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In den USA ist Tierwohl nur ein Randthema

Lesezeit: 5 Minuten

Das Thema Tierwohl beherrscht hierzulande die Debatten. In den USA wird es immer noch belächelt. Prof. Martin Ziron, FH Südwestfalen Soest, wundert sich, was die Farmer in Übersee als Tierwohl verkaufen.


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Schweden und Norwegen sind am Weitesten, in Deutschland, Holland und Dänemark wird intensiv über künftige Vorgaben diskutiert, in den USA steckt die Diskussion noch in den Kinderschuhen: Die Rede ist vom Tierwohl in der Schweinehaltung.


Definition fehlt:

Fachleute betonen immer wieder, dass Amerika den europä-ischen Ländern beim Thema Tierwohl mindestens um 10 bis 15 Jahre hinterherhinkt. Zwar werden die Begriffe „Animal Welfare“ und „Well Being“ von US-Branchenvertretern gerne benutzt. Eine klare Definition bzw. Vorgaben, was damit gemeint ist, sucht man aber vergebens. Im US-amerikanischen Lebensmittelhandel ist das nicht anders. Auf Fleischverpackungen steht oft „100% All Naturell“, das war es dann aber auch schon.


Lediglich bei ganz wenigen ameri-kanischen Markenfleischprogrammen wird Bezug auf die international anerkannten „Animal Welfare-Richtlinien“ genommen. Die teilnehmenden Farmer verpflichten sich, ihre Schweine tiergerecht zu füttern, die Einschleppung von Krankheiten so gut es geht zu vermeiden und die Tiere schonend zu verladen.


Warum man das Thema in den USA eher halbherzig vorantreibt, wird beim Blick auf Verbraucherumfragen sofort klar: Die Mehrheit der amerikanischen Konsumenten hat wenig Interesse an „Animal Welfare“. Nach Aussage des National Pork Producers Councils (NPPC) sind lediglich 15% der US-Bürger daran interessiert, wie und wo ihre Lebensmittel produziert werden. Für 85% zählt nur, dass das Fleisch günstig ist und schmeckt.


Tierwohl light:

Wenn es um das Wohl der Tiere geht, beschränkt man sich in den USA heute in erster Linie auf Verbesserungen beim Management. Viele US-Farmer arbeiten zum Beispiel immer noch an der Einführung des innerbetrieblichen Hygienemanagements. Etliche Farmer tun dies übrigens nicht freiwillig. Doch die PED-Durchfallerkrankung, die in vielen nordamerikanischen Sauenherden in den letzten Jahren große finanzielle Schäden angerichtet hat, lässt ihnen keine Wahl. Erkannt haben die Farmer auch, dass sie die Wasserversorgung und Futterqualität verbessern müssen. Denn auch hier liegt noch vieles im Argen. Das liegt unter anderem an den fehlenden gesetzlichen Vorgaben. So bestehen zum Beispiel bis heute keine rechtlichen Regelungen darüber, wie viele Schweine sich eine Tränke teilen dürfen.


Deutlich mehr Wert als früher legt man inzwischen auf die Schulung des Personals. Die zumeist aus Mexiko stammenden Fremdarbeitskräfte lernen in Fortbildungskursen zum Beispiel den schonenden Umgang mit den Schweinen. Die amerikanischen Farmer haben erkannt, dass sie mehr Geld in die Ausbildung ihrer „Stall-Mannschaft“ stecken müssen, wenn sie auf Dauer erfolgreich sein wollen.


Der Einsatz von Antibiotika wurde in der nordamerikanischen Veredelungsbranche lange Jahre sehr viel laxer gehandhabt als in Europa. Während zum Beispiel der Einsatz von Leistungsförderern bei uns in Europa schon seit Jahren verboten ist, wurden diese in den USA bis vor Kurzem noch ins Futter eingemischt. Mittlerweile setzt aber ein erstes Umdenken ein. Seit dem 1. Januar 2017 gibt es sogar erste rechtliche Regelungen zum Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft. Dazu zählen:


  • Antibiotika, die in der Humanmedizin genutzt werden, dürfen nicht mehr als Wachstumsförderer eingesetzt werden.
  • Viele bislang frei verkäufliche Produkte bzw. Wirkstoffe sind nun verschreibungspflichtig.
  • Der Antibiotika-Einsatz wird mehr und mehr durch die Tierärzte überwacht.


Auf die Einstallprophylaxe in der Mast verzichten viele Mäster indes noch nicht. Das dürfte mit dem hohen Anteil an Fremdarbeitern zusammenhängen. Viele Mäster wollen auf Nummer sicher gehen, die in der Regel ungelernten Mitarbeiter in den Farmen sollen sich rein auf die Betreuung der Tiere konzentrieren.


Kastration ohne Betäubung:

Fortschritte in puncto Tierwohl haben zuletzt nur die US-Sauenhalter gemacht. Seit einigen Jahren investieren sie verstärkt in die Gruppenhaltung von tragenden Sauen. Aktuell stehen etwa 25% der amerikanischen Sauen in Gruppenhaltung, der Kastenstand ist aber weiterhin das dominierende Haltungssystem. Druck machen vor allem die großen Fastfood-Ketten wie McDonalds, Burger King usw. Sie fordern laut und deutlich, dass die Umstellung auf Gruppenhaltung schneller vorankommt.


Geredet wird auch über das Thema Kastration. Dabei wird aber nicht infrage gestellt, ob man den Eingriff in den USA verbieten sollte. In den Diskussionen wundert man sich eher darüber, dass das Thema in Europa überhaupt diskutiert wird. „Die betäubungslose Kastration von männlichen Ferkeln wird bei uns vom Verbraucher akzeptiert. Das gilt übrigens auch für das Thema Schwänzekürzen“, heißt es dazu beim NPPC.


Überhaupt keinen Diskussionsbedarf sehen die amerikanischen Farmer beim Thema Beschäftigungsmaterial im Schweinestall – egal ob organisch oder anorganisch: „Spielzeug braucht kein Schwein“, so die einhellige Meinung vieler US-Farmer.-ar-


Schweine: USA in Stichworten


Die US-amerikanische Schweinehaltung unterscheidet sich grundlegend von der in Europa. Nachfolgend ein paar Fakten im Kurzüberblick:


  • Neue Schweineställe werden immer „weit draußen“ gebaut, um die Ansteckungsgefahr zu senken. Bauplätze gibt es ausreichend. Ab 1000 Mastplätzen muss die Bevölkerung über den Neubau informiert werden.
  • Die klassischen Ställe sind seitlich offen und werden im Winter mit Folienjalousien verschlossen. Die Luft wird oberflur nur an einer Stirnseite abgesaugt (Tunnellüftung). Zusätzlich sitzen im Güllekanal Ventilatoren, die einen Teil der Luft unterflur absaugen.
  • Die Gülle lagert unterflur, weil der Bau von Außenbecken nicht mehr erlaubt ist. Die Kanäle sind bis zu 3 m tief.
  • Die Schlitze in den Spaltenböden im Maststall sind bis zu 2,5 cm breit. Darauf stallen die Farmer sogar 6 kg-Absetzferkel auf.
  • Deck- und Wartebereich sind oft ein Stallbereich.
  • Die Amerikaner füttern ausschließlich trocken, meist über Breiautomaten. Betriebe mit Flüssigfütterung sind echte Exoten.
  • Der Transporthygiene schenkt man wenig Aufmerksamkeit. An vielen Schlachthöfen können die Lkw nicht einmal gewaschen werden.
  • Die Farmer zahlen je 100US-Dollar Verkaufserlös 40 US-Cent an das National Pork Producers Council, die Interessenvertretung der Schweinehalter. Damit wird u.a. Lobbyarbeit finanziert.

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