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Ein „Schutzengel“ für Milcherzeuger?

Lesezeit: 5 Minuten

Jeder zweite Milcherzeuger in den USA hat seine Marge abgesichert. Ginge das auch in Deutschland? Was es bringt und wie viel es kostet, haben Raphaela Ellßel und Dr. Frank Offermann vom Thünen-Institut nachgerechnet.


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Die Lage am Milchmarkt ist zum Verzweifeln! Die Brüsseler Marktinstrumente, Private Lagerhaltung und Intervention, verpuffen bisher wirkungslos und Exporterstattungen sind tabu. Da liegt es nahe, dass viele auf das US-amerikanische „Milk Margin Protection Program“ (MPP) schielen. Das ist ein Versicherungssystem, an dem Milcherzeuger freiwillig teilnehmen können, um ihre sogenannte „Milchmarge“ abzusichern. In den USA ist die Resonanz riesig. Etwa 55 % der amerikanischen Milcherzeuger haben am MPP teilgenommen – und das im ersten Jahr nach der Einführung 2014. Was bei Amerikanern funktioniert, dürfte auch für deutsche Erzeuger interessant sein, oder?


Milchmarge statt Milchpreis:

Das MPP orientiert sich nicht am Milchpreis, sondern an der sogenannten Milchmarge. Sie ist definiert als durchschnittlicher nationaler Milchpreis abzüglich der durchschnittlichen Futterkosten. Somit entspricht sie der futterkostenfreien Leistung. Die Marge berücksichtigt die schwankenden Futterkosten und liegt dadurch näher am wirtschaftlichen Erfolg der Erzeuger als der reine Milcherlös. Langfristig gesehen ist die Marge zudem relativ konstant (siehe Übersicht 1). Das ist ideal für ein effektives Kriseninstrument, weil man das Absicherungsniveau nicht ständig anpassen muss.


Das MMP funktioniert so ähnlich wie eine Versicherung: Erzeuger sichern eine Grundmarge oder auch höhere Margen ab und zahlen dafür eine „Versicherungsprämie“. Sinkt die nationale Milchmarge im 2-Monatsdurchschnitt unter das Absicherungsniveau, erstattet das MPP dem Betriebsleiter die Differenz für die versicherte Produktionsmenge. Die Auszahlung ist also unabhängig von den betriebsindividuellen Preis- und Kostenstrukturen.


In den USA trägt der Staat die Kosten der Absicherung für die Grundmarge. Mehr Details zu dem US-amerikanischen Programm finden Sie in top agrar 12/2014 ab Seite 116.


Welche Futterkosten?

Das MPP lässt sich aber nicht 1:1 auf Deutschland übertragen. Vor allem die Milchmarge muss an hiesige Verhältnisse angepasst werden. Doch wo liegen die durchschnittlichen Futterkosten in Deutschland? Für unsere Beispielrechnung haben wir eine Futterration ohne Weidegang herangezogen, die auf eine Leistung von 8 500 kg Milch abgestimmt ist. Wie im US-Programm wurde die Ration vereinfacht, sodass nur Hauptfutterkomponenten berücksichtigt werden:


  • Grassilage
  • Maissilage
  • Milchleistungsfutter 18/3
  • Rapsschrot


Aus diesen Futtermitteln werden die Rationen für die Laktations- und Trockenstehphase in unterschiedlichen Mengenverhältnissen zusammengestellt (Übersicht 2). Grundfutterverluste wurden in Höhe von 10 % berücksichtigt.


Entscheidend für die Milchmarge ist dann die preisliche Bewertung der Futterkomponenten. Während für Kraftfutter monatlich nationale Durchschnittspreise verfügbar sind, sieht es beim Grundfutter schon anders aus. Die Preise für Mais- und Grassilage variieren regional sehr stark und Grassilagepreise werden in Deutschland nicht flächendeckend erfasst. Für unsere Beispielrechnung wurden daher nationale Durchschnittspreise von den regionalen Preisen für Gras- und Maissilage abgeleitet. Zieht man die Futterkosten vom Milchpreis ab, ergibt sich für die vergangenen 15 Jahre eine durchschnittliche Milchmarge in Deutschland von rund 20 ct/kg Milch.


Was kostet die Absicherung?

Zum besseren Verständnis haben wir für unser Beispiel ein Absicherungsniveau von 17 ct/kg Milch gewählt:


Angenommen Milcherzeuger Huber hätte in den letzten zehn Jahren an ­einem „deutschen MPP“ teilgenommen und eine Marge von 17 ct/kg Milch für eine Produktionsmenge von im Schnitt 100 000 kg pro Jahr abgesichert. Dann wäre für ihn in drei Jahren der „Versicherungsfall“ eingetreten – und zwar in den Krisenjahren 2009, 2012 und 2015 (siehe Übersicht 3). In dieser Zeit lag der 2-Monatsdurchschnitt der nationalen Milch­marge acht mal unter der abgesicherten Marge. Das MPP müsste Huber also für diese acht Zeiträume (entsprechend 16 Monate) die Differenz zur Marge erstatten. Für die versicherte Milchmenge wären das 3 300 €.


Das klingt erstmal gut und hätte die Liquidität von Huber in den kritischen Phasen verbessert. Demgegenüber stehen allerdings die Beiträge für ein solches Sicherheitsnetz. Ohne staatliche Unterstützung hätte Huber je abgeliefertes Kilogramm Milch dafür mindestens 0,33 Cent an Versicherungsprämie abführen müssen, damit das System deutschlandweit kostendeckend gearbeitet hätte. In den zehn Jahren wären so 3 300 € an Prämien angefallen. Analog zum US-Modell hätte Huber auch ein höheres Absicherungsniveau wählen können, mit entsprechend höherer Versicherungsprämie. Bei einer Marge von 20 ct/kg Milch, müsste Huber bereits 1,27 ct/kg Milch abführen.


Rechnet man die Prämien auf die gesamte deutsche Produktionsmenge hoch, wären in den vergangenen zehn Jahren ca. 990 Mio. € an Zahlungen für die Absicherung einer Marge von 17 ct/kg angefallen. Für die höhere Marge von 20 Cent wären es allerdings schon 3,85 Mrd. € gewesen.


Rückblickend halten sich die Kosten für eine Absicherung einer Marge auf den ersten Blick selbst ohne staatliche Unterstützung in Grenzen. Es ist allerdings fraglich, ob sich das auch auf die kommenden zehn Jahre übertragen lässt. In der Praxis wären die Prämien wohl etwas höher, weil ein Anbieter mit Risikoaufschlägen kalkulieren müsste. Bei einem privatwirtschaftlichen Anbieter kämen zusätzlich noch Verwaltungskosten und Gewinnaufschläge hinzu, die die Prämie weiter erhöhen.


Futterkosten sehr heterogen

: Mindestens genauso wichtig wie die Kostenfrage ist aber die Wirksamkeit des Programms. Letztlich sollte ein Kriseninstrument Betriebe in schwierigen Zeiten finanziell absichern. Die Effektivität sinkt, wenn die betriebsindividuelle Milchmarge stark von der nationalen abweicht. Die Folge: Betriebe mit Liquiditätsproblemen bekommen in einer Krisensituation keine ausreichende Unterstützung, während andere Betriebe Geld erhalten, obwohl sie noch gar keine Hilfe brauchen.


Die Untersuchungen des Thünen-Instituts sind hierzu zwar noch nicht abgeschlossen. Klar ist aber schon jetzt, dass vor allem die Unterschiede zwischen den Futterkosten die einzelbetrieblichen Milchmargen streuen lassen. Jeder Betrieb hat unterschiedliche Rationen und Kosten für seine Futterkomponenten. Im Jahr 2013 lagen z. B. die Kraftfutterkosten im Schnitt bei 6 ct pro kg Milch, variierten aber zwischen 3 und 9 ct/kg. Bei einem hohen Futterkostenniveau wird die Spanne sogar noch größer.


Wie risikomindernd ein Absicherungsprogramm für jeden Erzeuger am Ende ist, ist also sehr unterschiedlich.

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