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Handel steigt ins Molkereigeschäft ein

Lesezeit: 5 Minuten

Lidl baut ein eigenes Eiscremewerk, Edeka wird Mitglied einer Genossenschaftsmolkerei: Der Handel treibt die Vertikalisierung voran. Was bedeutet das für die Bauern?


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Sollte sich dieses Modell wirklich etablieren, dokumentiert es das Versagen der heutigen Molkereien“, macht Arla-Geschäftsführer Winfried Meier unmissverständlich gegenüber top agrar deutlich.


Er kritisiert die beginnende Vertikalisierung in der Milchwirtschaft. Das bedeutet, dass die Ebenen Produktion, Verarbeitung und Handel zunehmend zu einer Einheit verschmelzen – so wie es die großen Lebensmittelhändler beispielsweise bei Wurst und Backwaren machen. Zum Teil gibt es diese Entwicklungen auch in der Schweine- und Geflügelproduktion.


Treiber sind Lidl und Edeka.

Drei Vorgänge sorgen derzeit für Aufsehen:


  • In diesem Sommer hat Lidl (Schwarz Gruppe, Übersicht 2) die Produktion im eigenen Eiscremewerk in Übach-Palenberg bei Aachen in Nordrhein-Westfalen gestartet. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Marge für den Hersteller entfällt, Lidl kann somit entweder günstiger anbieten oder mehr Geld in die eigene Tasche stecken.


Zudem betont eine Sprecherin gegenüber top agrar, dass die eigene Eisproduktion die Warenverfügbarkeit mit hoher und gleichbleibender Qualität sicherstelle. Daran hatte es zuletzt gehapert. Branchenkenner berichten, dass insbesondere DMK Eis, eine Tochtergesellschaft vom Deutschen Milchkontor (DMK) und einer der größten Eisproduzenten für Lidl, den Discounter oft nur schleppend beliefert habe. Zum Teil hätten die Kunden vor leeren Eistruhen gestanden. Das DMK will sich gegenüber top agrar nicht dazu äußern.


Lidl betreibt bereits eigene Produktionsbetriebe für Getränke, Schokolade und Backwaren. Die eigene Produktion von Speiseeis sei der daraus resultierende nächste Schritt gewesen, so die Sprecherin. Auch wenn die Produktion noch nicht auf Hochtouren läuft, sind die Auswirkungen spürbar: DMK und andere Eislieferanten müssten neue Abnehmer suchen. Und Lidl habe im Frühsommer im großen Stil Sahne zugekauft und somit den knappen Fettmarkt weiter angeheizt, berichten Marktteilnehmer. Direkt mit Milchbauern sitzt Lidl nicht an einem Tisch.


  • Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka kooperiert jetzt mit der Molkereigenossenschaft Allgäu Milch Käse (AMK) aus Kimratshofen. Beide äußern sich nicht offiziell zu Details. Durchgesickert ist aber, dass die Zusammenarbeit auf zwei Schienen läuft: Schon länger beliefert AMK den Händler mit Butter und Käse aus der beliebten Allgäuer Milch. Nun hat Edeka der Molkerei beim Bau einer neuen Quarkproduktion mit einem zinslosen Darlehen unter die Arme gegriffen. Die Quarkerei betreiben beide als GmbH, nach sieben Jahren geht sie ins Eigentum der AMK über. Die Milch kommt von AMK, der Milchpreis ist vertraglich geregelt. Der Einstieg in die Milchverarbeitung passt zu Edeka, die bereits eigene Fleischwerke, Backbetriebe, einen Mineralbrunnen, eine Saftproduktion und eine Kellerei betreibt.


Bei der AMK ist Edeka aber noch einen ungewöhnlichen Schritt weitergegangen: Der Händler hat einen Mitgliedsanteil an der Molkereigenossenschaft gezeichnet. Dadurch hat er zwar keine großen Gestaltungsmöglichkeiten, aber dennoch einen Vorteil: „Es verschafft Einblick in Prozesse sowie Kosten- und Preiskalkulationen auf Molkereiebene“, sagt Dr. Björn Börgermann vom Milchindustrieverband. Edeka komme so an exklusive Informationen aus der Branche.


  • Und es gibt ein drittes Beispiel für die Vertikalisierung bei der Milch: Rewe unterstützt in Hessen die Marburger Traditionsmolkerei. Es ist aber ein kleines, regionales Engagement und nicht mit dem Vorgehen von Lidl und Edeka vergleichbar. Diese beiden Händler wollen dagegen strikt die Vertikalisierung in der Milchwirtschaft vorantreiben.


Viele Nachteile:

Was bedeutet das für die Milcherzeuger? Die engere Verschmelzung von Milcherzeuger, Molkerei und Handel kann durchaus Vorteile haben, meint Dr. Hans-Jürgen Seufferlein vom Verband der Milcherzeuger Bayern: „Einer Genossenschaftsmolkerei kann es Sicherheit bei der Kalkulation bieten, weil Menge, Qualität und Marge geregelt sind und sie nicht ständig verhandeln muss – mit der Angst, aus dem Regal zu fliegen. Für die Milcherzeuger kann die Vertikalisierung ein Stück weit die Volatilität glätten und stabilere Milchpreise sichern.“


Einig sind sich die Branchenvertreter, dass insbesondere der Lebensmittelhandel durch eine höhere Wertschöpfung von der Vertikalisierung profitiert (Übersicht 1, Seite R8). Und der Verbraucher durch niedrigere Preise.


Ludwig Börger, Milchreferent beim Deutschen Bauernverband, fasst die Gefahren für die Milcherzeuger durch die Vertikalisierung zusammen:


  • Der Preisdruck auf den gesamten Sektor nimmt zu. Das gilt insbesondere für die vielen Genossenschaften in Deutschland. Der Einstieg von Edeka in die Quarkproduktion ist ein gutes Beispiel: Im Vergleich zu anderen Produkten wie zum Beispiel Trinkmilch war die Quarkproduktion in Deutschland auf wenige Anbieter gebündelt. Um im Einkauf flexibler und unabhängiger zu sein, steigt Edeka jetzt selbst in die Quarkproduktion ein. Das Ziel des Lebensmittelhandels sind aber nicht hohe Milchpreise, sondern die Maximierung des eigenen Gewinns.
  • Die vertikale Integration erleichtert es dem Handel, höhere Produktionsstandards auf den Milchviehbetrieben durchzusetzen. Das zeigen die Entwicklungen in der Geflügel- und Schweine-branche. Dadurch steigen die Produktionskosten. Bezüglich der Produktions-standards wird man über QM-Milch in wenigen Jahren vielleicht nur noch müde lächeln können.
  • Die Diversifizierung der Milchströme nimmt zu. Das erschwert einen Molkereiwechsel und erhöht die Abhängigkeit von Marktentwicklungen in kleinen Teilmärkten (Spezial-/Regionalmilch).


Wie schützen?

Börger liefert direkt einen Vorschlag, wie sich die Branche davor schützen kann: „Wir brauchen starke bäuerliche Vermarktungseinrichtungen, also Genossenschaften und Erzeugerorganisationen.“


Gleichzeitig plädiert der DBV-Milch-referent dafür, einen anerkannten Branchenverband Milch zu etablieren: „Dieser könnte Musterverträge zwischen Molkereien und Groß- sowie Einzelhandel definieren, den alle Marktakteure akzeptieren müssen.“


Das sieht Dr. Börgermann vom Milchindustrieverband ganz anders. Er nimmt die Molkereien in die Pflicht: „Sie müssen eigene schlagkräftige Strukturen aufbauen, zum Beispiel durch Kooperationen, Fusionen oder Markenbildung. Ziel muss sein, sich für den Handel unentbehrlich zu machen.“


Das sieht auch Arla-Geschäftsführer Meier so: „Die Molkereien müssen so überzeugende Partner sein, dass der Handel gar nicht auf die Idee kommt, es selber besser zu können.“ Man darf gespannt sein, ob das gelingt.P. Liste

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