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Mästen im Acker-Eldorado

Lesezeit: 7 Minuten

Ferkelerzeuger Heinrich Gerwert hat seinen Maststall 500 km vom Heimatbetrieb entfernt inmitten der Flächen von Ackerbauer Hubertus Paetow gebaut. Davon profitieren beide Landwirte.


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Die Spielregeln für die Verwertung von Gülle sind in der Düngeverordnung klar definiert. Pro Hektar dürfen nicht mehr als 170 kg N aus Wirtschaftsdüngern ausgebracht werden. Zudem darf der Phosphorüberschuss 20 kg pro ha im sechsjährigen Mittel nicht überschreiten. Wird die Novelle der Düngeverordnung wie geplant noch in diesem Jahr verabschiedet, sind künftig wohl nur noch maximal 10 kg P-Überschuss im sechsjährigen Mittel erlaubt.


Besonders für die Schweinehalter in den nordwestdeutschen Veredelungshochburgen verschärft sich die Nährstoffproblematik dadurch weiter. In Zukunft müssen sie noch mehr organischen Wirtschaftsdünger exportieren. Den Transport in die Ackerbauregionen übernehmen häufig Nährstoffbörsen, Nährstoffvermittler oder private Spediteure. Und das Geschäft brummt. Wer regelmäßig auf den Ost-West-Achsen A1, A2 oder der A44 unterwegs ist, dem dürften die „Gülle-Tanker“ bereits aufgefallen sein.


Auch Sauenhalter Heinrich Gerwert aus dem Münsterland hatte sich bereits über den Gülleexport in Ackerbau-regionen informiert, als er vor gut fünf Jahren den Einstieg in die Schweinemast plante. „Das hörte sich zunächst recht einfach an. Die Gülle wird direkt vom Behälter abgeholt und um die weitere Verteilung kümmert sich der Spediteur“, erinnert sich der Unternehmer an das Gespräch. Ganz anders wurde dem Landwirt aber, als ihm die Kosten präsentiert wurden. Gut 10 € pro Kubikmeter sollte Gerwert zahlen, umgerechnet etwa 15 € pro Mastplatz. Finanziell wäre die Mast damit zum Verlustgeschäft geworden, weiß der Landwirt.


Sauenhalter trifft Ackerbauer.

Für Heinrich Gerwert war das Thema Mastschweinehaltung damit erst einmal vom Tisch. Durch Vermittlung der LWK Nordrhein-Westfalen traf der Sauenhalter dann aber auf Ackerbauer Hubertus Paetow, der in Finkenthal in Mecklenburg-Vorpommern einen reinen Marktfruchtbetrieb mit 1300 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche bewirtschaftet. Die Fruchtfolge besteht aus Winterweizen, Wintergerste, Raps und Zuckerrüben.


Zudem betreibt der Landwirt auf 600 ha Saatgutvermehrung. „Im fünfjährigen Schnitt ernten wir auf unseren anlehmigen Sandböden 8,5 t Winterweizen, 7,8 t Wintergerste und 4 t Raps. Das ist für die hiesigen Böden mit durchschnittlich 39 Bodenpunkten ein gutes Ergebnis“, erklärt Paetow.


Dennoch sorgt sich der Landwirt ernsthaft um den Zustand seiner Böden. „Die Bodenstruktur hat unter der jahrzehntelang rein mineralischen Düngung gelitten“, erklärt Paetow selbstkritisch. Auf vielen Flächen fehlt organische Substanz, der Humusgehalt liegt teilweise unter 1%, optimal wären 2 bis 3%. Das hat ernste Folgen. Durch die geringe Pufferwirkung im Boden nimmt die Gefahr von Nährstoff-Auswaschungen zu. Zudem bauen sich Herbizidwirkstoffe bei niedrigen Humus-gehalten langsamer ab.


Um den Abwärtstrend zu stoppen, wollte der Ackerbauer neben dem mineralischen Dünger zusätzlich Gülle auf seinen Flächen ausbringen. „Wirtschaftsdünger enthält organische Substanz und verbessert die Bodenstruktur nachhaltig“, erklärt der Unternehmer. Zudem brauchen seine Böden dringend Phosphor, die Flächen liegen über-wiegend in Versorgungsstufe B. Auch Stickstoff kann der Landwirt auf seinen Ackerflächen noch problemlos unterbringen.


Kooperationsmodell entwickelt:

Das größte Problem bestand für den Unternehmer darin, Gülle zu bekommen. Denn zum einen spielt die Veredelung in Mecklenburg-Vorpommern eine untergeordnete Rolle, der durchschnitt-liche Tierbesatz beträgt nur 0,4 Großvieheinheitn je Hektar. Zum anderen verfügen die meisten Schweine- und Rinderhalter über ausreichend eigene Flächen. „Gülleüberschüsse haben wir hier nicht“, betont Hubertus Paetow.


Gemeinsam mit Heinrich Gerwert schmiedete der Ackerbauer deshalb folgenden Plan. Ferkelerzeuger Gerwert baut einen Maststall auf dem Betrieb von Ackerbauer Paetow und fährt anstatt der Gülle die Ferkel in die Ackerbauregion. Die Vorteile liegen auf der Hand: Heinrich Gerwert kann die eigenen Ferkel mästen und spart sich die teuren Verwertungskosten, und Hubertus Paetow bekommt für seine strukturarmen Böden organischen Wirtschaftsdünger frei Hof geliefert.


Das Kooperationsmodell zwischen den beiden Landwirten ist wie folgt aufgebaut: Hubertus Paetow hat seinem Partner Heinrich Gerwert zunächst das Baugrundstück für den 2000er-Maststall sowie 15 ha Ackerland verkauft. Der Münsterländer Ferkelerzeuger ist dadurch in der Lage, in Mecklenburg-Vorpommern ackerbaulich zu wirtschaften und ist somit gesellschaftsfähig im Rahmen einer §51a-Gesellschaft. Bei diesem Modell übertragen beide Kooperationspartner Vieheinheiten in die Gesellschaft. Zudem dürfen die Betriebe der beiden Gesellschafter maximal 40 km auseinander liegen.


Die §51a-Gesellschaft wird als Viehhaltungs-KG geführt. Komplementär, und damit persönlich haftender Gesellschafter, ist Heinrich Gerwert. Hubertus Paetow bringt als Kommanditist die Vieheinheiten in die Gesellschaft ein.


Mit der Bewirtschaftung des Stalles hat Hubertus Paetow nichts zu tun. Das Einstallen der Ferkel, die tägliche Tierbetreuung und die Vermarktung der Mastschweine ist allein die Aufgabe von Heinrich Gerwert bzw. seiner Mitarbeiterin vor Ort. Ackerbauer Paetow liefert lediglich das Getreide für die Mastschweine und nimmt die komplette Gülle ab. „Sobald diese im Außenlager ist, kümmere ich mich um die Ausbringung und trage die Kosten“, erklärt Paetow das Konzept. Mindest-Nährstoffgehalte oder andere Qualitätskriterien haben die beiden nicht vereinbart. „Ich nehme die Gülle so wie sie kommt“, stellt Paetow klar.


Finanziell für beide ein Gewinn:

Wirtschaftlich rechnet sich die Kooperation für beide Seiten. Ackerbauer Hubertus Paetow kalkuliert wie folgt: Der Nährstoffwert (Mineraldünger-Ersatzwert) der Mastschweinegülle liegt derzeit bei 8 bis 9 € pro m3. Unterstellt sind Trockensubstanzgehalte von 5% sowie Nährstoffgehalte pro m3 von 5,6 kg N, 2,8 kg P2O5 und 3,8 kg K2O. Zieht man 3 € pro m3 für die Ausbringung ab, bleibt ein finanzieller Vorteil gegenüber Mineraldünger von 5 € je m3. Bei durchschnittlich 30 m3 je ha und Jahr sind das satte 150 € pro ha.


Positiv verbuchen kann Hubertus Paetow für sich zudem, dass er die Bodenstruktur nachhaltig verbessert. Die Gefahr der Auswaschung von Nährstoffen geht zurück, und das Bodenleben wird gefördert. „Außerdem dünge ich jetzt gut 100 ha mit heimischen Nährstoffen und muss weniger Importdünger aus Übersee kaufen. Das schont die Ressourcen“, erklärt Paetow.


Wirtschaftlich zahlt sich die Zusammenarbeit auch für den westfälischen Schweinehalter Heinrich Gerwert in vielerlei Hinsicht aus.


  • Weil er den Stall in Mecklenburg-Vorpommern landwirtschaftlich pauschalierend betreibt, spart er gegenüber der gewerblichen Mast 4,50 bis 5,50 € pro Mastschwein ein.
  • Im Münsterland würde ihn die überregionale Verwertung der Gülle aktuell zwischen 12 und 15 € je Mastplatz kosten – Tendenz steigend. Dank des Kooperationsmodells mit Hubertus Paetow kann er diesen Kostenblock komplett streichen.
  • Weil das Getreide praktisch rund um den Stall wächst, liegen die Futterkosten um rund 2 € je Mastschwein niedriger als in den Veredelungsregionen.
  • Durch den Einstieg in die eigene Schweinemast kann Heinrich Gerwert einen Teil seiner Ferkel selbst mästen. Das zahlt sich bei den derzeit sehr niedrigen Ferkelpreisen aus.
  • Die Tiergesundheit ist im veredelungsarmen Mecklenburg-Vorpommern viel besser als in den Veredelungs-regionen. Influenza z.B. tritt selten auf.


Gegenrechnen muss Gerwert die Transportkosten der Ferkel vom Münsterland ins gut 500 km entfernte Finkenthal. Pro Ferkel zahlt der Sauenhalter zwischen 1,5 und 2 €. Der Preis hängt immer davon ab, ob der Spediteur eine Leerfahrt nach Mecklenburg hat.


Im Vergleich zum Münsterland hat der Stallbau etwa 10% mehr gekostet. Die fehlende Konkurrenz und die Unerfahrenheit der Baufirmen sind die Gründe. Für die Übertragung der Vieheinheiten in die Gesellschaft zahlt der Mäster zwischen 3 und 4 € je Vieh-einheit an seinen Kooperationskollegen. Zusätzliche Ausgaben entstehen dem Ferkelerzeuger für monatlich zwei bis drei Autofahrten vom Münsterland ins mecklenburgische Finkenthal. Im Monat sind das ca. 1000 €, wenn man die Fahrtkosten mit 30 Cent pro Kilometer und die Autostunde mit 20 € ansetzt.


Weitere Planungen laufen.

Nach mittlerweile sechs Jahren Zusammenarbeit ziehen Schweinehalter Heinrich Gerwert und Ackerbauer Hubertus Paetow ein durchweg positives Fazit. Beide wollen die Kooperation in Zukunft ausbauen. Die ersten Planungen laufen bereits. „Ich hoffe, dass ich in Zukunft noch viel mehr Gülle für meine Flächen bekomme. Gut 1000 ha hätte ich noch frei. Zudem tut der Wirtschaftsdünger dem Boden einfach gut und mit moderner Ausbringtechnik lässt sich die Gülle bodenschonend verteilen“, stellt Hubertus Paetow klar.


Dem kann Schweinehalter Heinrich Gerwert nur zustimmen. „Entscheidend ist jetzt, dass die Politik uns Landwirten keine Knüppel mehr zwischen die Beine wirft. Der Bau von Schweineställen oder Güllelager-behältern muss in den vieh-armen Regionen ohne größere Schwierigkeiten möglich sein. Das bringt sowohl den Veredlern als auch den Ackerbauern viele Vorteile“, fordert der Landwirt ein klares Bekenntnis der Politiker.


Marcus Arden

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