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Geburt: Viel wissen und wenig tun

Lesezeit: 9 Minuten

Was ist bei der Geburt eines Kalbes normal? Was kann ich tun und wann brauche ich tierärztliche Hilfe? Antworten gab das Geburtshilfeseminar in Aulendorf.


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Auf einem Milchviehbetrieb stören Geburten meist den Tagesablauf. Der Tag war so gut geplant und dann kündigt sich eine Kalbung an. Jetzt gilt es, Ruhe zu bewahren. „Geduld ist immer noch der beste Geburtshelfer! In gut gemanagten Betrieben bringen die Rinder ihr Kalb meist alleine zur Welt“, sagt Dr. Anita Herre vom Landwirtschaftlichen Zentrum Aulendorf in Baden-Württemberg (LAZBW).


Unter dem Motto „Viel wissen und wenig tun“ stand deshalb auch das Seminar zur Geburtshilfe am LAZBW. Prof. Dr. Holm Zerbe von der Klinik für Wiederkäuer mit Ambulanz und Bestandsbetreuung in Oberschleißheim und Dr. Bernd Hofmeister vom Rindergesundheitsdienst in Aulendorf vermittelten praktisches Wissen rund um die Kalbung. Das Wissen darüber, wie die Geburt natürlicherweise abläuft, hilft Situationen und Fortschritte einzuschätzen.


An einem Kuhdummy lernten die Landwirte ohne Zeitdruck, wie sie bei der Geburtshilfe vorgehen und wann sie den Tierarzt hinzurufen sollten.


Vorbereitungsstadium:

In den letzten Tagen vor der Kalbung ödematisieren Euter und Unterbauch der Kuh; auch die Scham schwillt an. 36 bis 6 Stunden vor der Geburt sinkt der Progesterongehalt im Blut deutlich. Der Schleimpfropfen am Muttermund löst sich und eine Schleimschnur ist sichtbar. Die Liegeperioden werden kürzer.


Wichtige Zeichen der nahenden Geburt sind das Erweichen und Einfallen der Beckenbänder, die Biegsamkeit des Schwanzendes, der Milcheinschuss und die Zitzenfüllung. Sind diese Veränderungen sehr deutlich wahrnehmbar, findet die Geburt oft in den nächsten 12 Stunden statt. Insbesondere große Betriebe haben Bedarf für automatisierte Geburtsüberwachungssysteme. Doch die Entwicklungen stecken noch in den Anfängen.


Öffnungsstadium:

Das Öffnungsstadium dauert etwa 6 bis 16 Stunden. Die Kuh hält den Schwanz ab und ist unruhig. Sie wechselt zwischen Abliegen und Aufstehen. Der Druck der noch geschlossenen Fruchtblase weitet die Geburtswege. Die bläuliche Wasserblase platzt meist zuerst. Sie enthält 10 bis 15 l wässrig-harnähnliche Flüssigkeit. Die weißliche Schleimblase platzt meist etwas später. Sie enthält etwa 3 bis 5 l gräuliche visköse Flüssigkeit, die die Geburtswege gleitfähig machen. Mit dem Blasensprung endet dieses Stadium.


Aufweitungsstadium:

Das Aufweitungsstadium beginnt also mit dem Blasensprung und endet mit dem Durchtritt der Stirn oder des Beckens der Kalbes durch die Scham der Mutter. Das Stadium dauert bei Kühen 1 bis 3 Stunden, bei Erstkalbinnen 3 bis 6 Stunden.


Die Kuh liegt nun meist in Seitenlage und presst. Spätestens jetzt geht der Schleimpfropf ab und Teile des Kalbes sind zu sehen. Ab dem zeitgerecht erfolgenden Blasensprung lebt das Kalb im Mittel noch etwa sieben Stunden.


Austreibungsstadium:

Das Austreibungsstadium beginnt mit dem Durchtritt von Stirn oder Becken des Kalbes durch die mütterliche Scham. Es lässt sich an mehrere Sekunden anhaltenden Presswehen erkennen. Vom Beginn der Austreibung bis zur Geburt des Kalbes dauert es etwa 5 bis 15 Minuten.


Das Kalb löst die Presswehen durch den Druck auf Rezeptoren in der Scheide aus. Die Kuh liegt in Seitenlage, so wird das Becken in eine optimale Kalbeposition gestellt. Der normale Fortschritt bei jeder Presswehe sind 1 bis 2 cm. In der Seitenlage drückt die Kuh das Kalb waagerecht heraus, erst nach Durchtritt des Beckens dreht sich das Kalb in Richtung Euter bzw. Hinterklauen. Etwa 5 bis 10 Minuten nach Austritt des Kopfes ist das Kalb geboren.


Nach der Geburt beginnt die sechsstündige Nachgeburtsphase, in der die Nachgeburt abgehen sollte.


In fünf Schritten zur Kalbung


1.Geburtshilfe fachgerechtvorbereiten:


Zur Kalbung gehört, die richtigen Bedingungen zu schaffen. Um Stress zu vermeiden, sollten Sie die Kuh frühzeitig, nicht erst am Tag der Kalbung, in einen separaten sauberen Abkalbebereich umstallen. Das senkt die Totgeburtenrate in Studien nachweislich.


Die Tiere im Abkalbebereich sollten in optimaler Kondition (nicht zu fett, Färsen nicht zu jung), gut versorgt (Wasserangebot, ausgewogene Mineralstoff- und Spurenelementversorgung) und in sauberem Zustand sein.


Bei Untersuchungen und Geburtshilfe müssen Sie sich Hände und Arme waschen. Waschen Sie die Scham der Kuh mit desinfizierender Seife. Hilfsmittel müssen ebenso sauber sein.


2.GeburtshilflicheUntersuchung:


Wann? Sie müssen nicht eingreifen, wenn bei Kühen 1 bis 2 Stunden (bei Färsen 2 bis 3 Stunden) nach Fruchtblasensprung die Füße des Kalbes zwischen den Schamlippen sichtbar werden und wenn anschließend der Kopf des Kalbes bei Kühen 2 bis 3 Stunden (bei Färsen 3 bis 4 Stunden) nach dem Fruchtblasensprung durch die Scham hindurchtritt.


Bei guter Beobachtung merken Sie, wenn Geburtsstockungen auftreten. Diese können sowohl von der Kuh als auch vom Kalb ausgehen. Mögliche Ursachen sind zum Beispiel ein zu großes Kalb, Lage-, Stellungs- und Haltungsanomalien, Gebärmutterverdrehung und Wehenschwäche. Sie sollten die Lage des Kalbes überprüfen, wenn


  • nur ein Fuß zu sehen ist,
  • die Fußsohlen nach oben zeigen,
  • sich die Kuh auffällig verhält, z.B. in der Aufweitungsphase immer wieder aufsteht oder wenn sie festliegt.


Wenn Sie zu keinem klaren Ergebniss kommen, müssen Sie tierärztliche Hilfe rufen.


Was ist normal, was nicht?


  • Lage, Stellung, Haltung: Normal sind nur die Vorder- oder Hinterendlage, eine obere Stellung und die gestreckte Haltung des Kalbes. Das heißt, das Kalb kommt mit beiden Vorderbeinen und der Nase oder beiden Hinterbeinen zuerst und liegt mit dem Rücken nach oben. Kopf und Gliedmaßen sind dabei gestreckt. Nur so kann es geboren werden. Alle anderen Positionen müssen korrigiert werden.


Um einzuordnen, ob es sich um Vorderbeine oder Hinterbeine handelt, sollten Sie die Gelenke der Beine beugen: Am Vorderbein lassen sich beide Gelenke (Fessel- und Handwurzelgelenk) in die gleiche Richtung beugen. Beim Hinterbein beugen sie in unterschiedliche Richtungen ab.


  • Größe: Mit der Beurteilung der Größenverhältnisse zwischen mütterlichem Becken und Kalb können Sie einschätzen, ob Sie einen Auszug versuchen können oder ob ein Tierarzt gerufen werden muss. Ein Kaiserschnitt kann dann nötig sein.


Für die Kontrolle, ob das Kalb für den knöchernen Geburtsweg nicht zu groß beziehungsweise das Becken der Kuh groß genug ist, ist ein vorsichtiger Einzugsversuch in das Becken nötig.


Beim sogenannten Durchgangstest schieben Sie die Hand zwischen Stirn oder Schulterblatt des Kalbes und knöchernes Becken der Kuh. Ist beides möglich wird in aller Regel eine Spontangeburt oder der Auszug des Kalbes möglich sein.


  • Zustand der Kuh: Wichtig ist außerdem, das Allgemeinbefinden der Kuh zu beurteilen.


Deutliche Störungen des Allgemeinbefindens, aber auch fehlende Wehentätigkeit erfordern sofortige tierärztliche Hilfe.


  • Zeit geben: Wenn Vitalität und Lage, Stellung und Haltung des Kalbes normal sind und die Kuh Wehen hat, sollte sie nach der Untersuchung in Ruhe gelassen werden. Geben Sie ihr Zeit, solange die Geburt in normaler Zeit fortschreitet.


3.Falsche Lage, Stellung und Haltung korrigieren:


Wann? Stellen Sie bei der Untersuchung fest, dass das Kalb nicht in einer Vorder- oder Hinterendlage, mit dem Rücken nach oben liegt sowie Kopf und Gliedmaßen gestreckt sind, müssen Sie oder Ihr Tierarzt korrigieren.


Wie? Auch hier hat die Geburtshygiene oberste Priorität!


  • Korrekturen sollten am besten am stehenden Tier erfolgen.
  • Muss ein Bein vorgeholt werden, sollten Sie dabei die gesamte Klaue mit der Hand umfassen, um die Gebärmutterwand vor Verletzungen zu schützen.
  • Muss der Kopf korrigiert werden, sind das Flotzmaul und damit die scharfen Zähne mit der Hand abzudecken.
  • Muss das Kalb gedreht werden, sollten Sie es in beide Richtungen versuchen.Häufig geht es in eine Richtung leichter.
  • Weitere Details, die im Workshop besprochen wurden, können Sie auch im Internet im Merkblatt 374 der DLG nachlesen.


4.Auszug des Kalbes:


Wann? Falls ein Auszug nötig ist, sollten Sie Zughilfe nur leisten, wenn


  • das Kalb in Vorder- oder Hinterendlage mit dem Rücken nach oben und in gestreckter Haltung liegt. Nur so ist ein Auszug möglich.
  • die Geburtswege gut geweitet sind.
  • die Kuh in Seitenlage liegt. So ist mehr Platz für den Durchtritt des Kalbes.
  • das Kalb nicht zu groß für den Geburtsweg ist – Durchgangstest (siehe 2.)
  • die Geburtswege gleitfähig sind.


Wie? Beim Auszug des Kalbes hat ein behutsames Vorgehen oberste Priorität.


  • Saubere Geburtsstricke oberhalb der Fesselgelenke anlegen.
  • Einzugsversuch: Kalb mit der Kraft einer Person und ohne Geburtshelfer in das Becken einziehen. Dabei können Sie die Beine auch abwechselnd ziehen.
  • Bei jeder Zughilfe gilt: Wehenpausen sind auch Zugpausen. Geburtsweg mit Gleitgel oder Fruchtwasserersatz gleitfähig halten. Wie bei der natürlichen Geburt sind auch jetzt 1 bis 2 cm Fortschritt pro Wehe ausreichend.
  • Auszug: Kalb mit der Kraft von zwei Personen zuerst gerade, also in Verlängerung zur Wirbelsäule der Kuh ziehen.
  • Beim Auszug mit dem mechanischen Geburtshelfer ist Vorsicht geboten! Diese entwickeln sehr große Zugkräfte und das Verletzungsrisiko für Kalb und Kuh ist deutlich höher. Diese Regeln sind einzuhalten: Er wird zuerst in gerader Verlängerung zur Wirbelsäule der Kuh angesetzt und bei jeder Presswehe leicht abgewinkelt. In der Wehenpause bringen Sie ihn wieder auf Spannung, ohne dabei Zug am Kalb auszuüben.
  • Erst wenn der Brustkorb ausgetreten ist, abgewinkelt in Richtung Euter weiterziehen. Ausnahme: Kommt das Kalb rückwärts, sollten Sie es bis zum Ende in Verlängerung der Wirbelsäule ziehen.
  • Bei Hinterendlagen kann die Nabelschnur eingeklemmt werden, während der Kopf noch in der Gebärmutter liegt. Durch Sauerstoffmangel kann es zur Fruchtwasseraspiration kommen. Dann ist Eile geboten. Auch eine geschlossene Blase um den Kopf des Kalbes müssen Sie nach der Geburt schnell entfernen.
  • In unklaren und komplizierten Situationen sollten Sie den Tierarzt rufen!


5.Geburtshilfliche Nachuntersuchung:


Nach dem Auszug des Kalbes muss geprüft werden, ob weitere Kälber in der Gebärmutter liegen oder Verletzungen aufgetreten sind. Die Nachgeburt geht erst in den nächsten sechs Stunden ab. Sie darf also nicht vorschnell entfernt werden. Kontakt:


katharina.luetke-holz@topagrar.com

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