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Eine Goldgrube für Oldtimer

Lesezeit: 7 Minuten

Bei Wind Nielsen finden Betreiber älterer Windenergieanlagen Tausende Ersatzteile. Der Dienstleister hilft aber auch beim Abbau und der Vermarktung von Altanlagen.


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In der riesigen Halle riecht es nach Stahl und Maschinenfett. Stahlteile, wohin man schaut. Im Hintergrund stehen mannshohe Gehäuse mit der Aufschrift Nordtank, Micon oder Windworld. Vor uns liegt ein riesiges, rund 4 m langes Ungetüm mit Spann-gurten auf einer Holzpalette verzurrt. „Das ist der Triebstrang einer Nord-tankanlage vom Modell NTK500 mit 500 kW Leistung, die Anfang der 90er Jahre gebaut wurde“, erklärt Dirk Nielsen. Der Geschäftsführer der Wind Nielsen GmbH aus Süderlügum im Norden Schleswig-Holsteins kennt sich sehr gut aus mit den Oldtimern unter den Windrädern.


Experten beim Repowering:

Nielsen betreibt aber nicht etwa ein Museum: In dem alten Depot der Bundeswehr lagert er auf 13000 m² Hallenfläche das wohl größte Ersatzteillager für ältere Windenergieanlagen in ganz Deutschland. Egal, ob Rotorblätter, Getriebe, Schaltschränke oder ganze Maschinenhäuser: Die Auswahl ist immens.


Dabei ist Nielsen zufällig zu dem Geschäft gekommen. Vor sieben Jahren hat er mit seinem Team begonnen, ältere Windräder abzubauen und zu vermarkten. Viele Windräder hat er in andere Länder verkauft wie z.B. nach Polen oder nach Übersee. „Wir haben dann auch angefangen, gebrauchte Windräder an anderer Stelle wieder aufzubauen“, sagt Nielsen, der früher beim dänischen Windenergieanlagenhersteller NEG Micon als Serviceleiter gearbeitet hatte, bevor dieser von Vestas übernommen wurde.


Die abgebauten Anlagen ließen sich jedoch nicht immer komplett vermarkten. Auch waren bei einigen Anlagen einzelne Bauteile verschlissen, während andere noch in gutem Zustand waren. Daher begann das Unternehmen, nach und nach einzelne Komponenten auch als Ersatzteile einzulagern und zu verkaufen.


Teile stark gefragt:

Dieser Geschäftszweig hat gerade in den letzten sechs Monaten stark an Bedeutung gewonnen. Grund ist das neue Ausschreibungsverfahren: Es macht das Repowering älterer Anlagen sehr kompliziert, sodass sich viele Betreiber für den Weiterbetrieb der Anlage entscheiden. Oder sie haben an dem Verfahren teilgenommen, warten aber mit dem Bau der neuen Anlagen, um vom technischen Fortschritt zu profitieren. In dem Fall müssen die Altanlagen länger als geplant weiterlaufen.


Wegen der starken Nachfrage hat Nielsen sogar einen Onlineshop unter wind-nielsen.com eingerichtet. „Für viele Altanlagenbesitzer ist das Ersatzteillager eine Goldgrube“, sagt Ingenieur Dieter Fries aus Hamburg, der Betreiber von Altanlagen berät. Grund: Der technische Fortschritt, aber auch die Fusionen in der Windbranche sorgen dafür, dass es viele Teile nicht mehr gibt. Beispiel: Die dänische Firma Nordtank Energy Group (NEG) wurde 1997 mit Micon zu NEG Micon fusioniert und 2004 mit Vestas verschmolzen. Viele Teile von Herstellern, die vom Markt verschwunden sind, werden heute nicht mehr produziert. „Und wenn es sie noch gibt, sind sie oft viel zu teuer“, sagt Fries.


Die Windmüller der ersten Stunde erhalten noch die Stromvergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000. Damals bekamen alle älteren Windräder den Neuanlagenstatus und damit die Zusage über eine Förderung für 20 Jahre. Ende 2020 endet also für viele von ihnen diese Förderperiode. „Wer heute beispielsweise einen Getriebeschaden hat, muss genau rechnen, ob sich die Reparatur lohnt“, betont der Berater. Denn diese kann schnell das 1,5-Fache des Jahresstromerlöses kosten. Während ein neues Getriebe – wenn es dieses noch gibt – rund 100000 bis 150000 € kostet, zahlen Betreiber mit Glück bei Wind Nielsen weniger als die Hälfte dafür. Teuer sind aber nicht nur die Hauptkomponenten. Wenn beispielsweise bei vier Motoren für die Gondelverstellung (Azimutverstellung) einer ausfällt, muss der Betreiber in der Regel nicht nur den defekten, sondern alle ersetzen. Denn sie müssen alle die gleiche Übersetzung haben und häufig sind die älteren Verstellmotoren nicht mehr verfügbar. „Wenn der Betreiber ein passendes Gebrauchtes findet, spart er also erheblich Geld“, sagt Fries. Mittlerweile fragen sogar Hersteller bei Nielsen an, die ihren Kunden bei Altanlagen helfen wollen.


Zu neuen Ersatzteilen kommt Nielsen durch den Abbau von Anlagen, was er mittlerweile in ganz Deutschland anbietet – entweder im Rahmen von Repowering oder die Betreiber steigen wegen kapitaler Schäden ganz aus der Stromproduktion aus. „Viele wollen vom Rückbau bis zur Vermarktung der Anlage nur einen einzigen Ansprechpartner“, weiß er aus Erfahrung.


Mögliche Erlöse:

Ob der Abbau nur Geld kostet oder sogar unterm Strich einen Gewinn bringt, hängt von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel die Nabenhöhe: Bei über 70 m ist dafür ein Spezialkran erforderlich, mit dem die Kosten schnell alle Erlöse übersteigen. Auch die Entsorgung der bis zu 25 t schweren Rotorblätter kostet zwischen 300 und 500 €/t. „Es gibt so viele Flügel auf dem Markt, dass es sich für uns nicht lohnt, diese in großer Zahl als Ersatzteil einzulagern“, erklärt Nielsen.


Dagegen bringen Stahlteile, die sich nicht verwerten lassen, zumindest einen Schrottwert. „Ich rate allen Betreibern, beim Repowering nicht mit einem Erlös für die Altanlage zu rechnen, da sich der Markt für die Teile schnell verändert“, meint Fries. Bis vor einem Jahr z.B. ließen sich sehr viele komplette Windräder nach Polen verkaufen. Aber der Gesetzgeber hat dort beschlossen, dass die Betreiber nur eine Förderung für Anlagen bekommen, die jünger als zehn Jahre sind. Damit ist der Verkauf nach Polen komplett weggebrochen.


Wichtiger wird nach Nielsens Erfahrung die Dokumentation der Verwertung. Viele Behörden oder Stromversorger wollen einen Nachweis für die ordnungsgemäße Entsorgung der Anlage sehen. Teilweise wird diese auch nach sieben Jahren noch verlangt, wie Fälle aus Schleswig-Holstein zeigen. Wer Anlagen ohne Nachweis ins Ausland verkauft hat, kann ein Problem bekommen. Ohne Nachweis ist der Repoweringbonus nach dem EEG gefährdet, den viele Betreiber erhalten haben.


Mit der Zeit hat Nielsen ein Gefühl dafür entwickelt, welche Bauteile sich als Ersatzteil eignen. Zurzeit sind Hauptkomponenten wie Generator, Getriebe, Antriebswellen oder Schaltschränke bzw. Komponenten wie Steuerungsteile oder Leistungselektronik sehr gefragt.


Wichtig für ihn ist ein Blick in das Logbuch jeder Anlage. Dort ist vermerkt, wann es welche Störung gab und wann welche Komponenten getauscht wurden. Diese Dokumentation liefert Nielsen beim Verkauf von Ersatzteilen mit. Er kann bei fast jedem der Tausenden Ersatzteilen in seinem Lager nachvollziehen, aus welcher Anlage es stammt, wo diese gestanden hat und welche Geschichte sie hatte. „Wir können ja keine Garantie auf die Teile geben“, sagt er.


Kulanz statt Garantie:

Trotzdem will er den Betreibern Sicherheit bieten. Dazu gehört, dass er anbietet, bei Komponenten wie dem Getriebe vor dem Verkauf eine Endoskopie durch eine Spezialfirma durchführen zu lassen. Auch arbeitet er mit Partnerfirmen zusammen, die eine Generalüberholung von Motoren oder Getrieben vornehmen. „Oft ist aber auch gar nicht erforderlich, dass die Teile noch einmal 20 Jahre halten, viele wollen damit ja nur bis zum Ende der 20-jährigen Förderperiode kommen“, sagt Fries.


Sollten sich bis dahin aber neue Geschäftsmodelle entwickelt haben oder sogar der Börsenpreis ansteigen, könnte ein Weiterbetrieb auch über das Jahr 2020 hinaus interessant werden. Vorbild dafür könnte Dänemark sein, wo Betreiber schon länger mit 3 ct/kWh als Erlös auskommen müssen. „Dort sind gebrauchte Teile noch stärker gefragt als bei uns“, weiß Nielsen. Zwischen den Jahren 2021 bis 2025 werden über 10000 ältere Windenergieanlagen mit zusammen 14000 MW Leistung das Ende des ersten Förderzeitraums im EEG erreichen, schätzt der Bundesverband Windenergie. Ersatzteile aus Süderlügum dürften also auch in den nächsten Jahren stark gefragt sein.


Hinrich Neumann

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