen Zunahmen der ausschließlich mit Altbrot von einer Hamburger Brotfirma, etwas eigenem Getreide, Sojaschrot und Mineralfutter gefütterten Schweine betragen im Schnitt gut 1000 Gramm. Die Futterverwertung liegt bei 1:2,67, und die Tierarztkosten beliefen sich im Schnitt der letzten Jahre gerade mal auf 34 bis 40 Cent pro Mastschwein.


Seit einiger Zeit traten jedoch häufiger unterschwellige APP-Probleme auf, die in Kombination mit einer PRRS-​Infektion vollkommen aus dem Ruder liefen. Es traten vermehrt Todesfälle auf. Mal traf es die jungen Läufer direkt nach dem Einstallen, dann plötzlich Tiere in der Endmast.


„Als Sofortmaßnahme haben wir die Läufer zunächst antibiotisch behandelt und Blutproben aus verschiedenen Altersgruppen im Labor untersuchen lassen“, schildert Nils Thun die ersten Maßnahmen.


Nachdem die Diagnostik eine Beteiligung von PRRS-Viren bestätigte, begann Thun auf Anraten seiner Tierärztin Dr. Magdalena Kmiec von der Tierarztpraxis „Schweinedoc Nord“ damit, die Läufer bei ihrer Ankunft im Betrieb mit einem EU-Impfstoff gegen PRRSV zu impfen. Trotzdem gelang es nicht, Ruhe in den Bestand zu bekommen.


Inzwischen rissen die Verluste sogar die 3%-Marke. So konnte es nicht weitergehen. Um das Problem an der Wurzel zu packen, entschieden sich Landwirt und Tierärztin daher, die Biosicherheit des Betriebes gründlich unter die Lupe zu nehmen. Dr. Kmiec verwendete dazu zunächst den von der belgischen Universität Gent entwickelten Test „Biocheck“. Er besteht aus 109 Fragen, mit denen die internen und externen Risikofaktoren abgeklärt werden.


Analyse per Combat-App:

Inzwischen setzt sie für die Auswertung der Biosicherheit, die sie in zahlreichen von ihr betreuten Betrieben regelmäßig durchführt, immer häufiger die von Impfstoffhersteller Boehringer weiterentwickelte App „Combat“ ein.


Combat baut auf dem belgischen Biocheck-System auf, ist jedoch wesentlich schlanker und besteht nur noch aus 55 Fragen. „Wenn man den Betrieb kennt, dauert die Dateneingabe gerade mal zehn Minuten“, erklärt Dr. Kmiec.


Die App wurde ursprünglich zur Abschätzung des PRRS-Infektionsrisikos entwickelt, lässt sich aber auch allgemein für die Überprüfung der Biosicherheit nutzen. Sie unterscheidet zwischen vier Risikobereichen:


  • Interne Risiken: 15 Fragen (unter anderem zum Betriebstyp, Tierbestand, Jungsaueneingliederung, Impfungen);
  • Externe Risiken: 20 Fragen (z.B. Einzäunung des Betriebes, Hygieneschleuse, Verladerampe, Spermabezug, Gülleentsorgung, Zugangsbeschränkungen);
  • Management: 7 Fragen (u.a. zum Wurfausgleich, Behandlung der Ferkel, Umgang mit kranken Tieren, Nadel und Kleiderwechsel, Gülleentsorgung, Rein-Raus);
  • Regionale Risiken: 13 Fragen (zum Beispiel zur Nähe zu anderen Schweine haltenden Betrieben, Schlachthofnähe und Nähe zu Straßen, auf denen regelmäßig Tiertransporte stattfinden).


Die Eingaben können direkt vor Ort im Stall erfolgen, denn es müssen nur Kreuzchen gesetzt und keine Texte geschrieben werden. Anschließend vergleicht die App die Angaben mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, gewichtet dabei die Kriterien nach Bedeutung und „spuckt“ anschließend das Ergebnis der Risikoanalyse aus.


Grafische Risiko-Darstellung:

Das Infektionsrisiko der Schweine im Betrieb wird als Punkt in einem Koordinatensystem dargestellt ​(siehe Foto auf der linken Seite). Auf der x-Achse wird das interne und auf der y-Achse das externe Risiko abgetragen. Die Größe des Punktes weist das Management-bedingte Risiko aus und die Farbe des Kreises das regionale Risiko. Grün steht für ein geringes und rot für das höchste Risiko.


Im Idealfall, also bei optimaler Biosicherheit, erscheint der Betrieb als kleiner grüner Punkt links unten im Koordinatenkreuz. Ein großer, roter Punkt rechts oben im Koordinatensystem deutet dagegen auf ein extrem hohes Bio-​sicherheits-Risiko hin. Als zusätzliches „Bonbon“ gibt die App auch Empfehlungen, wie sich die Biosicherheit in dem jeweiligen Bereich weiter verbessern lässt. Beispielsweise sollte die Quarantäne für Jungsauen mindestens zwölf Wochen betragen, und Schweine unterschiedlicher Altersgruppen sollten möglichst keinen Kontakt untereinander haben.


Auch im Mastbetrieb von Nils Thun wies die App in puncto Biosicherheit noch Verbesserungspotenzial aus. „Der kritischste Punkt war, dass sich die Infektionskette im Betrieb früher nicht unterbrechen ließ“, erinnert sich Thuns Tierärztin Dr. Kmiec. Denn in jedem der drei Mastställe des Betriebes befanden sich zeitgleich immer zwei Altersgruppen. Dadurch konnten Erreger immer munter von einer Partie auf die andere übertragen werden.


Ferkelbezug umgestellt:

Der Grund für die Anwesenheit von zwei Altersgruppen: Der Ferkelerzeuger, mit dem Familie Thun schon seit den 90er Jahren zusammenarbeitete, konnte keine größeren Ferkelpartien liefern. Dadurch war es nicht möglich, die Gebäude im Rein-Raus zu fahren.


Auf Anraten seiner Tierärztin wechselte Thun deshalb den Ferkelbezug. Seitdem kommen die Ferkel von einem großen Sauenhalter in Dänemark, der innerhalb von einer Woche bis zu 2000 Ferkel liefern kann, mit denen sich die Ställe „in einem Rutsch“ füllen lassen.„Aber auch in puncto Betriebshygiene konnten wir noch einiges optimieren“, berichtet Nils Thun. Denn vor dem Bio-sicherheitscheck verfügte der Betrieb nur über eine einzige Hygieneschleuse. „Einmal umgezogen liefen wir mit den Stallstiefeln und Overall quer über den Hof in alle Stallungen, ohne noch einmal die Kleidung zu wechseln“, beschreibt Thun die frühere Situation.


Auf Anraten seiner Tierärztin richtete Thun deshalb in jedem der drei Stallgebäude eine separate Hygieneschleuse ein. Sie sind einfach und funktional. Sie verfügen über keine Dusche, eine Abtrennwand quer durch den Raum erinnert jedoch an den Kleidungs- und Schuhwechsel. Zudem verfügt jede Schleuse über ein Waschbecken zur Handreinigung.


Neu ist auch, dass die Arbeitsmaterialien heute den Stallgebäuden fest zugeordnet sind. Jeder Stall verfügt über eigene Treibebretter, Schaufeln, Besen, Hochdruckreiniger, Spritzen, Nadeln und Handschuhe.


Das gesamte Betriebsgelände wurde zudem eingezäunt und die Ställe vogelsicher abgedichtet, um Wildtiere und Katzen vom Stall fernzuhalten. „Auch unser Hund hat seit einiger Zeit Stallverbot“, berichtet Nils Thun.


Leistungen stabilisierten sich.

Schon bald nach der Umstellung stellten sich erste Erfolge ein. Die Leistungen stabilisierten sich, und der Medikamentenaufwand ging deutlich zurück. „Inzwischen sind wir wieder dort angekommen, wo wir vor dem APP-Ausbruch waren“, freut sich Nils Thun über den Lohn seiner Bemühungen.


„Das Verbessern der Biosicherheit ist jedoch keine einmalige Geschichte. Vieles schleift sich im Laufe der Zeit wieder ein, sodass man den Check der Biosicherheit regelmäßig wiederholen sollte“, ist Dr. Magdalena Kmiec überzeugt. Inzwischen führt sie den Check in 60 bis 70 % der von ihr betreuten Betriebe durch, meistens handelt es sich um Sauenhalter. „Mein Ziel ist, den Test in jedem Betrieb alle zwei Jahre zu wiederholen“, so Dr. Kmiec.


Auch im Betrieb Thun gibt es noch Potenzial. „Für die Zukunft habe ich mir vorgenommen, dass Kadaverlager so zu positionieren, dass es von den Fahrzeugen der Tierkörperbeseitigung separat angefahren werden kann, ohne den Weg unserer Fahrzeuge zu kreuzen“, berichtet Nils Thun. Zudem will er das Stallbüro noch klarer dem Weißbereich des Betriebes zuordnen und die Stoffhandtücher an den Waschbecken durch Papiertücher ersetzen, um die Handhygiene zu verbessern.


„Wer die Biosicherheit in seinem Betrieb verbessern will, wird nie arbeitslos“, ist Dr. Kmiec überzeugt.


Kontakt:


henning.lehnert@topagrar.com

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