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Handeln, bevor’s eng wird!

Lesezeit: 7 Minuten

Viele Biogasanlagen geraten in Liquiditätsnot. Mit teilweise einfachen und schnellen Maßnahmen können Sie gegensteuern, um eine Insolvenz abzuwenden.


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Und dann konnte ich die Ernte nicht mehr finanzieren.“ Aussagen wie diese hört Matthias Bäcker von der Unternehmensberatung „Mammut Consulting“ aus Hamburg in letzter Zeit häufiger. Denn immer mehr Biogasanlagen geraten in finanzielle Nöte: Steigende Substratpreise, sinkende Gasausbeuten und zunehmende Reparaturkosten sind nur einige Folgen des Biogasbooms der Jahre 2009 bis 2012. „Eine Krise ist immer ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren“, hat er festgestellt. Oft baut sie sich auf, weil die Anlage am Ende statt der kalkulierten 100000 € Gewinn gerade einmal eine schwarze Null erzielt und der Betreiber keine Rücklagen für Krisenzeiten bilden kann.


Genauso, wie eine Krise nicht nur auf eine Ursache zurückgeht, ist sie auch nicht mit einer Maßnahme beseitigt. Dazu gehören oft viele kleine Schritte:


  • Krisenursache analysieren,
  • richtige Substrate wählen,
  • Silierverluste reduzieren,
  • Vergärung optimieren,
  • Stillstandszeiten minimieren,
  • Stromverbrauch und -bezug prüfen,
  • Vergütung ausschöpfen,
  • Wärmeverkauf neu regeln,
  • Hilfe von außen holen.


Krise analysieren:

Viele Betreiber kennen nach Bäckers Erfahrung weder die genaue Auslastung der Anlage, die produzierte Gasmenge je Tonne Substrat oder den erreichten Wirkungsgrad ihres Blockheizkraftwerks. Praxisgerechte Kennzahlen sind beispielsweise der Gasertrag oder die Stromausbeute je Tonne zugeführter Substrate. Diese Werte entscheiden über Wohl und Wehe einer Anlage. Schon wenige Prozente Unterschied können den Gewinn entscheidend beeinflussen, wie Bäcker vorrechnet: 1% weniger elektrischer Wirkungsgrad beim BHKW und 5% weniger Gasausbeute sorgen dafür, dass sich der Gewinn bei einer 500-kW-Anlage halbiert.


Richtige Substrate wählen:

„Viele Betreiber stöhnen über hohe Substratpreise und suchen nach Alternativen“, weiß Bäcker. Doch Mais ist nicht umsonst das optimale Substrat für viele Anlagen. Es lässt sich meist mit sehr einfacher Anlagentechnik vergären. Gute Anlagen kommen auch mit hohen Substratpreisen zurecht, wenn das Management stimmt.


Günstige Alternativen wie Gras oder Mist benötigen dagegen meist zusätzliche Investitionen in neue Zerkleinerungs-, Dosier-, Pump- und Rührtechnik. Bäcker hört oft Aussagen wie: „Jetzt installieren wir noch die Ultraschallanlage und dann wird alles besser“. Aber das ist ein Trugschluss. „Investitionen zur Optimierung kommen für Betreiber gesunder Anlagen infrage, aber in Krisenzeiten sind zusätzliche Ausgaben meist nicht zu empfehlen“, lautet sein Rat. Und wenn eine Anlage schon mit dem einfachen Substrat Mais nicht rundläuft, wird es mit schwierigerem Material kaum einfacher. Die Krise lässt sich dann mit einem weiteren Gerät kaum bewältigen, weil die Ursache nicht beseitigt ist.


Natürlich sollte ein klammer Betreiber nicht unbedingt den höchsten Preis am Markt für Substrate zahlen, nur damit er alle Lieferanten zufriedenstellt. „Zur Krisenbewältigung müssen alle einen Schritt aufeinander zugehen, auch die Lieferanten“, rät Bäcker.


Silierverluste reduzieren:

Nach der Analyse der Daten geht es an die Optimierung. Sie beginnt bereits beim Einsilieren. Entscheidend sind eine gute Verdichtung, der Einsatz von Silierhilfsmitteln und eine perfekte Abdeckung. Auch das Silomanagement im täglichen Betrieb mit gerader Anschnittsfläche und ausreichend Vorschub kann die Verluste reduzieren bzw. die Gasausbeute aus dem vorhandenen Substrat erhöhen. „Doch dafür muss man auch vergleichen können: Welche Mengen habe ich bei der Ernte eingelagert bzw. bezahlt und wie viel habe ich davon in die Anlage eingebracht?“, erklärt Bäcker. Wenn der Betrieb 10000 t eingelagert, jedoch nur 9000 t gefüttert hat, liegen die Silierverluste bei 10% und damit viel zu hoch. Zahlen wie diese muss jeder Betrieb kennen.


Auf den Prüfstand müssen zudem die Erntenebenkosten: Es gibt Anlagen, die ernten und lagern den Rohstoff für 6 €/t fertig im Silo ein, andere bezahlen 12 €/t und mehr. „Das kann an organisatorischen Mängeln oder schlichtweg zu hohen Preisen liegen, was jeder Betreiber prüfen sollte“, rät Bäcker.


Vergärung optimieren:

Als Weiteres sollte der Betreiber auch sein Substratmanagement vom Silo bis zum Gärrestlager unter die Lupe nehmen. Häufig steigt kurzfristig die Gasproduktion, wenn Rührwerke effektiver betrieben werden, beispielsweise durch Höhenverstellung oder Änderung der Rührzeiten. Die Durchmischung im Behälter lässt sich auch verbessern, in dem der Betreiber flüssiges Substrat aus dem Nachgärer rezirkuliert. Auch eine Überprüfung und Optimierung der Gärtemperatur ist immer sinnvoll, da ältere Fermenterheizungen und deren Regelungen häufig nicht mehr effizient arbeiten. Seiner Beobachtung nach gibt es auf vielen Anlagen zudem verschlissene Rührwerke und Pumpen oder veraltete Technik mit zu hohem Stromverbrauch. „Ein sofortiger Tausch amortisiert sich in kürzester Zeit wegen der höheren Gasausbeute und des geringeren Eigenstrombedarfs“, so Bäcker.


Eine Kontrolle mit der Gasleckkamera kann helfen, Lecks zu entdecken und zu schließen. Gasverluste entstehen auch, wenn die Gasfackel oder die Überdrucksicherung zu häufig anspringt, was auf Managementfehler zurückzuführen ist. Auch dabei „verbrennen“ Betreiber sinnlos viel teures Substrat, ohne es zu merken.


Stillstandszeiten minimieren:

Lange Stillstandszeiten bei Störungen kosten unnötig viel Geld. Der Ausfall lässt sich mit gutem Management extrem verkürzen. „Es gibt Anlagenbetreiber, die warten tage- oder wochenlang auf ein Ersatzteil, andere schicken einen Kurier und haben das Teil am nächsten Morgen da“, nennt Bäcker ein Beispiel.


Schnelle Reaktionszeiten bei Störungen sind generell ein großer Hebel, um finanzielle Verluste zu vermeiden. Stillstandszeiten lassen sich auch reduzieren, indem der Betreiber die wichtigsten Ersatzteile entweder selbst oder zusammen mit Berufskollegen zumindest in der Nachbarschaft auf Vorrat hält. Wichtig ist auch, dass er eine vorbeugende und planmäßige Instandhaltung bei Verschleißteilen vornimmt und nicht erst einen Ausfall in Kauf nimmt.


Strombezug prüfen:

Zur Einkaufsoptimierung gehört laut Bäcker auch der Strombezug. Denn viele Betreiber zahlen für den Eigenstrom der Anlage mittlerweile mehr Geld als sie beim Stromverkauf an Vergütung erhalten. In dem Fall hilft es, den Strombezugspreis neu zu verhandeln, denn die Strompreise an der Börse sind derzeit auf einem historischen Tief. Das kann mehrere Tausend Euro im Jahr ausmachen, denn eine 500-kW-Anlage benötigt im Jahr bis zu 400000 kWh Strom. „Oft sind 3 ct und mehr verhandelbar“, weiß Bäcker. Damit würde eine 500-kW-Anlage im Jahr 12000 € einsparen.


Einsparungen sind auch möglich, in- dem der Betreiber Pumpen, Rührwerke und Dosierer nicht gleichzeitig laufen lässt und so Stromspitzen vermeidet. Das senkt den Leistungspreis. „Wir kennen Anlagen mit 1 MW, die mit einer Optimierung dieser Verbraucher bis zu 30000 € im Jahr eingespart haben“, berichtet Bäcker aus der Praxis.


Vergütung ausschöpfen:

„Wir erleben immer wieder, dass Betreiber jedes Jahr mehrere Tausend Euro verschenken, weil der Energieversorger wegen fehlerhafter Stromzähler oder zu hoher Trafoverluste zu wenig vergütet“, beschreibt Bäcker. Auch haben längst nicht alle Betreiber ihre Vergütung voll ausgeschöpft. Gerade Betreiber von Anlagen, die unter dem EEG 2004 oder 2009 ans Netz gegangen sind, können möglicherweise noch von Boni wie dem KWK-Bonus oder dem Formaldehydbonus profitieren. „Eine schnell und mit wenig Aufwand eingerichtete Holztrocknung kann helfen, kurzfristig mehr Einnahmen über den KWK-Bonus zu erhalten – auch wenn das volkswirtschaftlich gesehen nicht das Optimum ist“, nennt Bäcker eine der Möglichkeiten. Darüber hinaus kann der Stromverkauf zu bestimmten Zeiten ein erster Schritt zu mehr Erlösen ohne große Investitionen sein.


Das Gleiche betrifft den Wärmeverkauf. Anders als beim Strom kann der Betreiber hier auch mit den Abnehmern nachverhandeln – zumindest sollte er nichts unversucht lassen. „Ein Fehler wäre es, aus Angst vor Konflikten nichts zu tun“, warnt Bäcker.


Hilfe von außen:

Bei allen Maßnahmen ist Hilfe von außen nötig. „Denn meist fehlt Betreibern in akuten oder heraufziehenden Krisen vor allem Zeit, aber auch die nötige Härte für verschiedene Verhandlungen und Sofortmaßnahmen“, hat Bäcker festgestellt. Auch erfordert die Krisenbewältigung viel Zeit, weil man sich neben dem Tagesgeschäft um viele andere Dinge gleichzeitig kümmern muss.


Unterstützung finden Betreiber bei erfahrenen Sanierungsberatern, Biologie-Experten mit Labor oder Dienstleistern mit Hilfsmitteln wie Gasleck- oder Wärmebildkameras. Neben unabhängigen Beratern bieten auch Firmen inzwischen Anlagenchecks an, um Fehlern auf die Spur zu kommen.


Aber auch erfahrene Betreiber können helfen. Bäckers Rat: „Viele Betreiber müssen sich zuerst eingestehen, dass ihnen eine Krise bevorsteht. Dann müssen sie schnell handeln!“


Hinrich Neumann

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